Die Longman Höhlen in Luoyang und ein Ausflug zum Shaolin Kloster
Montag
Ich erwache durch Stimmen auf der Straße und dem Klappern von Geschirr. Neugierig stehe ich auf und schaue aus dem Fenster. Wir haben Blick auf die kleine Gasse, die hinter dem Hotel verläuft. Gott sei Dank, denn die Hauptstraße mit ihren Geschäften und Autoverkehr ist sicher sehr laut. Doch was ich hier sehe ist gewöhnungsbedürftig.
Es wird gekocht, und zwar für die Restaurants, deren Eingangstüren sich auf der Hauptstraße befinden. Da sitzen Frauen auf kleinen Holzschemeln in der schmalen Gasse, zerteilen Hühner, putzen und schneiden Gemüse. Dazwischen geht ein Hund Gassi und schnuppert an der Schüssel, was mit einem Ruf und einem Tritt quittiert wird. Etwas näher an den Hintertüren stehen Töpfe auf kleinen Campingkochern und darin köchelt die Suppe. Ein Stück weiter die Gasse hinunter drückt sich ein Mann in eine Hausnische und benutzt die Ecke als öffentliches Pissoir. Ich habe das Gefühl ich kann den Strahl an die Hauswand bis hier oben plätschern hören. „Guten Morgen“ höre ich Edith gut gelaunt. „Was gibt es denn da draußen so interessantes zu sehen?“ „Stell dir vor“ erkläre ich ihr „hier wird auf der Gasse gekocht. Bis heute Mittag riecht das gesamte Zimmer nach Hühnersuppe! Iiiiiii!“
„Ach was“ meint meine liebe Mutti in frohem Ton „wenn´s nach nicht´s Schlimmerem riecht!“ Warum sagt sie das so? Konnte man das Geplätscher vom Wasserstrahl doch hören?
Auf unserem Weg zur Bushaltestelle gehen wir in eine Bank um Bargeld von Euro in Yen zu wechseln. In die ATM-Maschinen habe ich nach der gestrigen Erfahrung das Vertrauen verloren. Da warte ich bis Shanghai und hoffe, dass dort weniger Verständigungsprobleme auf Englisch sind. Edith geht an den Schalter, zückt ihren Reisepass sowie die Euro, lächelt freundlich und fragt: „Change?“ Die Bankangestellte nimmt einen 50 Euro-Schein, betrachtet ihn von allen Seiten und verschwindet. Als sie zurück kommt strahlt sie uns an und meint : „Yes, it´s money!“ Interessiert kommen ihre Kollegen und betrachten dieses fremde Geld genauer. Der Schein wird begutachtet, angefasst und bestaunt bevor er in die Landeswährung umgewechselt wird. Was für eine exotische Transaktion. Das ist bestimmt heute Abend in allen Familien Tischgespräch. Aber Hauptsache wir haben wieder Yen, denn so einfach wie es in meinem Reiseführer steht scheint das Wechseln ja doch nicht zu sein.
Kurz darauf sitzen wir in einem Linienbus zu den Longman Caves. Das ist einfacher als Geld zu wechseln. Dank der Information vom Hotel klappt alles prima!
Die buddhistischen Höhlen bei Luoyang sind über mehrere hunderte von Jahren entstanden. Immer wieder haben Künstler aus verschiedenen Epochen die Entstehung dieses gewaltigen buddhistischen Heiligtums fortgesetzt. Auch die Wei-Dynastie, die ihren Sitz von Datong nach Luoyang verlegte, hat ihre Spuren in diese Grotten hinterlassen.
Von der Bushaltestelle sind es nur wenige Meter bis zur Kasse um die Eintrittskarten zu lösen. Doch was ist da los? Die Menschenschlagen stehen bis zur Straße! Viele der Wartenden sind Familien mit Kindern, andere kommen in Freundesgruppen oder als Paare. Was für ein Tag ist denn heute? Na klar- der 01. Oktober, der chinesische Nationalfeiertag. Kein Wunder, dass so viel Andrang herrscht. Wir haben Glück gehabt, dass die Bank heute geöffnet war.
