Can Tho, das Wirtschaftszentrum im Mekong Delta
Mittwoch
Heute verlassen wir Saigon und setzen unsere Vietnam-Rundreise mit dem Linienbus fort. Unser Ziel ist Can Tho, die bedeutendste und grösste Stadt im Mekong Delta.
Das Busticket hat gestern das freundliche junge Mädchen an der Hotelrezeption für uns reserviert. Sie stammt aus CanTho und erklärte mir, dass alle halbe Stunde ein Bus fährt. Kein Problem! Um wie viel Uhr ich denn gerne fahren möchte. Super, so um 9ººh wäre toll. Da können wir noch frühstücken und müssen nicht zu früh aufstehen.
Doch als ich gestern Abend die Bestätigung der Buchung erhielt war ich ein wenig überrascht. Abfahrt um 9ººh am Busbahnhof, das passt. Doch was steht da? Wir sollen 115 Minuten vorher dort sein? Wirklich 115 Minuten? Nicht 90 Minuten, auch nicht 60 Minuten – nein, da steht ganz klar 115 Minuten. Sehr merkwürdig! Aber sicherheitshalber machen wir, was die junge Dame uns aufgeschrieben hat und fahren entsprechend früh mit einem Taxi an die angegebene Adresse.
Wir landen in einem Büro der Busgesellschaft, wo mich eine Angestellte mit den bereits ausgestellten Fahrkarten erwartet. „Oh good!!“ begrüsst sie mich freudig. „Sie sind früh, aber ich kann sie auf den Bus um 8ººh umbuchen!“ Umbuchen? Sie hat doch die Tickets schon fertig. Ich sag jetzt lieber nichts und lächle einfach zurück. Mein Vermutung ist, dass der Bus um 9ººh ausgebucht war. Doch der Wunsch des Gastes – da sagt man ja nicht einfach NEIN. Das Wort NEIN ist möglicherweise unhöflich, wie in vielen asiatischen Ländern. Als ich in Japan war, hat man mir erklärt, dass es in der japanischen Sprache kein Wort für Nein gibt. Vielleicht ist das in Vietnam ja auch so? Egal, Hauptsache wir haben einen Platz im Bus. Ob um 8ºº oder um 9ºº ist dabei nicht wichtig.
Von dem Büro der Gesellschaft bringt uns ein Zubringer zum Busbahnhof und hier stehen wir nun mit unserem Ticket. Hoffentlich steigen wir nicht aus versehen in den falschen Bus! Denn Englisch spricht hier keiner. Ich zeige unser Ticket einem der Männer in Uniform, er betrachtet es ausgiebig und nickt dann. O.k.- ich gehe mal davon aus, dass er uns im Auge behält. Und so ist es dann auch! Er bringt uns kurz darauf mit unserem Gepäck zu dem gebuchten Bus. Ich gebe ihm ein Trinkgeld für seine Hilfe und erhalte dafür zuerst einen freudig erstaunten Blick und danach ein großes strahlendes Lächeln. Ein Punkt, den ich auf dieser Reise noch oft beobachten werde. Die Menschen freuen sich über eine Anerkennung, auch wenn sie sehr klein ist.
Es ist ein neuer, grell-oranger Fernbus der Linie FUTA- Buslinie. Dieses private Unternehmen fährt in gesamt Vietnam und bietet bei längeren Strecken auch Schlafsitze an. Im Internet gibt es viel zu lesen über all diese verschiedenen Busunternehmen. Wir haben Glück mit unserem Bus. Er ist pünktlich, sauber, bequem und jeder erhält noch eine kleine Flasche Wasser für unterwegs. Auf halber Strecke machen wir eine kurze Rast in der FUTA – Raststätte. Eigentlich ist es eine riesige Markthalle. Hier wird Obst , Snacks, süßer gedünsteter Reis in Bananenblättern und Getränke verkauft. Ein kleiner Bereich bietet Souvenirs und Weihnachtsdekoration. Für den großen Hunger gibt es drei Restaurants, eines davon vegetarisch. Und natürlich Toiletten die, entgegen dem was ich im Internet gelesen habe, alle sauber sind.
Sowas habe ich bisher noch nie gesehen, eine Raststätte speziell für eine Busgesellschaft.
Vorsichtshalber behalte ich unseren Bus im Blick, denn ich habe keine Ahnung wie lange wir uns hier aufhalten. Wir sind die einzigen Ausländer und haben kein Wort verstanden, was der Fahrer gesagt hat.
Nach ca. 20 Minuten beginnen alle Passagiere wieder einzusteigen und zügig geht nun die Fahrt weiter bis nach Can Tho.
Can Tho ist mit über 500.000 Einwohnern die bedeutendste Stadt im Mekong Delta. Sie verfügt über einen gut ausgebauten Hafen, eine Werft, Industriebetriebe und eine Universität.
Can Tho gilt als das ökonomische, wissenschaftliche und kulturelle Zentrums des Deltas.
Am Busbahnhof angekommen herrscht das übliche Gewimmel von Taxifahrern. „Mam, brauchen sie ein Taxi?“ „Mam, ich mache einen guten Preis!“ „Madame- wohin möchten sie denn?“ „Mam, ich habe eine Limousine mit Aircondition!“ Wie weit mag unser gebuchtes Hotel entfernt sein? Ich frage einfach mal so in die Runde: „Kim Lan Hotel?“ Das Interesse lässt ein wenig nach, scheint wohl nicht allzu weit entfernt zu sein. Einer der Männer schaut sich nachdenklich meine Buchung an und unterhält sich kurz mit dem Fahrer der Aircondicion-Limousine. Dann nickt er wohlwollend und nennt seinen Preis ,den ich einfach zur Probe um 50% reduziere. Empört schaut er mich an und ich schaue empört zurück. Die Preise können hier doch nicht höher sein als in Ho Chin Minh City! Er überlegt kurz, nickt und ist mit meinem Preisvorschlag einverstanden. Nanu, das kann ja wirklich nicht sehr weit sein.
