Das Land des Lächelns – Besuch im Kloster der Seelenzuflucht in Hangzhou
Montag
Geweckt werde ich durch die Stimmen direkt vor meinem Fenster, anschließend knattert der Motor eines Mopeds und danach wird es wieder ruhig. Kurz darauf kommen die nächsten Passanten, die plaudernd an unserem Zimmerfenster vorbei marschieren. Wisch, wisch, wisch, geht es weiter, vermutlich ist nun der Straßenkehrer in der Gasse und wirbelt den Staub auf.
Doch zumindest während der Nacht war es ruhig und wir haben trotz des Fensters im Erdgeschoss gut geschlafen. Vielleicht waren wir einfach auch nur zu müde, um die vorbeigehenden Menschen zu hören.
Rasch sind wir geduscht und der neue Tag in Hangzhou kann beginnen.
Für heute ist ein Besuch des Klosters der Seelenflucht geplant. Unser Ziel, auf chinesisch der Lingyin- Tempel, befindet sich auf der andere Seite des Westsee. Wir beschließen einfach los zu spazieren und wenn wir müde werden suchen wir uns ein Taxi.
Frühstück wird im Hotel nicht angeboten, doch unterwegs finden wir sicher ein Lokal. Und das geschieht schneller als wir denken! Nur wenige Meter entfernt steigt uns der leckere Duft von frischen Backwaren in die Nase. Eine französische Bäckerei! Mit Hefeteilchen, Blätterteig, verschiedene Sorten Brötchen und andere Leckereien. Überraschung! Das hätte ich in Hangzhou nicht erwartet. Doch damit ist die Frage des Frühstücks geklärt!
Im Anschluss schlendern wir weiter den See entlang. Hier herrscht reger Betrieb und Aktivität. Es wird musiziert oder getanzt und Tai Chi Übungen finden in Gruppen oder Einzeln statt. Eine Dame macht elegante Tai Chi Bewegungen zu leiser Musik aus einem Kassettenrekorder, es wirkt sehr professionell.
An einer anderen Stelle übt eine ganze Gruppe, jeder kann mitmachen und ist in dem Kreis willkommen. Ein junger Mann möchte es ebenfalls versuchen und geduldig wird ihm von einem der geübten Turnern geholfen. Der Neueinsteiger braucht noch einige Zeit Training, doch er macht mit so gut er kann. Die anderen in der Gruppe führen die Bewegungen mit sehr viel Harmonie aus, es ist fast wie ein Tanz.
Wir gehen weiter, vorbei an einem Baum in dessen Schatten zwei ältere Männer sitzen und versuchen ein Instrument zu stimmen.
Inzwischen sind wir schon fast an der anderen Seite des Sees angekommen. Immer wieder säumen große Messingfiguren den Spazierweg. Sie stellen Szenen aus dem Leben des Alten China dar, so z.B. zwei Spieler, denen ein Dritter bei Ihrem Glücksspiel zusieht.
Es ist ein entspannender Spaziergang bei dem es viel zu sehen gibt. Edith ist begeistert: „Wie schön, hier sitzt keiner alleine zu Hause vor dem Computer. Schau, dort wird sogar getanzt!“ Tatsächlich, es läuft ein CD-Player mit Musik und mehrere Paare tanzen Gesellschaftstänze.
„Ach, richtig flott tanzen die hier!“ Die Begeisterung ist in Ediths Stimme zu hören. „Da bekomme ich wirklich Lust mitzumachen!“ Wenn ich nicht aufpasse, wandert Edith aus. Nur wegen dem Tanzen im Park! „Also hier könnte ich mich auch wohl fühlen!“ erklärt sie, als wir weitergehen. Na, habe ich es nicht gewusst?
Wir sind inzwischen am Deich des Bai angekommen, der nach einem Dichter der Tang Dynstie benannt ist. Dieser Deich verbindet die größte Insel des Westsees, der Berg der Einsamkeit, mit dem Festland. „Wir sollten nach einem Taxi Ausschau halten, denn bis zu dem Kloster ist es noch weit“ schlage ich Edith vor, die erleichtert nickt. Wir stehen direkt vor dem Tempel des Generals Yue Fei. Dieser General hatte viele militärische Erfolge bei der Rückeroberung von Gebieten im Norden Chinas. Doch die Berater des Kaisers neideten ihm dies und erreichten durch Intrigen seine Hinrichtung. Erst 20 Jahre später wurde er rehabilitiert und die Chinesen ehren ihn seitdem als Vorbild für Hingabe und Treue.
