Auf der Insel An Binh bei Vinh Long im Mekong Delta
Freitag
Heute verlassen wir Can Tho und fahren mit einem Linienbus bis nach Vinh Long . Die Strecke ist kurz, nur ca. eine Stunde entfernt. Daher können wir noch in Ruhe frühstücken und die restlichen Kosmetikartikel in den Koffer packen.
Mir geht es heute gar nicht gut, ich bin fürchterlich erkältet. Schon gestern Abend im Restaurant war mir ein wenig fröstelig. Vielleicht war es ja unsere gestrige „Siesta“ mit laufender Klimaanlage. So ein Pech!
Ein Taxi bringt uns zum Busbahnhof und der Fahrer sorgt dafür, dass wir in den richtigen Bus steigen. Wir haben Glück, er ist bereits abfahrbereit als wir ankommen. Schnell einsteigen, die Reisetaschen verstaut der Fahrer hinter seinem Sitz und los geht es.
Es ist ein lokaler Bus und außer dem Fahrer ist noch ein Schaffner an Bord. Er steht in der Tür, die Zigarette im Mundwinkel und hat einen dicken Packen Geld in der Hand. Jeder der einsteigt bekommt von ihm den Platz zugewiesen, er ist hier eindeutig der Boss. Zwei Reihen hinter uns sitzt eine Frau mit einem Huhn in ihrem Korb. Wir hören das Tier hin und wieder leise gackern. Die Stimmung im Bus ist locker und entspannt, jeder spricht mit jedem und es wird viel gelacht. Hier hat keiner ein Handy und niemand sendet WhatsApp.
Doch es werden nicht nur Personen befördert. An einer Haltestelle steht ein Mann mit einem großen Eimer Farbe. Kurz verhandelt er mit dem Schaffner, der Eimer wird eingeladen und einige Haltestellen später von einem anderen Mann abgeholt. Das gleiche passiert mit einem Schlüsselbund und einer Tasche.
In Vinh Long ist Endhaltestelle und gemeinsam mit den anderen Fahrgästen steigen wir aus.
Ich habe hier kein Hotel sondern einen „Homestay“ gebucht und der liegt ein wenig außerhalb des Ortes. Am besten wir nehmen ein Taxi. Ich frage die umstehen jungen Männer „Taxi?“ „No Taxi, Moped!“ meint einer der direkt neben uns steht. Moped? Wir sollen mit unserem Gepäck auf ein Moped steigen? Das meint der doch hoffentlich nicht ernst? „Very close! Nur fünf Minuten“ erklärt er mir. Tja, was sollen wir machen! Zumindest bestehe ich darauf, dass Edith und ich jeder auf einem extra Moped fahren. Und dann klappt es doch besser, als ich erwartet habe. Das Gepäck kommt nach vorne, wo der Fahrer es mit seinen Beinen festklemmt. Edith und mir stülpt er einen Helm auf den Kopf und los geht die Fahrt. Ich bin ewig nicht mehr Moped oder Motorrad gefahren und habe schon fast vergessen wie viel Spaß das macht.
Der Fahrer hat recht, es ist wirklich nicht weit. Ein paar Strassen weiter sind wir bereits am Ziel, allerdings nicht im Homestay Nam Thanh sonder an der Anlegestelle einer Fähre. Und nun? Die Verständigung ist ein wenig schwierig, doch unsere beiden Mopedfahrer geben uns per Handzeichen zu verstehen, wir müssen auf die andere Seite des Flusses. Also warten wir und gehen nach ihrer Ankunft gemeinsam mit den wenigen Fußgängern und vielen Mopeds auf die Fähre.
Die Überfahrt dauert knapp 15 Minuten und schon strömen wir mit all den knatternden Mopeds auf die kleine Insel An Binh. „You need Moped?“ fragen uns zwei junge Männer als wir uns zögerlich umsehen. Ich frage erst gar nicht nach einem Taxi. „Wie weit ist es bis zum Nam Thanh Homestay?“ Der ältere der beiden wiegt andächtig den Kopf von links nach rechts. „Ohhh, das ist weit! Vielleicht sieben Kilometer!“ Nun, so weit möchte ich nicht mit dem Gepäck zu Fuß gehen. Die beiden nennen uns einen Preis, den ich im Vergleich zu den paar Metern zur Fähre für angemessen halte und so kommen wir heute zu einer weitern Moped-fahrt. Es ist wirklich weit! Habe gar nicht gedacht, dass die Insel An Binh so groß ist.
Nach etwa einer viertel Stunde biegen wir in die Auffahrt des Homestays ein.
Unsere Fahrer verabschieden sich auffällig rasch. Sie möchten gar nicht auf das Grundstück einbiegen, sondern setzen uns direkt am Tor ab. Merkwürdig!