Doch der Kartenverkauf ist gut organisiert, es geht zügig vorwärts und wir können bald den Eingang passieren.
Der Weg zu den Höhlen führt durch eine Einkaufsstraße mit Restaurants und Garküchen. Wir hatten zum Frühstück den restlichen Rosinenkuchen,da kommen diese lecker duftenden Angebote genau richtig. Wir versuchen eine Art Crêpe, gefüllt mit einer pikanten Masse. Hmmm- lecker, ausgesprochen lecker. Da muss ich mir später auf dem Rückweg gleich noch einen kaufen!
Was machen die beiden denn da? Ein Mann und eine Frau schwingen jeder einen dicken Holzhammer und schlagen auf einen Baumstumpf ein. Das muss ich mir doch aus der Nähe ansehen. Kaum zu glauben, diese schwere Arbeit dient der Herstellung von Süßigkeiten aus Erdnüssen.
Die Nüsse kommen in ein flaches, bruchsicheres Gefäß, dass auf den Holzpflock gestellt wird. Dann werden die Erdnüsse mit dem Hammer zerstampft und anschließend mit karamellisierten Zucker wieder zusammen geklebt. Diese noch warme Masse wird flach ausgerollt und nach dem Trocknen als Nuss- Nascherei verkauft. Schmeckt gut, schön knusprig!
Inzwischen haben wir das Ufer des Yihe und somit auch die Höhlen erreicht. Anders als in den Yungang-Grotten bei Datong sind die Höhlen hier nicht ebenerdig sondern verteilen sich auf unterschiedliche Höhen in der Felswand. Damit die Besucher auch die oberen Grotten besichtigen können, wurden Holztreppen an die Wand gebaut. So geht es treppauf und wieder treppab um die steinernen Buddhastatuen zu sehen. Doch nach kurzer Zeit tritt Edith in Streik.
„Ich will keine Buddhas mehr sehen, immer die schmalen Stiegen! Und die vielen Menschen, man kann ja gar nichts sehen.“ Da hat sie allerdings recht! Es hat sich hier gefüllt und auf den schmalen Holzstegen und –stiegen werden wir mehr geschoben als wir gehen können.
Und vor jeder Nische bleiben alles stehen, die Hände fliegen fast synchron in die Höhe, Handys blinken im Sonnenlicht, klick-klick-klick, jeder schießt ein Foto und dann wird weiter geschoben. Hatten wir in der Schule da nicht mal irgendein Spiel? „……….und alle Hände fliegen -HOOOOCH !“ Aber nun bin ich schon mal hier, da möchte ich mir das auch ansehen. „Dann lass mich unten warten, ich setze mich irgendwo in den Schatten.“ Ich lasse Edith also am Flussufer und mische mich alleine unter die anderen Besucher. Hoffentlich finde ich Edith in diese Menschenmenge wieder. Kann ich sie von hier oben noch sehen? Wo ist sie? Aha, entdeckt! Sie sitzt auf einem Stein unter einem weißen Sonnenschirm, ich kann ihre Schuhe erkennen.
Das Treppensteigen lohnt sich jedoch, die Grotten sind beeindruckend. In einer der Höhlen sind auf 120 steinernen Rezepte die medizinischen Kenntnisse des 6. Jahrhundert aufgezeichnet. Der Höhepunkt ist der 18 Meter hohe Große Buddha, den bekomme ich trotzt Menschenandrang auf mein Foto.
Nach dem Buddha sind noch einige kleiner Grotten zu sehen und dann führt der Weg wieder nach unten. Edith wartet bereits auf mich. „Ich habe immer dein blondes Haar aus der Menge ragen sehen,“ teilt sie mir bei unserem Treffen mit. Langsam schlendern wir über die Brücke ans andere Flussufer. „Wie war es denn?“ möchte sie wissen. „Habe ich viel versäumt?“ Nun, den Buddha schon, der ist super.