Wir verzichten auf eine Besichtigung, es sind einfach zu viele Tempel. Unmöglich alle zu besuchen und wir sind uns einig, dass ein Tempel oder Kloster pro Tag ausreicht.
Nach kurzer Zeit finden wir ein freies Taxi und fahren die restlichen Kilometer zu dem Kloster des Seelenfriedens hinauf.
Am dortigen Parkplatz setzt uns der Fahrer ab und weist uns den Weg in Richtung Kloster.
Auf dem Weg passieren wir die Feilaifeng Felsskulpturen. Sie bestehen aus über 400 buddhistischen Figuren, die zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert von Mönchen in den Fels gehauen wurden. Der berühmteste ist vermutlich Milefo, der Lachende Buddha der Zukunft.
Er stammt aus der Zeit der Song-Dynastie und sitzt lachend in seiner Felsnische. Mit dem Ellbogen stützt er sich auf ein Kissen während der Bauch aus dem Gewand quillt.
Wir sind nun am Eingang zu dem Kloster, passieren das Tor und stehen kurz darauf in dem Innenhof vor der Großen Halle der großen Helden.
Das Kloster wurde im Jahre 328 von dem buddhistischen Mönch Huili aus Indien gegründet.
Huili wählte als Standort den Berg herbeigeflogener Gipfel , da er der Ansicht war, dies sein ein Teil eines heiligen Gipfels seiner Heimat. Dieser soll „nach göttlichem Rat“ hierher geflogen sein. Der Hintergrund dabei ist eine Legende um den Buddha Shakyamuni. In dieser soll bei einer Predigt der Berg Ghridhrakuta durch die Lüfte angeflogen sein. Das war ja richtig Aktion! Heutzutage sind es nur Flugzeuge die sich am Himmel tummeln!
Das Kloster des Seelenfriedens erlebte im Laufe der Jahrhunderte Zerstörung und Wiederaufbau. Doch zu seiner Blütezeit im 10. Jahrhundert lebten in den damaligen 270 Hallen und Pavillons bis zu 3.000 Mönche.
Während der Kulturrevolution wurde das Kloster von der Roten Garde nicht zerstört und man nimmt an, dass dies dem damaligen Premierminister Zhou Enlai zu verdanken ist.
1971 wurde das Kloster renoviert und ist seitdem für Besucher geöffnet.
Wir beginnen unsere Besichtigung mit der Großen Halle der großen Helden, die Mahavira-Halle. Sie ist die Haupthalle und mit über 33 Metern das höchste eingeschossige Gebäude Chinas. Hier befindet sich der mit Blattgold überzogene Shakyamuni-Buddha, der größte hölzerne Buddha Chinas.
Langsam schlendern wir durch den hohen Raum, vorbei an weiteren Staturen und Relifen.
Von hier aus gehen wir hinüber in die Halle der Himmelskönige in der sich vier Wärter befinden. Sie sollen die Buddhafiguren Weituo und einen Milefo beschützen. Jeder Wärter steht für eine Himmelsrichtung. Der für den Osten zuständige Pipa-Spieler ist für den Wind verantwortlich und der Schwertträger bewacht den Süden und damit das Klima. Der Westen wird von einem Schlangenträger kontrolliert, wobei die Schlange für einen Drachen steht. Der Drache soll den Regen bringen. Böse Kräfte drohen aus dem Norden und sollen von dem Schirmträger abgewehrt werden.
Doch die beeindruckenste Halle ist die Halle der Arhats. Ein Arhat ist ein religiöser Titel für den vollendeten buddhistischen Heiligen ,der alle Schwächen und negativen Gedanken abgelegt hat. Er wird nicht mehr wieder-geboren und hat endgültig das Nirwana erreicht. Das Wort Arhat kommt aus dem Sanskrit und heißt soviel wie der Würdige.
