Guilin, eines der beliebtesten Urlaubsziele in der Volksrepublik
Dienstag
Schon wieder ist es soweit! Wir verabschieden uns von Huangzhou und stehen am Flughafen um unser Gepäck nach Guilin ein zu checken. Alles geht glatt und wir haben keine Probleme bei der Sicherheitskontrolle. Wir sind inzwischen ja auch schon geübt – keine Feuerzeuge und keine Whiskyflaschen im Koffer!
Der Flug dauert zwei Stunden und bereits 30 Minuten vor der Landung drücke ich mir an der kleinen Fensterscheibe die Nase platt. Wo sind die ersten Karstberge? Laut meinem Reiseführer haben wir im Anflug einen unvergesslichen Blick darauf.
Der Blick wird mir tatsächlich unvergesslich bleiben! Ein Kraftwerk ist zu sehen und aus den hohen Schornsteinen werden dunkle Wolken in die Luft geblasen. Von Landschaft oder Karstgebirge ist nichts zu sehen! Nur Dunst und Nebel! Und so bleibt es auch, selbst im Landeanflug ist die Umgebung nur verschwommen zu erkennen. Das hatte ich mir aber anders vorgestellt!
„Guck mal!“ stupse ich Edith an. „Alles grau! Alles voller Smog! Gar nicht wie auf den Bildern!“
Edith enthält sich jeden Kommentars. Vermutlich ist sie der Ansicht, es reicht wenn ich herumnörgle.
Während der Taxifahrt in das Zentrum von Guilin schaue ich immer wieder ungläubig nach oben. Keine Änderung – kein Stückchen blauer Himmel!
Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir an unserem Hotel. Ich habe mich bei der Buchung für das Homeland Riverview entschieden, da es sehr zentral und direkt am Lijang-Fluss liegt.
In unserem Zimmer ankommen schaue ich als erstes aus dem Fenster. Wie sieht es aus mit dem gebuchten Blick auf den Fluss ? Ja, der Fluss ist da! Gut versteckt hinter den Baumkronen. Aber da kann man wohl nichts machen- Bäume wachsen eben und wegen dem Flussblick kann keiner den wunderschönen und schattenspendenden Bäumen die Kronen absägen. Aber so ist es auch schön, wir haben eben Blick ins Grüne.
Während Edith sich umzieht lese ich ein wenig in meinem Reiseführer über die Stadt Guilin. Gegründet wurde Guilin während der Quin Dynastie 214 v.Chr. Wirtschaftlichen Aufschwung erlebte Guilin durch den Bau des Ling-Kanals. Diese künstliche Wasserstraße verknüpft den Yangtze mit dem südlich gelegenen Perlfluss.
Während des 2. Weltkrieges strömten mehr als 300.000 Chinesen auf der Flucht vor den Japanern nach Guilin. Heute hat die Stadt eine Einwohnerzahl von ca. 5 Millionen.
Doch nicht nur geschichtliches finde ich in meinem schlauen Buch. Dieses Kapitel habe ich zwar bei meiner Planung mit Textmarker angestrichen, doch offensichtlich irgendwie verdrängt: Monsunwetter mit tiefhängenden Wolken und tagelangen Regenschauern ist im subtropischen Guilin keine Seltenheit. Also vielleicht doch kein Smog? Tagelange Regenschauer? Die machen mir ja Mut! Denn insgesamt werden wir uns sechs Tage in diesem Gebiet aufhalten. Da kann ich ja nur hoffen!
Doch nun möchten wir den Nachmittag nutzen und uns einiges in Guilin ansehen, denn für die Stadt selbst haben wir nur zwei Nachmittage. Für heute werden wir ein wenig am Fluss entlang schlendern und vielleicht auf einen der Karstberge steigen.
„Fertig?“ möchte Edith wissen. „Können wir gehen?“ Klar! Schnell klappe ich das Buch zu, packe meinen Fotoapparat ein und wir machen uns auf den Weg.
Vor dem Hotel überqueren wir die Autostraße und damit haben wir unser erstes Abenteuer bereits bestanden. In anderen asiatischen Länder, wie zum Beispiel in Indien, wird gehupt, so weiß der Fußgänger er muss nun schneller laufen. In China scheint es dieses Frühwarnsystem nicht zu geben. Hier muss jeder selbst aufpassen, wie er durch die Lücken im fließenden Verkehr auf die andere Seite kommt. Lediglich die Fahrradfahrer, die klingeln hin und wieder. Sie sind natürlich nicht so gut geschützt wie der Autofahrer, daher machen sie auf sich aufmerksam.
Am rettenden Ufer angekommen halten wir uns nach links in Richtung Fubo-Berg. Das Wasser des Lijang Flusses macht keinen sauberen Eindruck. Die ersten Meter nach dem Ufer sind mit grünen Algen bedeckt, das Wasser ist trüb und hin und wieder treibt eine Plastiktüte vorbei.