Aber eigentlich haben mir die Höhlen von Yungang besser gefallen. Die Höhlenmalereien waren besser erhalten und die Buddhastatuen genauso eindrucksvoll, auch wenn sie ein wenig kleiner waren. „Und es waren nicht so viele Menschen da“ ergänzt Edith. Daran tragen die Grotten jedoch keine Schuld sondern der Nationalfeiertag. Das wusste ich ja bereits, dass in der ersten Oktoberwoche viele Chinesen im Land auf Reisen sind.
Am anderen Flussufer führen ebenfalls steile Treppen in die Höhe zu weiteren Höhlen. „Geh du ruhig schauen, ich warte hier“ erklärt Edith auch hier. Die Höhlen bieten nichts spektakuläres, doch ich habe von hier gute Sicht auf die andere Flussseite und kann ich die Größe der gesamten Anlage überblicken. Die Felswand ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Die Treppen und Stege ziehen sich an allen Höhlen vorbei, doch erst jetzt wird mir bewusst, dass nur der kleinste Teil für das Publikum geöffnet ist. „Vorsicht“ spricht mich eine junge Frau auf englisch freundlich an. „Die Treppen sind sehr steil und nicht überall sicher.“ Mache ich einen so ungeschickten Eindruck? Doch ich bedanke mich höflich für den Hinweis und möchte weiter gehen. „Gefallen ihnen die Höhlen?“ hält sie mit der Frage das begonnene Gespräch in Gang. „Ja, sicher, sehr schön!“ ist meine Antwort bevor ich mich an den Abstieg mache. Auch meine Gesprächspartnerin steigt nach unten. Sie ist in Begleitung einer anderen Frau, die sie als ihre Schwester vorstellt. Sie selbst heißt Gina und auch ich stelle mich ihr vor. Gina spricht sehr gutes und fast akzentfreies Englisch, hat sie das auf der Schule gelernt? Erfreut über das Kompliment strahlt sie mich an „Nein, nein, mein Englisch ist gar nicht gut. Ich muss noch viel lernen.Ich studiere noch und möchte Englischlehrerin werden.“ Gina kommt aus Xian, wo sie als Volontärin an einer Schule unterrichtet. Dank des 01. Oktobers hat sie eine Woche frei und kann ihre Schwester in Luoyang besuchen. „Bist du denn ganz alleine hier?“ fragt sie mit deutlichem Mitleid in der Stimme. Doch ich kann sie beruhigen und erzähle, dass meine Mutter am Ufer auf mich wartet.
Gemeinsam mit Gina und ihrer Schwester besichtigen wir noch einige Grotten, erzählen über unsere Ziele während der Chinareise und allgemeines über Europa. Selbst als wir an der Uferpromenade wieder auf Edith treffen setzen wir unser Gespräch fort. Dazu suchen wir uns ein kleines Mäuerchen zum sitzen. Gina erzählt mir einiges aus ihrem Leben in China und hat ebenso viele Fragen über Europa wie ich über ihre Heimat. „Stimmt es, dass sehr viele Europäer zum Buddhismus wechseln?“ ist eine ihrer Fragen. Und folgerichtig ist die nächste: „Warum sind denn so viele Europäer unzufrieden mit der eigenen Religion?“ Es ist eine interessante Unterhaltung für beide Seiten. Doch nach einer Weile sind unsere Begleiterinnen ganz offensichtlich vor Langeweile genervt. Verständlich, denn unserem Gespräch können sie nicht folgen und miteinander haben sie keine Kommunikationsmöglichkeit. Daher tauschen wir unsere E-mail-Adressen und hoffen uns irgendwann einmal wieder zu sehen. „Wenn du nochmal nach China kommst, dann besuche mich in Xiang. Du bist immer willkommen!“ versichert Gina mir zum Abschied. Wer weiß –der Kontakt ist jedenfalls geblieben und wir wissen, dank Bilder und Internet, nun ein wenig mehr voneinander. Inzwischen steht Gina kurz vor ihrem Examen als Englischlehrerin und ich drücke ihr fest die Daumen.