Die Halle der Arhats ist in der Form des Swastika, das Kreuzsymbol mit abgewickelten Armen, gebaut. In der Halle selbst befinden sich 500 lebensgrosse Arhat-Staturen die alle unterschiedlich sind. Kein Gesicht gleicht dem anderen und auch in Größe und Körperformen sind sie alle verschieden. Ob diese Arhats lebenden Menschen nachempfunden wurden?
Leider ist fotografieren hier verboten, doch wenn es keiner sieht kann weder Edith noch ich widerstehen. So bekommen wir doch den einen oder anderen der heiligen Männer auf unsere Foto-Chips.
Unser Rundgang ist beendet und langsam schlendern wir wieder in Richtung Ausgang, vorbei an dem lachen Milefo bis zum Parkplatz. „Von hier ist es nicht weit bis zum Gao-Gipfel“ erkläre ich Edith. „Da fährt eine Kabelbahn hoch!“ setze ich noch schnell hinterher, als ich ihren erschrockenen Blick sehe. Es gibt zwar auch eine Steintreppe, aber das muss nicht unbedingt sein. Kurz darauf haben wir die Bahnstation gefunden und stellen uns in der Reihe anderer Besucher an.
Nach wenigen Minuten trägt uns eine der Gondeln hinauf und unter uns erstrecken sich die Teeplantagen . Am Ziel müssen wir noch einige Stufen bewältigen um den Gipfel zu erreichen. Die Aussicht ist wie im Reiseführer versprochen sehr gut, allerdings ist auch hier die Luft nicht klar. Hangzhou ist leider nur verschwommen im Dunst zu erkennen. Abgesehen von dem verhangenen Fernblick haben wir die Möglichkeit einen weiteren Tempel zu besichtigen.
„Fahren wir wieder runter?“ regt Edith an. Sie hat Recht, denn wirklich viel zu sehen gibt es bei dem diesigen Wetter nicht. So langsam habe ich das Gefühl, klarer Himmel gibt es in China fast nie.
Bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz stellt sich uns jedoch ein neues Problem. Wo oder wie bekommen wir ein Taxi? Irgendwo muss doch ein Taxistand sein. Doch nein, es gibt kein Taxi weit und breit. Andere Passanten die wir fragen schütteln bei dem Wort Taxi nur mit dem Kopf. Und nun? Laufen möchte ich die weite Strecke nicht unbedingt. „Take bus!“ erklärt uns ein Mann und zeigt auf ein Gelände ca. 100 Meter weiter. Tatsächlich- eine Bushaltestelle! Aber welcher ist der Richtige? Neben den Nummern stehen dort nur chinesische Schriftzeichen. Ob jemand englisch spricht? „To Center?“ versuche ich es auf gut Glück und sprechen damit die wartende Menschenschlange an. Mitleidige Blicke und Kopfschütteln ist die Antwort. Doch ein junger Mann spricht etwas Englisch. „To centel have to change bus“ erklärt er uns freundlich. Wo denn? „Go down, Tempel Yue Fei!“ Ahh! Das ist doch der gemobbte General! Da fahren wir mit, dann sind wir zumindest wieder unten am Westsee! Von dort kommen wir schon weiter. Die Fahrkarte können wir beim einsteigen lösen, sie kostet umgerechnet ca. 20 Cent.
Die Fahrt geht los, wir steigen an der richtigen Haltestelle aus und stehen 20 Minuten später am Sudi-Deich. Na also, es klappt doch alles!
Inzwischen ist es vier Uhr nachmittags und allmählich werden wir hungrig und müde. „Schau mal auf den Stadtplan“ sage ich zu Edith und halte ihr gleichzeitig meinen Reiseführer hin. „Wenn wir hier über den Deich gehen, sind wir ganz rasch auf der anderen Seite des Sees.“ Edith schaut gar nicht in das Buch, sondern blickt über den See zur anderen Uferseite. „Also -das ist aber ganz schön weit.“ Ach was, das schaffen wir! So ein schöner und ebener Spazierweg! Das ist nicht weit, das ist nur eine optische Täuschung.
Ein kleiner Irrtum! Es ist keine optische Täuschung und Edith behält recht!
