Abenteuer in Simbabwe: Tierbeobachtungen zu Fuß im Hwange Nationalpark
Tag 6 12.März
Es waren auch als ich aufwachte keine Sterne zu sehen, an diesem Morgen. Ein Scheppern und ein unterdrückter Fluch aus Richtung der Küche wiesen mich darauf hin, dass ich „verschlafen“ hatte, und dass Norman bereits bei der Arbeit war. Auch die Geräusche der Wildnis waren schon die des beginnenden Tages: die Perlkäuze pfiffen ihre Tonleiter, eine einsame Turteltaube gurrte und ein Graubülbül zwitscherte leise.
Gerade als ich mich aus der Decke schälte rief Andy leise zu mir herüber. Es war höchste Zeit aufzustehen, denn wir hatten eine lange Strecke vor uns. Wir hatten Tags zuvor beschlossen, nach Robins Camp zu fahren, ca. 50 km von Shumba Camp entfernt, und da um Erlaubnis zu bitten, eine Wanderung zu unternehmen. Jeder, der seinen Eintritt bezahlt hat, darf im Park herum fahren wo er will solange er sich an die Regeln hält. Zu Fuß an die Tierbeobachtung gehen darf aber nur wer dazu lizensiert ist, und Andy hatte zwar die Lizenz aber nicht für die Gegend um Robins Camp, ein anderes Verwaltungsgebiet, als das wo wir bislang angemeldet waren. Aufgrund des weiten Wegs hatten wir geplant, unser Mittagessen mitzunehmen und unterwegs Pause zu machen.
Voller Vorfreude aßen wir unser Frühstück und räumten auf. Zur Feier des Tages ließ Norman mich auch wieder Geschirr abtrocknen, damit wir schneller fertig waren, während Andy das Auto vorbereitete. Wir waren so mit unseren Aufgaben beschäftigt, dass wir die dunklen Wolken gar nicht bemerkten, die sich über uns ballten. Gerade als wir losfahren wollten, begann es in Strömen zu regnen. Schnell machten wir das Dach vom Auto zu, kontrollierten die Zelte und trafen uns im „Eßzimmer“ wieder zur Beratung. Mit der Hoffnung, dass es in 50 km Entfernung ganz anders aussehen könnte, entschieden wir trotzdem, uns auf das neue Abenteuer in Simbabwe einzulassen.
Als wir auf unserem Weg nach Robins Camp, dem kleinsten und entlegensten Camp des Hwange Nationalpark, den Masuma Picknick Platz erreichten, goss es so stark, dass das Segeltuch-Dach nicht mehr dicht hielt. Wir beschlossen, eine kleine Pause zu machen und zu warten bis der Regen wieder etwas nachließ. Ich nutzte die Gelegenheit einmal nicht hinter einem Busch verschwinden zu müssen. Unterdessen setzten sich Andy und Norman in den Unterstand der Plattform und Andy rief mir die Frage nach, ob er sich mein Fernglas borgen dürfe.
Als ich mich dann zu den Beiden setzte zeigte Andy auf einen Vogel, der sehr weit entfernt und bis zur
Unkenntlichkeit aufgeplustert auf einem Zweig saß. Er fragte mich, ob das nicht ein neuer Vogel für unsere Liste sei. Ich sah durch das Fernglas bis mir die Augen heraus zu fallen drohten aber ich konnte nicht ausmachen, was das für eine Vogelart war. Allerdings fühlten sich die Okulare meines Fernglases irgendwie feucht und schmierig an und ich dachte mir, dass Andy wohl erheblich leichter schwitzte als ich. Für mich war es dazu wahrlich noch nicht warm genug. Diskret versuchte ich, mir die Augen ab zu wischen und konnte zunächst gar nicht verstehen warum sich „meine“ beiden Männer so kringelten vor Lachen. Als ich auf meine Finger sah, wusste ich es. Andy hatte meine Okulare mit schwarzer Tarnfarbe eingeschmiert und nun sah ich aus wie ein mutierter Waschbär. Es war die Retourkutsche für die freche Bemerkung über Andys Landrover. Als wir fertig gelacht hatten und ich mich und das Fernglas wieder sauber gemacht hatte, hatte auch der Regen aufgehört und wir konnten weiter fahren.
Nicht weit von Masuma galt es, eine Furt zu überqueren, doch der Regen hatte einen kleineren Baumstamm über die Straße geschwemmt, dem Andy und Norman mit dem Beil und roher Kraft zu Leibe rückten.
