China Erlebnisreise – Yangshou und seine Umgebung inmitten des Kalksteingebirge
Donnerstag
Wohlig strecke ich mich noch mal in meinem Bett aus. Herrlich, ein ganzer Tag ohne Pläne. Wir werden einfach nur durch den Ort bummeln und die umliegende Landschaft genießen. Nach über 2 Wochen Rundreise ein sehr entspannendes Gefühl.
Doch zuerst gehen wir frühstücken, so ganz in Ruhe und ohne auf die Uhr zu sehen. Wir setzen uns genau wie gestern Abend an das Fenster und lesen die Karte durch. Toast mit Spiegelei, Joghurt mit frischen Früchten und Toast mit Marmelade. „Ich glaube, ich nehme die Spiegeleier“ entscheidet Edith, während ich mich für den Joghurt und den Marmeladentoast entscheide.
„Die Eier sind von den Hühner vom Nachbarn“ erklärt uns das Mädchen, als sie das Frühstück an den Tisch bringt. Ohh, so ein richtig frisches Hühnerei aus einem normalen Stall? Hört sich gut an. „Schmeckt auch gut“ bestätigt Edith. „Richtig frisch!“ Wir bestellen noch einen zweiten Tee und eine weitere Scheibe Toast. Geduld ist hier gefragt, die schnellsten sind die Mädchen nicht.
Das Teewasser wird gekocht, die Tasse nochmals ausgewischt. In einem anderen Schrank sucht die junge Frau nach dem Teebeutel. Nachdem sie ihn findet entscheidet sie, doch zuerst in die drei Stockwerk tiefer liegende Küche zu gehen um den Toast zu bestellen. Sie klappert mit hohen Absätzen die Treppen hinunter und wieder hinauf. Bei ihrer Rückkehr ist das Teewasser schon wieder ein wenig abgekühlt, also macht sie es nochmals warm. Dann kann der Tee aufgebrüht werden. Nun schallt ein Ruf aus der Küche nach oben und nachdem sie den Tee gebracht hat, klappern ihre Absätze von neuem das Treppenhaus hinab und wieder hinauf. Es ist unser Toast für den sie zwei mal in Erdgeschoss gegangen ist. Kein Wunder, dass sie schlank bleibt.
Doch jetzt möchten wir los und uns die nähere Umgebung des Hotels ansehen. Die junge Dame an der Rezeption hat uns bereits einige Ziele genannt und eine Wanderkarte gegeben. Wir möchten als erstes zu dem berühmten Banyan- Baum gehen. Es ist zu Fuß etwa einen knappen Kilometer entfernt und gespannt machen wir uns auf den Weg. Das Hotel hat uns noch jeden mit einer Flasche Wasser versorgt, ein netter und freundlicher Service.
Der Weg zum Baum führt uns vorbei an blühenden Sträuchern, einem kleinen Markt und da sehen wir schon auf der anderen Straßenseite den Eingang zu dem Park.
Dieser Banyan-Baum soll bereits in der Jin Dynastie gepflanzt worden sein und hat damit ein Alter von 1.400 Jahren. Er ist heute 17 Meter hoch, hat einen Stammdurchmesser von über 7 Metern und bedeckt eine Fläche von 1.000 Quadratmetern.
Laut einer Legende liebte eine bekannte Sängerin der Tang Dynastie einen jungen Mann namens A Niu. Doch sie wusste nicht, wie sie ihm ihre Liebe gestehen soll. Eines Tages verabredete sie sich mit ihm unter dem Banyan- Baum und als sie dort saßen, erzählte sie dem Baum von ihrer Liebe. So erfuhr A Niu von Ihren Gefühlen und der Baum trägt seitdem den Beinamen „Liebesbaum“.
Der Banyan- Baum wird jährlich von etwa 8.000 Touristen besucht und entsprechend ist hier in diesem Park das Souvenir-Angebot. Strohhüte und Ansichtskarten, ein Fotoshooting in chinesischen traditionellen Festtags- Kleidern, Sonnenschirme und andere Dinge die eigentlich keiner braucht. Imbissstände werden für die Mittagszeit aufgebaut und alte, gebeugt gehende Frauen bieten Süßigkeiten aus einem Bauchladen an. Und natürlich eine Flussfahrt auf einem Bambusfloss- doch die hatten wir ja schon gestern!