Es ist ein sehr schöner Weg, idyllisch und erholsam. Angler sitzen am Ufer oder Besucher betrachten von einer Bank aus einfach nur das Wasser. Bogenbrücken verbinden einzelne Teile des Deiches und machen den Weg sehr reizvoll. Im Licht des Nachmittags spiegeln sich Boote im Wasser und im Hintergrund ist die Skyline von Hangzhou zu sehen.
Doch der Deich zieht sich! Die Füße werden schwerer und schwerer und die Strecke scheint kein Ende nehmen zu wollen. Einige Besucher Hangzhous haben es sich weniger anstrengend gemacht. Sie sind mit einem der kleinen Fahrzeuge unterwegs, eine Mischung aus Minibus und Golfcart. Sie passieren uns in regelmäßigen Abständen und anstatt einer Hupe spiet bei ihrem Herannahen eine Melodie. „Tüteltüteltüt“ summt es alle zehn bis fünfzehn Minuten wenn eines dieser Elektroautos in Hörweite ist.
Der Sudi-Deich führt direkt zum Park der Blumenbucht, die ich gerne besuchen wollte. Doch es dunkelt bereits und wir sind seit ca. 10 Stunden unterwegs. Daher verzichten wir auf diesen Teil des Westsees, winken nach einem Taxi und fahren auf direktem Weg in unser Hotel.
Im Hotel gehen wir kurz auf unser Zimmer und nach einer kleinen Ruhepause entscheiden wir uns für das gleiche Restaurant wie gestern. Es ist nur einige Schritte entfernt und auf der Terrasse ist es angenehm und erholsam.
Auch heute sind wir mit unserer Wahl zufrieden. Bei unserer Ankunft ist „happy hour“ , ein sehr guter Einstieg nach einem schönen aber anstrengenden Tag. Das Essen ist wiederum sehr gut und wir plaudern bei einem abschließendem Glas Wein über die bisherigen Urlaubserlebnisse. Die Hälfte unserer Zeit in China ist bereits vorbei und die Tage vergingen wie im Fluge. „Eine tolle Reise“ erklärt Edith. „Alles unsere Reisen waren schön, doch China ist wirklich etwas besonderes!“
Morgen reisen wir weiter nach Guilin mit seinem berühmten Karstgebirge und der außergewöhnlichen Landschaft des Li-Flusses. Wir sind beide freudig-gespannt, was uns dort an neuen Eindrücken erwartet.
Mein vorhergehender Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-das-reich-der-mitte-hangzhou-die-provinzhauptstadt-von-zhejiang/
[…] Mein vorhergehender Reisebericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-das-land-des-laechelns-besuch-im-kloster-der-seelenzuflucht-… […]
Sehr geehrte Frau Hoppe,
Ihre Berichte über die Reisen in China lese ich mit großem Interesse. Sie sind wirklich informativ und anregend! Ich habe darüber hinaus noch ein paar Fragen zum besseren Verständnis und würde mich sehr freuen, wenn Sie sie kurz beantworten könnten!
Handeln die Berichte alle von derselben Reise oder haben Sie mehrere unternommen? Wie lange waren Sie insgesamt in China unterwegs? Sind Sie mit Ihrer Mutter allein gereist oder haben Sie sich Gruppen angeschlossen? War dies für einige Ausflüge vielleicht sogar erforderlich? Haben Sie Kenntnisse der chinesischen Sprache oder kommunizierten Sie auf Englisch? Gab es ein besonderes Interesse speziell an China oder sehen Sie China eher als ein „typisches“ Fernreise-Ziel?
Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen zu lesen!
Mit freundlichen Grüßen,
die China-begeisterte Lisa Fleu
Liebe Frau Fleu
danke für Ihre nette Zuschrift 🙂 .
Es freut mich sehr, dass Ihnen meine Berichte gefallen und gerne beantworte ich Ihre Fragen.
Es handelt sich um eine Reise von 4 Wochen und ich bin alleine mit meiner Mutter gereist.Es war in China nirgendwo notwendig sich einer Gruppe anzuschließen. Sprachlich ist es hin und wieder ein wenig schwierig gewesen, doch mit Englisch kommt man klar.
China war eines meiner Wunsch-Reiseziele und ist ein unvergessliches Erlebnis. Eine wirklich tolles Reiseziel, dass ich sehr empfehlen kann.
Mit freundlichen Grüssen
Elke Hoppe