„Schau mal!! Was machen die denn da?“ macht mich Edith aufmerksam. Tatsächlich, da scheinen Taucher zu sein. Nach was mögen die wohl suchen? Meine Güte, das sieht aus als seien sie am fischen! Tatsächlich, da taucht jemand mit Schnorchel, Taucherbrille und Harpune aus dem grünen Modder auf. Ach du liebe Zeit! In das Wasser würden mich keine zehr Pferde bekommen. Doch er ist nicht der einzige! Er hat einen Gehilfen und abwechselnd tauchen sie mit der Harpune ab. Wie mag der Fisch wohl schmecken?
Doch nicht nur mit der Harpune werden die Fische gefangen. Angler stehen am Ufer und haben die Leinen ausgeworfen. Mitten drin eine Frau- das ist ja eigentlich nichts ungewöhnliches. Warum soll eine Frau nicht angeln? Doch sie sieht aus, als sei sie direkt aus dem Büro an das Flussufer spaziert. Shorts, Handtasche und Schuhe mit hohen Absätzen. Ob sie immer mit einer Angelrute in der Tasche unterwegs ist?
Einer der Fischer baut sich ein Floss! Dazu benutzt er einen alten Autoreifen, legt einige Bretter quer und setzt sich in die Mitte. Gepaddelt wird mit einem langen Stock, ich vermute er stößt sich dabei am Grund ab. Alle Achtung, der Mann hat Balance!
Es handelt sich hier sicherlich nicht um Sportfischer, die einen ruhigen Zeitvertreib suchen. Hier wird bestimmt das Abendessen eingeholt! Scheint, als sei nicht jeder vom chinesischen Wirtschaftswachstum betroffen.
Inzwischen haben wir den Fubo-Berg erreicht. Sollen wir überhaupt noch in den Park gehen? Es ist inzwischen nach 15ººh, wer weiß ob sich das noch lohnt. Ich frage an der Kasse nach und finde sogar jemand, der recht gut englisch spricht. „Yes, of course! You have enough time!“
Wir erfahren hier, dass wir am besten ein Ticket für den Fubo-Berg und gleichzeitig den Berg der Bunten Schichten, Diecai Shan, lösen. Und die Zeit reicht? Es ist bereits halb vier! „Yes, yes!“ wird mir beteuert. Also wenn das stimmt, gibt es dort nicht allzu viel zu sehen! Egal, wir lösen zwei Eintrittskarten und beginnen mit dem Fubo-Berg. Hier besichtigen wir zuerst die Höhle der zurückgewonnenen Perle am Fuss des Berges. Die einzigen Perlen in dieser Höhle sehe ich auf den Tischen der Souvenirhändler im Inneren des Gewölbes. Doch laut Legende soll in dieser Höhle ein Drache gehaust haben, dem eine Perle Licht spendete. Ein Fischer raubte ihm eines Tages dieses Juwel, brachte es jedoch wenige Tage später reuemütig zurück.
Am Ende der Höhle führt ein Durchgang zu einem Steg, von dem aus wir auf den Lijang-Fluss schauen können. Der Fluss ist hier tiefer und bildet eine Art Becken in dem das Wasser klar und sauber wirkt. Viele Chinesen nutzen diese Stelle um zu schwimmen, obwohl ein großes Schild mit einem rot durchgestrichenen Schwimmer dies untersagt.
Ein Stück weiter steht ein riesiger Kochtopf aus einer ehemaligen Tempelanlage. Damit wurden früher mehr als tausend Menschen verköstigt . Wer hat da freiwillig den Kochlöffel geschwungen?
Steile Steinstufen führen hinauf zu dem Gipfel des Berges. „Möchtest du da hoch?“ fragt Edith. „Also ich nicht, ich warte hier unten auf dich“ fügt sie abschließend hinzu. Möchte ich da hinauf? All die vielen Treppen? Bei dem Wetter? Da sehe ich vermutlich genauso viel wie gestern von dem Aussichtspunkt in Hangzhou- nämlich nichts! Überhaupt, die gesamte Stadt liegt im Nebel. Man kann ja kaum bis zum anderen Ufer schauen. Na, das werden ja tolle Tage! Und die morgige Schiffsfahrt, da werden wir auch nicht viel von haben! „Nun meckere nicht rum!“ versucht Edith meine Laune zu heben „vielleicht scheint ja morgen die Sonne!“ Glaubt sie das wirklich? Also ich nicht! Die letzte Sonne habe ich in Datong gesehen. Ansonsten ist der Himmel hier immer grau. Das geht einem ja wirklich auf´s Gemüt! Da helfen auch die schönen Blumenanlagen am Eingang nicht. Und die künstlichen Sonnenblumen, die über die Mauer blicken, erst recht nicht.
„Komm“ schlage ich Edith vor „lass uns mal in den anderen Park gehen.“ Wir spazieren vorbei an Wohnhäusern, Geschäften und Autowerkstätten bis der Gipfel des Diecai Shan vor uns auftaucht. Ganz oben an der Spitze kann ich einen kleinen Pavillon im Nebel erkennen. Am Eingang zeigen wir unsere Eintrittskarten und gelangen unter einer Pergola bis in den Garten.