Daher machen wir uns nach der Besichtigung des Baumes auf zu weiteren Zielen. Wir lassen uns einfach treiben, gehen die Straße entlang und warten ab was noch kommt. Nicht weit von hier soll der Mondberg sein und ich halte mit einem Auge Ausschau auf ein Hinweisschild. Der 380 Meter hohe Mondberg hat seinen Namen durch eine runde Höhle in seinem Gipfel und soll eine fantastische Aussicht bieten. Eine gute ausgebaute Treppe führt mit 800 Stufen hinauf .
Doch bevor wir etwas von diesem bekannten Berg sehen, weckt ein buntes Schild unsere Aufmerksamkeit. Die Drachenhöhle liegt auf der linken Seite der Straße und wirbt um Besucher. Eine Höhle? Da es inzwischen sehr heiß ist und hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, ist das vielleicht angenehmer als 800 Stufen auf einen Berg zu steigen. „Lass uns mal schauen was es dort zu sehen gibt“ schlage ich Edith vor.
Die Plakate sind alle auf chinesisch beschriftet, doch die Bilder sehen sehr aufregend aus. Eine Tropfsteinhöhle mit einem See, der mit einem Ruderboot überquert wird. Schon wieder eine Bootsfahrt! Immer diese wackligen Paddelboote- mein Sturz mit rudernden Armen aus einem Boot in Nepal ist mir noch deutlich in Erinnerung. Ob man die Höhle auch ohne Überquerung des Sees besichtigen kann? Doch es ist nirgendwo eine Information zu bekommen, daher kaufen wir uns zwei Tickets und beschließen es einfach auszuprobieren.
„Wo ist denn nun der Eingang?“ frage ich Edith ein wenig ratlos. Sie zuckt nur mit den Schultern und langsam gehen wir an dem Gebäude mit den viele Bildern vorbei. Über einem verglasten Raum hängt ein großes Schild : Guide! „Brauchen wir einen Führer?“ frage ich Edith, als ich die vielen Blicke der darin wartenden Männer und Frauen in gleichfarbigen Hemden sehe.
„Ach nein“ entscheidet Edith „ich glaube nicht!“
Doch so einfach geht das nicht! Ein junges Mädchen kommt hinter uns her und bietet sich als Führerin an. „Nein danke!“ lehnen wir freundlich ab. „You need guide!“ informiert sie uns und bleibt dicht an unseren Fersen. „Nein, nein! Danke, aber wir möchten keinen Führer!“ versuche ich sie abzuschütteln. „Is incluided! You need guide!“ erklärt sie uns mit einem leicht verständnislosen Unterton. Warum brauchen wir unbedingt einen Führer? Ist das ein Trick?
Ihr Englisch ist leider nicht besonders gut, doch soweit ich sie verstehe ist die Führung in den Eintrittspreis eingeschlossen. Ohne Führer sei es nicht erlaubt durch die Höhle zu gehen, da viele Wege dunkel und feucht sind. Sie hat jedoch eine Taschenlampe und kann uns auf die Stufen und andere Stolperfallen aufmerksam machen. Hmmm- na ja! Dann soll sie eben mitkommen, vielleicht bewahrt sie mich ja davor aus dem Ruderboot zu stürzen. Sie stellt sich als Mei-Lin vor und fragt nach unseren Namen. „Edith und Elke“ gebe ich höflich zur Antwort. „Oh my God!“ ruft Mei-Lin aus und kichert fröhlich vor sich hin als wir zum Eingang spazieren. Wie lange macht sie die Arbeit hier schon? Sie erklärt uns, dass sie nun schon einen Monat hier ist. Man hat sie für uns als Führerin gewählt, da sie als einzige Englisch spricht und wir sind die ersten Ausländer mit denen sie durch die Höhle geht. „Oh my God!“ beschließt sie ihre Ausführungen. Wie alt wir denn sind, möchte die ca. 19 jährige wissen. „Oh my God! Oh my God!“ quittiert sie unsere Auskunft. Und dies ist wohl das, was sie auf englisch wirklich gut und richtig sagen kann. „Oh my God!“ begleitet uns auf unserem gesamten Rundgang. Beim Einsteigen in das Ruderboot : „Oh my God!“ oder an glitschigen Stufen: „Oh my God! Oh my God!“ und in dunklen Kurven: „Oh my God!“ Die Höhle selbst ist sehr schön, wenn auch ein wenig zu bunt. In rot, lila, hellblau, gelb und grün spiegeln sich die Stalaktiten im See wieder.