Je weiter wir in Richtung Robins Camp fuhren, desto mehr klärte sich der Himmel auf und desto wärmer wurde es. Wir schälten uns aus den Jacken und Sweatshirts und freuten uns an dem schönen Wetter. Ein Turmfalke rüttelte nicht weit von uns über dem Busch, ein unglaublich eleganter Vogel und wunderschön gezeichnet. Es handelt sich um eine andere Art, als der hiesige Turmfalke aber die Ähnlichkeiten, besonders im Verhalten waren unverkennbar.
Etwas später sahen wir eine kleine Herde Zebras im lichten Wald. Das noch grüne Gras reichte ihnen bis zu den Flanken und die schönen Tiere schauten aufmerksam durch das Gebüsch zu uns herüber. Ihre Streifen leuchteten in der Sonne, doch als die Zebras langsam weiter zogen und im Halbschatten standen waren sie plötzlich sehr gut getarnt.
Auch in dieser Gegend hatte es sehr viel geregnet, stellenweise waren die Furten mit matschigem Wasser bedeckt, auf dessen Oberfläche Wasserkäfer wie kleine Quecksilbertropfen herum sausten. Der arme Landrover, den die Camp-Helfer am Vortag gewaschen hatten sah zunehmend wieder aus wie an meinem ersten Tag in
Hwange.
Kurz bevor wir Robins Camp erreichten, hielt Andy und langte in das Laub eines Baumes. Unglaublich was der Mann alles sah! In seiner Hand saß eine Stabheuschrecke. Andy berichtete ein paar interessante Fakten, unter anderem, dass diese Insekten in der Lage sind bei einem Angriff Beine zu „verlieren“ und bei der nächsten Häutung wieder nachwachsen zu lassen. Wir setzten das Insekt wieder in seinen Baum und fuhren weiter.
Nach einer kurzen Konferenz in Robins Camp hatten wir die Erlaubnis am Deteema Dam zu wandern. Andy
plante, über einen kleinen Umweg vorbei am Big Tom’s Wasserloch dorthin zu fahren. Das war beim besten Willen nicht so einfach wie wir es uns vorgestellt hatten. Der Weg bzw. die Straße war in dem dichten Gras kaum zu sehen und zum Teil schlitterte der Geländewagen bedrohlich im tiefen Schlamm umher. Wir mussten irgendwann einsehen, dass es zu riskant wurde. Hier würde uns so schnell keiner finden wenn wir tatsächlich stecken blieben. Also kehrte Andy um und wir fuhren auf der Hauptstraße zurück, um dann nach Deteema abzubiegen.
Auch hier sah alles anders aus, als noch im Oktober. Der kleine Tümpel mit etwas Schlamm drin, neben dem
wir letztes Jahr gezeltet haben, war jetzt ein zum Überlaufen gefüllter Stausee. Alles war grün und mit hohem Gras bewachsen. Wir gingen los, zunächst auf der kleinen Staumauer entlang.
Das überlaufende Wasser aus dem See speiste einen kleines Flüsschen, in dem ein Paar Sattelstörche nach Fröschen und Fischen jagte. Es sind imposante, schöne Vögel, mit ihrem schwarz-weißen Gefieder und den auffällig rot und gelb gefärbten Schnäbeln. Wir sahen ihnen eine Weile zu, auch einem Pärchen Kronenkraniche, die weiter entfernt vom Wasser auf Futtersuche waren. Erst als wir weiter gingen bemerkten wir einen Graureiher, der still wie eine Statue am Rand des Wassers stand und auf Fische lauerte.
Wir überquerten den Damm und gingen in den angrenzenden, lichten Mopanewald. Es war angenehm kühl im
Schatten und richtig schön heiß in der Sonne. Da es aber wegen unseres Umwegs nun schon nach Mittag war, fanden wir außer Hitze und Fliegen nichts wirklich aufregendes. Wir umrundeten den See, dann holte Andy das Auto und wir fuhren zu einer felsigen, etwas höher gelegenen Stelle, wo wir im Schatten sitzen und Mittagspause machen konnten. Mich faszinierte ein umgestürzter Baumstamm, die Muster im grauen, verwitterten Holz und die Kontraste zu der lebendig-grünen Schlingpflanze, die den Stamm überwucherte waren wunderschön.