Die Fahrt dauer dann doch etwa 20 Minuten in denen der Limousinen-Fahrer am dauer-telefonieren ist. Zweimal höre ich den Namen unseres Ziels, Kim Lan Hotel. Wem mag er erzählen wo er seine Gäste hinfährt? Merkwürdig!
Wir erreichen das Zentrum und fahren in Richtung Fluss. Die Strasse kommt mir vertraut vor. Das kenne ich doch von den Bildern im Internet! Wir müssen gleich am Hotel sein, es liegt von hier auf der linken Seite. Richtig- da ist es schon! Groß und dick steht es angeschrieben: Kim Lan Hotel! Warum fahren wir vorbei? Ach ja, sicher will der Fahrer dort vorne an der Ampel wenden! Er wendet jedoch nicht, sondern fährt weiter. „Kim Lan Hotel!“ erkläre ich noch mal laut und deutlich, worauf er nur vage nickt. Einige Meter vor der Flusspromenade stoppt er vor einem Hotel, dreht sich zu uns herum und meint „Kim Lan Hotel“. Im gleichen Moment reißt ein korpulenter Herr die Tür auf und fordert uns auf auszusteigen. Ich bleibe erst mal sitzen und schaue fassungslos die sehr bunte und gammelige Fassade an. „Das ist nicht Kim Lan Hotel“ erkläre ich dem korpulenten Tür-Aufreißer. Dieser lächelt und meint freundlich „Welcome, Mam!“ Was heißt : Welcome? Hier habe ich nicht gebucht! „Kim Lan Hotel ist dort“ erkläre ich dem Fahrer und zeige ihm die Richtung an. Es gibt einen sehr kurzen Wortwechsel zwischen dem Fahrer und dem dicken Tür-Öffner mit dem Resultat, dass wir von unserem Taxi kommentarlos zu dem von mir gebuchten Hotel gefahren werden. Also so was! Das ist dreist!
Im Kim Lan Hotel ist der Empfang sehr freundlich, Kim ist selbst an der Rezeption und bringt uns auf das Zimmer. Hier ist alles sauber und die Terrasse ist reichlich mit Blumen bepflanzt.
Das Zimmer ist zwar ein wenig eng, aber wir sind zufrieden.
Nach einer kleinen Ruhepause machen wir uns auf um die Stadt zu entdecken. Von Kim haben wir einen Plan der näheren Umgebung, in dem der Markt sowie einige Restaurant -Empfehlungen von Kim eingetragen sind.
Unser Weg führ uns an den Can Tho Fluss, an dessen Ufer wir entlang schlendern. Ein kleines Geschäftszentrum liegt direkt neben einem Restaurant und Parkbänke laden zum verweilen ein. Wir machen uns einen sehr ruhigen Nachmittag, beobachten die Menschen bei ihrem Spaziergang und genießen die Sonne und die Wärme. Die Promenade ist wie ein Park gehalten mit viel Blumen und Sträuchern. Eine große Statue von Ho Chi Minh steht auf einem Platz direkt neben der Promenade.
„Wir sollten irgendwo etwas trinken gehen“ schlage ich vor, animiert durch ein Lokal auf der anderen Straßenseite. Dort stehen Tische und Stühle auf der Strasse und es sieht gemütlich aus. Eine gute Idee! Wir haben einen „Logenplatz“ und können von hier aus das Geschehen auf der Strasse beobachten. Familien mit Kindern und Großeinkauf fahren auf einem Moped vorbei. Eine Frau auf einem Fahrrad balanciert einen Teller mit Essen auf der einen Hand. Manches ist schon eine artistische Leistung. Am interessantesten ist der hier weit verbreitete „Kindersitz“ bei den Mopeds. Ein Stuhl mit Rücken-und Armlehnen, den die fahrende Mutter vor sich stellt. Die Stuhlbeine hängen ein wenig über und geben zusammen mit den Beinen der Mutter dem Sitz halt. Es sieht abenteuerlich aus, scheint aber zu funktionieren.
Nachdem wir ausgetrunken haben bummeln wir weiter, vorbei an Obstläden mit exotischen Früchten und an Luftballons mit dem Gesicht vom Weihnachtmann.
Direkt am Fluss liegt ein Restaurant, Tische und Stühle stehen nahe am Wasser und die Gerichte auf der Speisekarte machen Appetit. „Lass uns nachher hier essen gehen“ schlägt Edith vor und damit wir auch einen schönen Tisch am Ufer bekommen machen wir direkt eine Reservierung.
Auf der einen Strasse in der Nähe unseres Hotels wird inzwischen ein Markt aufgebaut. Kleidung, Schuhe und Taschen werden hier ausgepackt und zum Angebot ausgelegt. Doch viel zu sehen gibt es noch nicht und die meiste Zeit sind wir damit beschäftigt irgendwelchen hupenden Mopeds auszuweichen.
Am Abend beenden wir den Tag an unserem reservierten Tisch mit einem hervorragenden Abendessen. Es ist hier wirklich so gut wie von uns erhofft. Ein schöner Abschluss eines Urlaubstages.
Morgen heißt es früh aufstehen, denn wir werde die schwimmenden Märkte besuchen. Um 5ººh morgens aufstehen – und das in den Ferien! Aber sicher wird es sich lohnen, denn die schwimmenden Märkte sind die Hauptattraktion im Delta bei Can Tho.
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