China Urlaubsreise – Schanghai´s Sonderwirtschaftszone Pudong
Donnerstag
Ahhh- endlich mal wieder eine weiche Matratze! Das tut richtig gut! Denn bisher hatte ich während des Chinaurlaubs immer das Gefühl ich schlafe auf einem Holzbrett.
Ausgeruht schwinge ich die Beine aus dem Bett und genieße als erstes die Sicht auf den Huangpu Fluss und die Wolkenkratzer von Pudong. Genau wie gestern ist alles ein wenig mit Dunst verschleiert, ähnlich wie in Peking. Ich befürchte, das ist in chinesischen Großstädten überall so.
Edith ist ebenfalls aufgestanden und sieht aus dem Fenster. „Bewölkt!“ stellt sie optimistisch fest. „Smog! Ganz üble Luftverschmutzung!“ halte ich dagegen. Doch wir können das nicht ändern und werden den heutigen Tag trotzdem genießen. Wir haben geplant uns den Stadtteil Pudong anzusehen und natürlich das drittgrößte Gebäude der Welt zu besichtigen, den Pearl Tower. Er ist inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt Schanghai geworden. „Meinst du nicht, es ist zu voll? Sicher werden genauso viele Menschen unterwegs sein wie gestern, es ist immer noch die Goldene Woche“ gibt Edith zu bedenken. „Ach- das glaube ich nicht! Bestimmt sind viele schon wieder abgereist, es ist ja bereits Donnerstag.!“ gebe ich mich optimistisch. Ob Edith die gekreuzten Finger hinter meinem Rücken sehen kann?
„Am besten wir gehen zu Fuß und benutzen den Sightseeing -Tunnel“ erkläre ich Edith. Der Eingang zum Sightseeing- Tunnel ist gegenüber der Bank of China. Es ist eine Untergrundbahn, die unter dem Flussbett des Huangpu bis nach Pudong führt. Der Tunnel soll furchtbar kitschig beleuchtet sein, also etwas, was man meiner Meinung nach unbedingt gesehen haben muss!
Es ist erst 10ººh morgens und der Himmel bedeckt, trotzdem ist die Luft heiß und sehr drückend. Die Strecke entlang des Bund zieht sich und als wir am Tunnel ankommen haben wir das Gefühl bereits Kilometer weit gelaufen zu sein. Oder hat jemand über Nacht den Bund in die Länge gezogen? Meine Hoffnung, das viele der Urlauber aus Schanghai bereits wieder abgereist seien wird spätestens hier zerschlagen. Die Warteschlangen an der Kasse belehren mich eines besseren. Doch wir stürzen uns mutig in das Gewühl, erhalten eine Fahrkarte die soviel kostet wie ein Taxi und drängeln uns mit den anderen Passagieren in den Zug.
Ein paar Minuten später sind wir am Ziel und ich warte immer noch auf die zwar kitschige, aber umwerfende bunte Beleuchtung. Ein paar farbige Spiralen, das war´s! „Was war daran so besonderes?“ fragt mich Edith absolut berechtigt.
Als wir aus dem Tunnel kommen habe ich das Gefühl auf der Seite von Pudong ist die Hitze noch feuchter und drückender. Langsam schleppen wir uns über die Straße bis zu einer Brücke über die Hauptverkehrsachse Shiji Dadao (Century Avenue). Von hier sehen wir den Eingang zu unserem Ziel, der Pearl Tower mit dem dazugehörenden Aufzug. Mit diesem Lift hat man die Möglichkeit auf eine der Plattformen in 260 oder 350 Metern Höhe zu fahren. Es gibt sogar ein Drehrestaurant auf der unteren Plattform. Doch was wir sehen dämpft unsere Begeisterung erheblich. Menschenschlangen zu beiden Seiten der Eingänge! Es sind rote Sonnenschirme aufgebaut worden, so dass keiner in der Wartezeit einen Sonnenstich bekommt. Also nein, das muss ich eigentlich nicht haben. „Möchtest du da unbedingt hinauf?“ frage ich Edith sicherheitshalber. Sie schüttelt nur erschöpft den Kopf und meint: „Diese Hitze! So drückend und schwül!