Gina geht mit ihrer Schwester direkt zum Ausgang, während wir noch eine Weile am Ufer entlang bummeln. Es gibt für uns immer wieder etwas Neues zu sehen. So haben wir hier sogar die Möglichkeit uns als Perlenfischer zu betätigen. In einer großen Chromschale sind Muscheln, daneben steht eine Plastikschüssel mit Perlen und zwei weitere für die Muschelschalen. Ob die wirklich echt sind? Und hier einfach so in einer Schüssel auf der Straße stehen?
Es fängt schon an zu dämmern als wir mit dem Linienbus zurück fahren. Die nächste Haltestelle beim Hotel ist gegenüber der Einkaufsstraße. Und nun staunen wir nicht schlecht. Was für eine Veränderung! Wo tagsüber der Fußgängerweg ist, stehen nun Tische und kleine Hocker zum sitzen. Auf der Straße befinden sich Essbuden an denen gekocht und gegrillt wird, manche sind noch am Aufbauen, andere haben bereits mit dem Verkauf der frisch zubereiteten Speisen begonnen. „Ach, lass uns mal schauen“ sagt Edith unternehmungslustig. „Vielleicht können wir hier zu Abend essen.“ Langsam schlendern wir die Essbuden entlang und betrachten das Angebot. Viel Fleisch und viel unbekannter Fisch! Merkwürdiges und Fremdes liegt da hinter Glas und ist auf Spiesschen gesteckt. Die Anbieter, die noch am Aufbauen sind, lassen sich die Lebensmittel auf Motorrad- und Fahrradrikschas anliefern. Garnelen in großen Plastikeimern und Fleischbröckchen in Plastiktüten liegen und stehen auf den Ladeflächen der Lieferanten. Kleine Fische treiben tot in blutigem Wasser, das in der Kurve über den Rand der Schale schwappt. Wir finden eine Bude, da gibt es gegrillter Tofu. Dazu lasse ich mich überreden- aber ansonsten bin ich nicht sehr probierfreudig.
Edith ist da mutiger:„Also ich würde schon was essen, einiges sieht ja gut aus“ ist ihre Ansicht. „Aber so im stehen, dass ist doch keine richtige Esserei! Kein Wunder, dass hier alle so schlank sind!“ Und nicht nur das Essen im stehen stört uns, es wird langsam so voll wie an den Longman Caves. Die Menschen schieben und drängen durch die Straße, Spiesschen mit Fisch in der einen und ein Getränk in der anderen Hand.
„Weißt du was“ schlage ich vor „lass uns ins Hotel gehen. Da können wir sitzen und bekommen sicher auch irgendwas zu essen.“ So landen wir auch an diesem Abend in der Hotelbar des Yijia Youth Hostel und bestellen uns Pizza und Salat. Hier erkundige ich mich auch gleich, wie wir unser morgiges Ziel erreichen, das Shaolin Kloster bei Dengfeng.
„Ganz einfach“ bekomme ich an der Rezeption erklärt. „Ihr fahrt mit dem Bus Nummer 3 zum Busbahnhof und nehmt dort einen Bus zum Shaolin Kloster.“ Sicherheitshalber schreibt sie mir alle Namen und Busnummern in chinesisch auf einen Zettel. Da kann ja gar nichts schief gehen.
„Es wird sehr voll dort sein“ bekomme ich noch als Hinweis. Doch das kennen wir ja von heute, viel schlimmer kann es dort auch nicht sein.