Es ist eine sehr feuchte Höhle, es tropft an allen Ecken und der Boden ist sehr nass. „Oh my God! Hier ist ein Glücksstein, wenn ihr den anfasst bringt euch das Glück!“ macht uns Mei- Lin aufmerksam. Nun, Glück kann man ja immer brauchen, also berühre erst ich und anschließend Edith diesen sehr nassen Talisman. Erst als Edith zurück tritt, entdecke ich den Warnhinweis in Form eines Blitzes in einem runden Kreis,durch den quer ein Strich geht. Irgendwas steht da auf chinesisch geschrieben und als ich die Stromkabel entlang des Felsen sehe, kann ich mir vorstellen was die Schriftzeichen bedeuten. Nun ist es an mir zu sagen: „Oh my God!!!“
Aber Mei –Lin hat Recht behalten! Der Stein wirkt, wir haben bereits Glück. Es hat uns kein Stromschlag getroffen!
An einer besonders bunt beleuchteten Stelle stehen Fotografen und warten auf Kundschaft. Edith und ich werden in einen steinernen Sessel platziert und mit kitschig bunten Stalaktiten im Hintergrund abgelichtet. „Oh my God! Oh my God!“ ruft Mei Lin begeistert. „Vely nice!!“
Dann sind wir durch die Höhle hindurch, die am anderen Ende in einen Souvenirshop mündet. Mei Lin verabschiedet sich von uns und als wir ihr ein kleines Trinkgeld geben strahlt sie uns an und meint zum Abschied: „Oh my God! Thank you!“
Draußenvor der Höhle wird an einem Stand selbst eingelegter Chilli in allen Variationen angeboten. Mit Knoblauch oder Paprika, mit Zwiebel oder bunt gemischt und der Duft nach dem scharfen Gewürz hängt überall in der Luft.
Ich bin erstaunt, als ich auf die Uhr sehe. Es ist bereit 15ººh- wir waren länger in der Höhle als ich dachte. „Ich würde gerne auch noch den Ort Yangshou besuchen“ erkläre ich Edith und so beschließen wir langsam wieder zurück zum Hotel zu spazieren. Dort können wir uns ein wenig frisch machen und danach mit einem Taxi in den 7 km entfernten Ort fahren.
Langsam bummeln wir die Landstraße entlang als wir an ein Garten-Lokal kommen. Zur Straße hin befindet sich ein Tresen und in dem schattigen Garten stehen Tische und Bänke. Angeboten wird neben Essen verschiedene Obstsäfte, ganz oben an Passionsfrucht in allen Varianten. „Lass uns hier eine Pause machen und ein Glas Passinons-Fruchtsaft trinken“ schlage ich vor und Edith ist sofort damit einverstanden. Während der Saft frisch zubereitet wird sehe ich mich um. Die schattenspendenden Ranken tragen Passionsfrüchte und auch auf dem Feld hinter dem Lokal wird diese Frucht gezogen.
Zwei Tische weiter sitzt eine chinesische Familie und scheint ebenfalls auf ihre Bestellung zu warten.
Während wir eine Weile später genussvoll unseren Saft trinken, bekommt die Familie das Essen. Zubereitet wurde es in einem ca. 20 Meter entfernten Wohnhaus, vermutlich das Zuhause des Wirtes. Auf diesen 20 Metern Entfernung wird Gemüse angebaut und wir vermuten ,das daraus auch die angebotenen Gerichte hergestellt werden. Es sieht gut aus und riecht sehr lecker, schade, dass ich keinen Hunger habe.
Doch der Hauptumsatz ist hier die Passionsfrucht. Die Ranken hängen voll von diesen exotischen Früchten. Ursprünglich stammt die Passionsfrucht aus Südamerika, wird jedoch heute in vielen tropischen Gegenden angebaut. Sie hat einen besonders hohen Vitamin C Gehalt, wirkt entzündungshemmend und senkt den Blutdruck.
Wir haben bereits bezahlt und sind bereit zu gehen, als wir noch einmal einen Blick auf die Karte werfen. Passionsfrucht zum essen, zum trinken, als Marmelade und als Passionsfrucht-Wein wird dort angeboten. „Passionsfrucht-Wein?“ fragt Edith noch einmal nach und zeigt auf die Karte. Die junge Frau hinter dem Tresen nickt und deutet auf Marmeladengläser mit einer gelblichen Flüssigkeit. Auf der Karte wird das auch pro Glas angeboten und wir entscheiden uns, davon zu versuchen. Sicherlich ist es ein leichter Obstwein, mehr Saft als Wein.