Und die vielen Menschen!“ Es ist tatsächlich anstrengend, die Luft steht und kein Windhauch rührt sich. Wir bleiben ein paar Minuten stehen und betrachten das Leben auf und unter diesem Fußgängerübergang. Die Brücke ist rundum mit der chinesischen Flagge geschmückt. Sehr schön angelegt sind die Blumen auf den Verkehrsinseln. Sowohl in der Mitte des Kreisverkehrs als auch in den Straßen. Hier hat man sich sogar etwas ganz besonderes einfallen lassen. Ein Drachen, der in der Mitte der Avenue liegt und freundlich in die Welt lächelt.
„Was gibt es denn noch zu sehen?“ möchte Edith wissen. Tja, Hochhäuser wie das Schanghai World Financal Center oder das Grand Hyatt Hotel im Jin Mao Building, dessen Atrium unbedingt einen Besuch wert sein soll. Oder wir gehen dort in den 87. Stock in die elegante Bar Cloud und genießen einen Drink mit 360º Rundumsicht. „Du meinst, dort bekommen wir einen Platz?“ ist Edith´s berechtigte Frage. „Nein, vermutlich nicht“ gebe ich zu. „Lass uns bloß aus dieser Hitze raus gehen“ stöhnt Edith genervt auf. Ich hab´s! Wir gehen in das Schanghai Ocean Aquarium, dort haben sie sicher eine Klimaanlage. Da nun fast Mittagszeit ist, gehen bestimmt die meisten Besucher von Pudong etwas essen und es ist nicht so voll.
Das Aquarium ist gleich um die Ecke, wir haben es nicht weit und stehen kurz darauf vor dem Eingang. „Na, wenn du da rein möchtest, dann gehen wir eben“ ist Edith ihr Kommentar an der Kasse. „In einem Aquarium waren wir ja schon oft, es wird hier nichts anderes sein.“ Was soll´s – wir probieren es einfach aus.
Also in einem Punkt hat sich Edith geirrt- so etwas haben wir noch nicht erlebt. Ich habe noch nie vorher so viele Menschen in einem Aquarium gesehen. Familien mit Freunden und Kinderwagen. Kinder mit Videokamera, Digitalkameras und Smartphone oder I-Pad drängeln sich vor den Scheiben, deren Glas voller Fingerabdrücke der Besucher ist. Diejenigen, die mit der Nase noch nicht über die Abgrenzungsstange schauen können, klettern unten durch und klemmen sich direkt ans Glas. Die ganz Kleinen werden von den Eltern nach oben gehoben, um über die Köpfe der anderen Besucher blicken zu können. Und wenn das nicht gut genug ist, werden die Ellenbogen der Eltern eingesetzt. Das mit der Ein-Kind-Politik ist offensichtlich gelockert worden, dass kann ich hier klar erkennen. Viele Paare haben mehr als einen Sprössling. Laut Wikipedia ist es inzwischen so, dass nach einer Scheidung auch mit dem zweiten Partner ein gemeinsamer Nachwuchs erlaubt ist. Dadurch entstehen Familien mit zwei Kindern. Gemessen an den Familien hier im Aquarium muss die Scheidungsrate recht hoch sein und einige heiraten anscheinend auch dreimal.
Als wir wieder vor der Tür stehen atmen wir tief durch!
Langsam gehen wir zurück, keiner von uns beiden hat noch Lust in der mittäglichen Hitze durch die Straßenschluchten von Pudong zu spazieren und die Wolkenkratzer von unten zu betrachten. „Lass uns kurz in das Shopping-Zentrum schauen und danach gehen wir zur nächsten U-Bahn und fahren zurück.“ „Das ist ein gute Idee!“ stimmt mir Edith zu.