Dienstag
Wir sind heute schon früh auf den Beinen, denn laut der jungen Dame an der Rezeption brauchen wir mit dem Bus fast 2 Stunden bis zum Shaolin-Kloster. Und wir hoffen so vor dem großen Menschenandrang dort zu sein.
Zuerst fahren wir bis zum Busbahnhof, das ist kein Problem. Doch wo bekommen wir hier die Tickets zum Shaolin-Kloster? Es gibt mehrere Gebäude, mehrere Abfahrtsstellen und alles ist in chinesisch beschriftet. Ich muss mich erst mal orientieren. Doch dazu habe ich gar keine Zeit. Ein Mann spricht uns an und er kann ein wenig Englisch: „Shaolin Kloster?“ Ich nicke vorsichtig, wer weiß wohin er uns lotsen möchte. „Kommt, hier geht der Bus! Kommt mit!“ Nein danke, ich schaue lieber selbst. Irgendwie ist der Knabe zu eifrig mit seiner Hilfsbereitschaft. Doch er lässt nicht locker und bleibt dicht an unseren Fersen. „Hier, schaut! Das ist der Bus!“ Ich schaue mir den Bus an, in dem schon einige Chinesen sitzen und offensichtlich auf die Abfahrt warten. „20 Yen kostet das Busticket!“ informiert mich unser Lotse ungefragt. Das ist der gleiche Preis wie mir im Hotel gesagt wurde, vielleicht stimmt es ja was er sagt. Warum also soll ich mich in die Warteschlange am Ticketschalter einreihen? Ich strecke meinen Kopf in den Bus und frage die anderen Passagiere: „Shaolin?“ Ein mehrfaches Nicken ist die Antwort. Der Schlepper merkt meine Skepsis und zeigt auf das Schild vorne am Busfenster. Es ist auf chinesisch und ich vergleiche Schriftzeichen für Schriftzeichen mit unserem Handzettel aus dem Hotel. Stimmt, die gleichen Zeichen. Ist ja egal mit welcher Busgesellschaft wir fahren.
Das ist es jedoch nicht, wie wir unterwegs feststellen. Wir sind mit diesem Ticket in einer chinesischen Reisegruppe gelandet. Zu unserem Glück sitzen hinter uns drei junge Mädchen die auf Englisch übersetzen, was der Herr da vorne am Mikrophon erklärt. Es ist ein volles Tagesprogramm mit dem Besuch verschiedener Tempel, dem Stupawald mit über 200 Stupas aus der Tang-bis zur Qing-Zeit und der Buddhahalle mit einem Wandgemälde aus der Ming-Zeit. Er wird uns nun all die Eintrittskarten zu jeder Sehenswürdigkeit verkaufen und das Geld kassieren, ebenso wie sein Honorar als Reiseleiter. Anschließend geht es gemeinsam mit diesem Bus wieder zurück. Toll! Genau das, was wir nicht wollen! Wir wollen in keinen Tempel und in keinen Stupawald sondern zum Shaolin-Kloster und dort die Kung-Fu- Vorstellung der Shaolin sehen. Tja, das ist leider nicht im Programm. Das Kloster wird nur ganz am Ende der Tour kurz besichtigt.