Steintreppen führen nach oben und ein großes Schild verkündet die Attraktion des Gartens: Jurassic Park! Das macht mich natürlich neugierig! Ein Treppenabsatz weiter ist das Rätsel gelöst. Es handelt sich um ein 3-D Kino in dem Filme mit Hollywoodmonster á la Jurrasic Park gezeigt werden. Also das sparen wir uns wirklich! Statt dessen schlendern wir durch eine weitere Höhle bis zu der Terrasse auf der nächsten Ebene. Sollen wir noch weiter hinauf? „Also ich nicht“ erklärt mir Edith. „Die Stufen sind alle steil und hoch, dass muss ich nicht haben!“ Also jetzt sind wir schon fast bei der Hälfte bis zum höchsten Aussichtspunkt, da kann ich auch ganz nach oben gehen. Die höchste Erhebung ist der Mingyue-Feng mit 223 Metern und vielleicht ist die Sicht ja doch nicht so schlecht.
Ich überlasse daher Edith ihrem Schicksal und mache mich auf den Weg. Treppen um Treppen geht es hinauf, immer höher und steiler. Ich bin die einzige, keine Menschenseele begegnet mir unterwegs. Inzwischen habe ich einen Treppenabsatz mit Blick auf den Fubo-Berg und den Lijnig-Fluss erreicht. Schön! Es scheitn sich doch zu lohnen, hier hinauf zu steigen.
Die Treppen selbst sind mit roten Lampions geschmückt –oder sind das Nebelleuchten?
Dann habe ich mein Ziel erreicht, den Pavillon und damit den höchsten Punkt des Berg der Bunten Schichten. Es ist ein lohnendes Ziel, denn der Blick ist super, auch bei Nebel. Wie eine chinesische Tuschezeichnung liegt Guilin und die Erhebungen der Karstberge vor mir. Ein See, eine Pagode und die Wohnhäuser – wer weiss, vielleicht ist es im Nebel schöner als bei klarer Sicht. Ich bin jedenfalls sehr froh die Mühe der Stufen auf mich genommen zu haben.
„Ni hao“ tönt es da hinter mir und ich drehe mich überrascht um. Wer ist außer mir am Spätnachmittag noch hier hoch gestiegen? Es ist kein anderer Tourist, der die Sicht genießen möchte, sondern eine Chinesin mit einem Besen. Sie ist Straßenkehrerin und diese sind in China an jedem Ort zu finden. Doch hier? Auf dem Gipfel kurz vor Einbruch der Dämmerung? Wusch, wusch, wusch fegt sie mit ihrem Besen den Pavillon sauber und versucht mir mit einem freundlichen Lächeln irgend etwas zu erklären. Vielleicht, dass es schon spät ist und ich vor Einbruch der Dunkelheit hinunter steigen soll? Denn inzwischen sehe ich in den Straßen unter mir bereits die ersten Lichter aufflammen.
Es wird auch zunehmend kühler und ein böiger Wind kommt auf, daher machen ich mich auf den Rückweg. Als ich auf Edith treffe, ist auch sie begeistert. „Ich habe mich hier ein wenig umgesehen“ erklärt sie mir „da kann man von einer Stelle auf eine Bühne im Ort hinunter schauen. Dort wurde Musik gespielt, gesungen und getanzt! Richtig schön!“
Auch meine Laune ist wieder gestiegen, Guilin erhält am Abend des ersten Tages doch noch meine Sympathien.
Der Rückweg zum Hotel führt uns wieder entlang der Flusspromenade. Die Taucher sind inzwischen verschwunden, doch unermüdliche Angler stehen nach wie vor am Ufer und fischen, im wahrsten Sinne des Wortes, im Trüben.
Im Hotel ist inzwischen auch die junge Dame eingetroffen, die Reservierungen für die Schiffe auf dem Li-Fluss nach Yangshuo macht. Es ist ein Tagesausflug, doch wir fahren nicht am Abend mit dem Bus zurück, sonder verbringen zwei Tage in Yangshuo. Morgen früh um 8ººh werden wir hier an der Rezeption abgeholt.
Damit sind alle organisatorischen Dinge erledigt und wir widmen uns unserem Magen. Der hat seit heute morgen nichts mehr bekommen und fängt so langsam an zu knurren.
Direkt neben unserem Hotel ist ein kleines Restaurant mit Terrasse und Blick auf die Straße. Die Karte habe ich mir bereits heute Mittag angesehen und so beschließen wir heute hier zu Abend zu essen. Wie gehofft ist das Essen sehr gut, Edith hat sich für Nudeln á la Guilin entschieden und ist begeistert. Ich habe mir ein vegetarisches Gericht ausgesucht und bin ebenfalls zufrieden mit meiner Wahl.
Es war trotz Nebel ein schöner Tag und wie immer fallen wir müde und zufrieden einige Stunden später in unsere Betten. Und wer weiß- vielleicht scheint ja morgen tatsächlich die Sonne.
Mein vorhergehender Reisebericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-das-land-des-laechelns-besuch-im-kloster-der-seelenzuflucht-in-hangzhou/
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