Das Einkaufszentrum ist klimatisiert und trotz der vielen Menschen nicht so überfüllt wie das Aquarium. Wir machen einen kleinen Bummel durch die Geschäfte und schauen was hier alles angeboten wird. Eigentlich die Artikel, die wir auch in Europa erhalten. Markenqualität und Markenartikel, Luxusgüter ebenso wie Gebrauchsgüter. Und die Preise sind ebenfalls wie in Europa. Doch der Aufenthalt in den gekühlten Geschäften hat uns gut getan und halbwegs gestärkt machen wir uns auf die Suche nach der Metrostation.
Die Haltestelle ist nur einige Meter weit entfernt und kurz darauf sind wir wieder auf der anderen Seite des Huangpu Flusses. Nicht direkt am Bund, doch nach dreimaligem Fragen haben wir die Uferpromenade gefunden.
Erstaunt schaue ich auf meine Uhr- schon wieder Spätnachmittag? Wo bleibt nur die Zeit?
Langsam bummeln wir den Bund entlang, auf dem es immer wieder etwas Neues zu sehen gibt. Wir machen eine kleine Pause und betrachten uns den Pearl Tower und Pudong aus der Ferne. „Wir haben sicherlich nichts verpasst, das wir da nicht hoch gefahren sind“ meint Edith nachdenklich. Ja, vermutlich würden wir jetzt noch in der Warteschlange vor dem Aufzug stehen. Keine Ahnung, ob es nun an dem feucht-heißen Wetter liegt, an der Masse der Menschen oder unserer heutigen Fitness, aber Pudong als Stadtteil mit seinen beeindruckenden Wolkenkratzern war nicht unbedingt der Hit. Ich lese noch einmal in meinem Reiseführer nach: 1,8 Millionen Menschen leben alleine in Pudong und knapp 7.000 chinesische und ausländische Firmen haben sich östlich des Huangpu Flusses nieder gelassen. Liebe Güte! Malaga hat, als drittgrößte Stadt Andalusiens, knapp 600.000 Einwohner. Das ist ca. ein Drittel von Pudong!!
In Pudong wird nach wie vor gebaut, die Kräne ragen überall auf und lassen weitere Hochhäuser wachsen.
Fast unvorstellbar, das all dies erst seit 1990 entstanden ist. Damals wurde der Bund neu gebaut und der Stadtteil Pudong von Peking zur Sonderwirtschaftszone erklärt. Vor diesem Zeitpunkt konnte man von meinem jetzigen Aussichtsplatz lediglich einige baufälligen Lagerhallen, verrottete Werften und Hütten der Reisbauern sehen. Ein Bekannter aus Spanien schilderte mir den Anblick von seinem Besuch in Schanghai im Jahr 1985: „Dort wurde noch Reis angebaut, ich konnte die grünen Felder vom Bund aus sehen.“ Ob jemals ein Familienmitglied der damals in Pudong lebenden Reisbauern hier an diesem Ufer stand und sich betrachtet hat, was in nur 23 Jahren aus seinem Geburtsort geworden ist?
„Lass uns weitergehen“ reißt Edith mich aus meinen Gedanken. „Du wolltest doch noch Geld abheben.“ Richtig, wir brauchen einen ATM-Automat. Nach meiner Erfahrung in Luoyang habe ich es nicht mehr probiert, aber nun müssen wir wieder Nachschub holen. Sollte ja kein Problem sein, auf der anderen Straßenseite ist eine Bank neben der anderen.
Ich gehe in die erste Bank und wie erwartet ist dort ein ATM-Automat. Doch leider habe ich auch hier Pech, er spuckt meine Karte wieder aus. Nichts zu machen, ich schiebe die Karte in den Schlitz und postwendend kommt sie wieder raus. Nach dem dritten Versuch gebe ich auf. „Lass uns lieber morgen früh nach einer anderen Bank suchen, dann sind die Schalter geöffnet.“ Weiß der Kuckuck, was hier über Nacht mit meiner Karte passieren kann. Vielleicht kommt sie beim nächsten Versuch automatisch in einen Reißwolf. Dann haben wir ein Problem! Was machen wir denn, wenn wir kein Geld bekommen? Ob ich morgen früh zuerst meine Bank anrufe? Vielleicht stimmt ja irgendwas mit der Karte nicht.