Auch gut, wir gehen ins Kloster und treffen die Gruppe bei der Abfahrt. Inzwischen stehen wir vor dem Eingang des ersten Tempels . Wo ist die Haltestelle, an der wir uns dann wieder treffen? Doch so einfach ist das nicht. „Ihr findet unseren Bus nie wieder!“ gibt der Reiseleiter zu bedenken. „Und das Kloster ist weit von hier entfernt! Viel zu weit zum laufen!“ Na und! Dann nehmen wir eben ein Taxi. „Ihr bekommt heute kein Taxi, es sind viel zu viele Menschen hier!“ Also jetzt übertreibt er aber bestimmt! Irgend ein Tuktuk oder Taxi wird sich schon finden. Doch auch die drei englischsprachigen Mädchen versuchen uns zum Bleiben zu überreden. „Wir sind doch jetzt alle eine Gruppe!“ ist ihr nett gemeintes Argument. Trotzdem, was sollen wir mit einem chinesischen Reiseleiter wenn wir die Erklärungen nicht verstehen. Schließlich können die drei Mädchen ja nicht den ganzen Tag Dolmetscher spielen. Der Reiseleiter verliert ein wenig die Geduld, offener Widerspruch ist er vermutlich nicht gewohnt. „Ich kann euch ja das Geld für die Rückfahrt ausbezahlen. Dann müsst ihr sehen wie ihr nach Hause kommt!“ So! Der denkt wohl das schaffen wir nicht!
Das war´s dann! Wir lassen uns jeder 10 Yen ausbezahlen, verabschieden uns von den drei Mädchen die uns voller Besorgnis noch ihre Handynummer geben. „Falls ihr unterwegs Hilfe braucht!“ Das ist nett, doch die Genugtuung würde ich diesem Reiseleiter nie geben!
Fünf Minuten später sind wir alleine inmitten einer chinesischen Völkerwanderung.
„Weißt du was“ schlage ich vor „wir haben noch nichts gefrühstückt. Lass uns erst mal etwas essen gehen.“ Wir gehen zu einer der vielen Garküchen und genießen zuerst in Ruhe ein leckeres Essen. So, nun sieht die Welt schon anders aus.
An der Eintrittskasse habe ich mir einen Plan besorgt und anhand dieser Karte werden wir das Kloster schon finden. Hui- das ist aber doch ganz schön weit! Wir müssen tatsächlich nach einem Taxi Ausschau halten. Doch wir haben Glück und gleich das erste Taxi hält an! Es ist zwar besetzt, doch auf meine Frage „Shaolin-Kloster?“ nicken Fahrer und das junge Pärchen im Fond gleichzeitig und so steigen wir ein ohne lange zu fragen.
Die Fahrt dauert fünf Minuten, dann stecken wir im Stau fest. „Just few meter!“ erklärt uns der Fahrer und bedeutet uns allen aus zusteigen. Das junge Paar steigt aus, daher glaube ich dem Fahrer und verlasse das Auto. Für diese kurze Strecke verlangt der Chauffeur 50 Yen, das ist absoluter Wucher. Dann macht er eine Kehre und verschwindet. Und wo ist nun das Kloster?
Es ist inzwischen Mittagszeit und es ist heiß und schwül. Vor uns erstreckt sich eine Autolawine die Stoßstange an Stoßstange nur langsam vorwärts kommt. Wir laufen, genau wie das chinesische Paar, die Straße entlang, passieren die Autos und schlucken die Abgase. Endlich, dort hinten ist die Straße zu Ende. Ich sehe eine Kreuzung und Schilder, bald wissen wir genaueres.
Und wirklich, direkt an der Kreuzung prangt ein großes Hinweisschild: Shaolin- Kloster: 8 km
Nein, ohne mich! Acht Kilometer in der prallen Mittagshitze entlang der Autostraße. Und wie kommen wir wieder zurück? Vielleicht hat der Reiseleiter doch nicht übertrieben? Es sind ja nicht nur die 8 Kilometer, wir brauchen ja auch einen Bus nach Luoyang. Und wenn all diese Menschen, die hier zu Fuß unterwegs sind, heute Abend mit dem Bus nach Hause möchten, sind diese mit Sicherheit total ausgebucht. Edith und ich besprechen uns kurz und beschließen, uns auf den Rückweg zu machen. Wir müssen nur zur nächsten Bushaltestelle. Doch wo mag die sein? In welche Richtung müssen wir überhaupt? „Lass mich mal die Leute dort im Auto fragen“ schlägt Edith vor und macht sich bereits auf den Weg zu dem Minibus. Da bin ich jetzt aber mal gespannt! Glaubt sie, sie kann inzwischen chinesisch sprechen?