Nach dem guten Essen machten wir uns langsam auf den Heimweg nach Shumba. Nicht weit von der Kreuzung wo wir Richtung Masuma rechts abbiegen mussten, stand ein riesiger Giraffen-Bulle neben der Straße und knusperte an ein paar Zweigen herum. Er sah uns kurz an, schien aber nur wenig von uns beeindruckt, denn er rupfte einfach noch ein paar Blätter ab und beachtete uns nicht mehr. Wir blieben eine Weile stehen und schauten ihm zu, bis er im Wald verschwand, dann fuhren wir weiter.
Endlich! Andy erhob die Faust zum Siegeszeichen. Ein massiger Elefantenbulle kam uns auf der Straße entgegen. Er hatte keine sehr langen, dafür aber kräftige Stoßzähne, und einen sehr starken Körperbau. Seine sonst graue Haut glänzte fast schwarz, eine Mischung aus Wasser und Schlamm triefte ihm vom Leib. Er sah uns nicht gerade erfreut an, hob leicht den Kopf und in dem Moment rochen wir ihn auch schon, ein unbeschreiblich wilder, schwerer Geruch.
„Er ist in Musth,“ sage Andy etwas enttäuscht. Das ist ein Zustand der erhöhten Aggressivität bei Elefantenbullen, die durch Hormonschübe ausgelöst wird. Normalerweise sind es gerade Bullen, die eher gemütlich sind, und denen man sich besser zu Fuß nähern kann, als Kühe, die ihre Jungtiere schützen wollen. Bloß in diesem Zustand war es eben besser, ihm nicht zu nahe zu treten. Einige Minuten lang sahen wir uns gegenseitig an, dann verschwand der Elefant im dichten Busch. Es ist unglaublich, wie leise so ein riesiges Tier sein kann. Im Nu war er weder zu hören noch zu sehen. Ich konnte spüren, dass es Andy mächtig juckte, ihm eine Weile zu folgen und wir gingen der Spur auch etwa fünfzig Meter weit nach, dann mussten wir einsehen, dass es keinen Sinn hatte. Der Busch war zu dicht, das Risiko zu groß. Und doch grinsten wir alle glücklich und zufrieden, als wir uns wieder ins Auto setzten. Was für ein aufregendes Abenteuer!
Noch ganz aufgeregt, kamen wir wieder in Masuma an. Zur Feier des Tages setzte ich den Kessel auf für einen frischen Tee während Andy und Norman mit der Werkzeugkiste unter dem Landrover verschwanden. Es gab ein Geräusch, das Andy misfiel und er wollte der Sache auf den Grund gehen. Wie es sich herausstellte, war nur eine Schelle lose aber sie war schwer zu erreichen, deshalb murmelten und knurrten die Beiden eine ganze Weile vor sich hin bis sie zufrieden waren. Unterdessen stellte ich jedem einen Becher Tee hin und nippte selbst während ich mich mit dem Camp-Aufseher unterhielt. Es war schon ein rührendes Bild, wie er da neben mir auf der Bank saß, von einem Becher Tee trank und mit einer Rundnadel fliederfarbene Wolle zu einer Mütze strickte. Er erzählte mir, dass eine Besucherin aus Alaska ihm das beigebracht hatte, und dass er seine Mützen nebenbei an die wenigen Touristen verkaufte, die hier vorbei kamen. Ich versprach ihm, beim nächsten Besuch ein Taschenbuch mit zu bringen, damit er zur Abwechslung auch einmal lesen konnte.
Als Andy und Norman mit dem Zustand des Landrovers zufrieden waren, fuhren wir weiter. Als wir Shumba erreichten, stellten wir fest, dass wir noch Zeit hatten bis Sonnenuntergang. Wir holten und kalte Getränke aus unserem Kühlschrank und fuhren weiter zu einer Stelle, die Andy auf dem Weg in den Park entdeckt hatte. Wo normalerweise eine Gras-bewachsene Senke war, gab es jetzt einen schönen Teich mit hellblau blühenden Seerosen. Hier stellten wir den Wagen ab, nippten an unseren Getränken und sahen den unglaublichen Farben und Formen der Wolken beim Sonnenuntergang zu. Als es fast dunkel war, machten wir uns auf den Heimweg, völlig erledigt nach einem langen und ereignisreichen Tag. Sogar Norman schien heute mal etwas geschlaucht zu sein, ich durfte beim Abendessen-machen mehr helfen als sonst.
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