Die Wirtin stellt zwei Tassen vor uns und kommt mit einer Flasche an den Tisch. „Na, die soll mal nicht so sparsam sein!“ meint Edith auf deutsch, als sie den verbleibenden Rest in der Flasche sieht. Nun bin ich ja mal gespannt! „Zum Wohl! “ erklären wir im Chor und heben die Tassen an. Vorsichtig nippe ich an dem unbekannten Getränk, während Edith mutig gleich einen großen Schluck macht. Hhhhuuuu!!!! Das ist aber……………hhhhuuu!!! Auch Edith schnappt einen Moment nach Luft. „Das ist gar kein Wein!“ ruft sie kurz darauf überrascht aus. „Das ist Schnaps!“ Pfffftttt! Stimmt! Oder vergleichbar mit dem Reiswein, dem Sake! Mit dem großen Unterschied, dass Passionsfrucht definitiv besser schmeckt als Reis. Noch einmal probieren: ja, es schmeckt! Langsam und mit Genuss nippen wir die Tasse leer und machen uns danach ausgesprochen fröhlich auf den Weg. Was für ein nettes Lokal! Und dieser hübsche Garten. Inzwischen sieht es noch viel schöner aus als vorher!
Eine halbe Stunde später haben wir unser Hotel erreicht, wo wir uns ein wenig frisch machen und anschließend ausruhen.
Doch bereits eine Stunde später packt uns von neuem der Tatendrang. „Wir wollten doch noch in den Ort fahren“ erinnere ich Edith. Es fängt zwar bereits an zu dämmern, trotzdem machen wir uns auf den Weg. An der Hauptstraße winken wir einem vorbeifahrenden Tuktuk und lassen uns in das Zentrum von Yangshou bringen.
Hier erkunden wir die beiden parallel verlaufenden Straßen Diecui Jie und Xi Jie mit ihren Restaurant, Bars und Geschäften. Yangshou ist sehr touristisch und der Ort hat sich auf die Wünsche seiner Besucher eingestellt. Neben chinesischer Küche wird Pizza angeboten, Bäckereien, Pubs und Bars für das Nachtleben und ich entdecke sogar ein Schild für „Hofbräu München“. Trotzdem hat der Ort etwas relaxtes- kleinstädtisches und es tut mir ein wenig Leid, dass wir so weit außerhalb wohnen. Am Ufer des Li-Flusses ist ein Markt mit Kleidung, Tüchern, chinesischer Aquarell-Bilder und was sonst das Herz eines Reisenden eventuell begehrt.
Rund um den Busbahnhof stehen Frauen mit Strohhüten und bieten Passionsfrüchte an, doch unser Vitaminbedarf ist für heute gedeckt.
So einladend wie diese kleine Stadt mit ihrer Fußgängerzone und den Restaurants auch ist, wir entscheiden uns trotzdem dafür zum Hotel zu gehen. Wir werde dort essen, denn wir müssen schon wieder unsere Koffer packen. Morgen früh geht es zurück nach Guilin, wo wir eine weitere Nacht verbringen werden. Schade! In Yangshou hätte ich es gut noch mindestens einen Tag aushalten können, doch der Urlaub ist leider begrenzt. Und wir haben ja noch 2 andere Ziele vor uns : die Reisterrassen von Longsheng und zum Abschluss unserer Rundreise die Metropole Hongkong.
Daher fahren wir zurück und genießen an unserem letzten Abend nochmals die Küche und die Gastfreundschaft des Hotels Camellia Resort. Als Ausklang des Abends können wir vom Fenster das Feuerwerk der täglichen Vorstellung „Impression Sanjie Liu“ sehen. Diese Attraktion findet auf einer Freilichtbühne am Li-Fluss statt und die beleuchteten Kalksteinhügel bilden die Kulisse. Der „Macher“ im Hintergrund ist der chinesische Regisseur Zhang Yimou, der auch für die Choreografie der Eröffnungsshow bei den olympischen Spielen verantwortlich war.
Als Darsteller agieren professionelle Schauspieler gemeinsam mit Bewohnern der Region.
Wir haben es leider nicht geschafft diese sicher sehenswerte Darstellung zu besuchen. Aber , wer weiß, vielleicht komme ich ja noch ein zweites mal nach Yangshou!
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