Eine junge Frau nimmt uns in Empfang und bietet uns einen Tee an. „Das Zimmer ist leider noch nicht fertig“ teilt sie uns etwas verlegen mit. Kein Problem, es ist ja auch noch recht früh. Wir lassen unser Gepäck einfach hier auf der Terrasse stehen und erkunden in der Zeit die nähere Umgebung. Wir beginnen mit dem Garten des Homestays, der Teich und die im Schatten angebrachten Hängematten.
Das sieht doch schon sehr gut aus, vor allem ruhig und erholsam. Die Neugierde treibt uns nach draußen und wir machen einen kleinen Spaziergang. Gekommen sind wir von rechts, von dort sind die Mopeds in die Auffahrt eingebogen. Also beschließen wir nun in die andere Richtung zu gehen. Der schmale asphaltierte Weg führt uns an den Häusern der Nachbarn vorbei und hin und wieder begegnet uns ein Moped-oder Radfahrer. Ein kleiner Seitenweg scheint direkt zum Fluss zu führen. Hmmm!!?? Wieso ist der Fluss mit Blick auf Vinh Long auf dieser Seite? Und die Gebäude kommen mir auch bekannt vor, genauso wie die vietnamesische Flagge die dort hinten über dem Dach weht. „Lass uns mal geradeaus weiter gehen“ schlage ich Edith vor. „Ich glaube dort vorne ist die Anlegestelle für die Fähre“ . Tatsächlich! Wir landen nach knapp fünf Minuten Fußweg dort, wo wir auf die Mopeds gestiegen sind. Von wegen sieben Kilometer! Doch keiner von uns beiden ist ernsthaft verärgert- warum auch! Es war eine flotte Inselrundfahrt, was wollen wir mehr. Zumindest haben die Jungs uns was geboten für das Geld.
Langsam schlendern wir zurück und als wir im Homestay ankommen ist nun auch das Zimmer fertig. Womit ich nicht gerechnet habe ist der Punkt, dass es Bad und Toilette nur als Gemeinschaftsbad gibt. Nicht so toll, aber alles ist sauber und es gibt sogar eine Dusche mit warmen Wasser. Das Waschbecken ist im Flur, also öffentliches Zähneputzen.
Meine Erkältung wird immer schlimmer. Inzwischen hänge ich so richtig durch und würde mich am liebsten im Bett verkriechen. Aber doch bitte nicht im Urlaub! Stattdessen lege ich mich in eine der vielen Hängematten und dort verbringe ich den Rest des Tages. Nur keine unnötige Bewegung, es reicht schon wenn ich meine Buchseite umblättern muss. Schade, denn ich hätte die Insel gerne ein wenig ausführlicher besichtigt. Viele der anderen Gäste kommen jetzt in der Mittagszeit von einer ausgiebigen Fahrradtour zurück.
Doch anderseits ist es sehr erholsam in dem Garten des Homestays. Keine hupen von Mopeds, kein Lärm, einfach nur Erholung pur. Und ich hoffe, dass es mir morgen besser geht. „Vielleicht sollten wir hier einfach einen Tag länger bleiben?“ schlage ich vor. Doch ich habe das Hotel an unserem morgigen Ziel bereits fest gebucht und so bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan.
Das im Homestay angebotene Abendessen ist sehr gut und absolut reichlich. Als Vorspeisen gibt es vietnamesische Frühlingsrollen und ein mit Gemüse gefüllter Pfannkuchen. Das Hauptgericht ist ein Elefantenohr-Fisch, der sein Name seiner Form verdankt. Obwohl man schon viel Fantasie braucht, um in diesem Fisch ein Elefantenohr zu sehen. Dieser gerillte Fisch gilt als ein besondere Spezialität im Mekong Delta. Leider habe ich auf Grund meiner Erkältung absolut keinen Appetit. Ich versuche eine Frühlingsrolle und den Gemüsepfannkuchen, stochere mit den Stäbchen noch ein wenig auf meinem Teller rum und dann muss ich leider passen. Es ist mir peinlich, doch nicht zu ändern. Trotz Temperaturen um die 30ºC ist mir kühl und ich sehne mich nur noch nach meinem Bett. Es ist ein sehr kurzer Abend!
Schade, denn wir sind eine sehr nette und internationale Tischrunde. Drei junge Frauen, alle allein reisend, die sich hier im Homestay kennen gelernt haben. Und ich gehe kurz nach Acht ins Bett! Dabei bin ich doch sonst immer eine von denen , die das Licht aus machen! Ich kann nur hoffen, dass es mir morgen wieder besser geht. Und die Fahrradtour auf der Insel An Binh? Die muss ich wohl für die nächste Reise aufschieben. Mit diesem Vorsatz kuschel ich mich unter das Bettlaken und bin trotz der frühen Zeit kurz darauf eingeschlafen.
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