In Gedanken rechne ich unsere Barschaft aus. Also morgen müssen wir an Geld kommen, sonst wird es knapp.
Langsam spazieren wir wieder auf die andere Straßenseite um zu unserem Hotel zu gehen, als wir von drei jungen Chinesen angehalten werden. Der junge Mann hält mir lächelnd sein Handy entgegen und fragt mich auf Englisch: „Bitte, könnten sie ein Foto von uns machen?“
Nanu- mit uns meint er tatsächlich sich und seine beiden Freundinnen. Der erste in diesem Urlaub, der nicht Edith oder mich mit auf dem Bild haben möchte. Wie ungewöhnlich! Ich war schon dabei mich in Foto-Positur zu stellen! Aber klar, natürlich knipse ich die Drei. Vielleicht mit einem schöneren Hintergrund? Den Bund oder den Pearl Tower? „No, no“ versichert er mir irritiert „das ist hier schon gut!“ Inzwischen hat eines der beiden Mädchen Edith in ein Gespräch verwickelt, lässt sich zwischendurch schnell fotografieren und konzentriert sich wieder auf das Gespräch mit Edith. Merkwürdig! Falls die es auf unsere Reisekasse abgesehen haben, haben sie die Falschen erwischt. Wir sind ja fast pleite.
Nun werde auch ich in das Gespräch mit einbezogen. Die drei sind Studenten und treffen sich mit anderen ehemaligen Schulfreunden hier in Schanghai. „One week holiday!“ tönt es begeistert von dem anderen Mädchen. Wo wir denn herkommen? Deutschland! Oh, wie schön! Was wir hier machen? Urlaub! Oh, wie schön! „Und jetzt?“ möchte eines der Mädchen wissen „wohin geht ihr nun?“ Wir sind auf dem Weg ins Hotel. „Ohhh!! Noooo!“ erschallt ein dreistimmiger Ruf. „Wir treffen Freunde und machen eine Party! Kommt mit uns! Party!“ Nein, danke, sehr nett, aber……wir waren den ganzen Tag unterwegs. „In China sind wir immer viele Leute die eine Party machen. Viele Freunde! Kommt mit uns! Party!“
Sicher ist es auch in China nicht üblich, dass Teenager unbekannte reifere Frauen mit auf eine Party nehmen. Ich vermute, die möchten uns zu einer Verkaufsshow abschleppen. Vielleicht zu einer Tee-Party um uns chinesischen Tee zu verkaufen. „Nein, wir kommen nicht mit zu einer Party!“ erkläre ich mit bestimmter Stimme und setzte ein abschließendes „Good bye!“ dahinter. Die Gesichter der Teenis sind nicht einmal verblüfft, es kommt ein kleines Nicken und ein etwas weniger überschwängliches „bye bye“. Dann ist das Trio in der Menge verschwunden. „Was die wohl von uns wollten?“ fragt sich auch Edith. „Das war schon seltsam!“
Eine halbe Stunde später sind wir in unserem Hotel. Dort haben wir kein großes Programm, lediglich ein Abendessen und anschließend ein Glas Wein an der Hotelbar. Größere Party brauchen wir nicht! „Was steht denn für morgen auf dem Plan?“ fragt Edith zum Schluss des Abends. „Wir suchen als erstes einen funktionierenden Geldautomat! Und dann schauen wir uns die Altstadt an.“
Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen gilt jedoch nicht der Altstadt oder einem ATM-Automat, sondern der bequemen Matratze. Was für ein Genuss!
Mein vorhergehender Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-urlaubserlebnis-shanghai-und-der-beruehmte-bund/
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