Ich habe keine Ahnung wie die Verständigung geklappt hat, doch Edith winkt mich fröhlich zu dem Auto und bedeutet mir mit den Worten: „Sie fahren uns zum Busbahnhof, ist das nicht nett!“ in den Wagen einzusteigen. Es ist eine chinesische Großfamilie und keiner spricht ein Wort Englisch. Wie hat sie das nur gemacht?
Die freundliche Familie setzt uns an einem Busbahnhof ab und wir verabschieden uns mit einem höflichen und mehrfachen „Xiexie“. Doch kurz darauf stellen wir fest, dass unsere heutige Odyssee noch nicht zu Ende ist. Wir sind am falschen Busbahnhof, von hier fahren keine Busse nach Luoyang. Mit der Hilfe weiterer freundlicher Bewohner von Denfeng chartern wir ein Tuktuk, das uns bis zu dem Busbahnhof in der Innenstadt bringen soll. Doch auch dieser Fahrer versucht ein schnelles und leichtes Geld mit uns zu verdienen. Er fährt uns 100 Meter hoch zur Hauptstraße und möchte uns dort an einer Bushaltestelle am Straßenrand abladen. Nein, mein Freund- nicht mit mir! Ich steige nicht aus bis ich am Busbahnhof bin. Das dünne Männlein soll mich erst mal aus dem Tuktuk tragen! Er versucht es mit schimpfen, mit Verzweiflung und hüpft um sein Gefährt wie Rumpelstilzchen um das Lagerfeuer. Doch es hilft ihm nichts, ich bleibe sitzen. Und irgendwann gibt er nach und fährt uns bis zum Busbahnhof.
Hier bekommen wir nun endlich ein Ticket nach Luoyang! Gott sei Dank!
„Wir schauen mal ob wir diesen Schlepper in Luoyang finden“ erklärt Edith mit kriegerischer Stimme „er wusste genau, dass wir in einen anderen Bus wollten, der Schlawiner.“
Doch bei unserer Ankunft ist weit und breit kein bekanntes Gesicht zu sehen und wir steigen müde und abgekämpft in den Bus Nummer 3.
Auf dieser Fahrt zum Hotel machen wir die Bekanntschaft von Alice und ihrem Mann, die beide sehr gut englisch sprechen. „Ach ihr wart in Degfeng? Wie hat euch das Shaolin Kloster denn gefallen?“ möchte Alice wissen.
Als wir am Hotel aussteigen, verlassen auch Alice und ihr Mann den Bus. Wohnen sie hier in der Nähe? „Nein“ lacht mich Alice an „wir werden nun wieder ein Stück zurück fahren. Doch wir wollten sicher gehen, dass ihr auch gut ankommt. Nach all diesen Erlebnissen von heute!“
Wir tauschen email- Adressen und auch mit Alice bin ich heute noch, Dank Internet, in Kontakt.
Es ist schon dunkel als wir müde und hungrig im Hotel ankommen. Wir bestellen uns etwas zu essen und plaudern anschließend noch eine Weile mit anderen Bewohnern und Mitarbeitern. Wir haben bei unserem Ausflug offensichtlich noch Glück gehabt. Denn es ist bereits fast Mitternacht, als man uns von einem Kanadier erzählt, der ebenfalls heute morgen zum Shaolin- Kloster aufgebrochen ist. Und bis jetzt ist er noch nicht wieder zurück!
Gott sei Dank sind wir hier und nicht in der Wartehalle des Busbahnhofs Denfeng.
Doch nun heißt es ausschlafen! Morgen früh geht es weiter nach Shanghai, eine Stadt auf die ich schon sehr gespannt bin.
Mein vorhergehender Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-erlebnisurlaub-luoyang-die-einstige-hauptstadt-chinas-am-ufer-des-luohe/
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