Das Neujungfrauenkloster und der Neue Friedhof in Moskau
„Guten Morgen“ sagt Edith leise, als ich vorsichtig aus meinem Hochbett nach unten schaue. Die Sonne scheint bereits ins Zimmer und macht gute Laune für unseren neuen Tag in Moskau. Heute werden wir die berühme Metro von Moskau ausprobieren und zum Neujungfrauenkloster fahren. Dort gibt es zwei Besichtigungspunkte die uns interessieren, das Kloster und der an der Südmauer gelegene „Neue Friedhof“. Es ist Russlands Prominentenfriedhof Nr. 1 und soll absolut sehenswert sein. Ich habe ein kleines Faible für Friedhöfe, sie spiegeln sehr viel Geschichte und Kultur des Landes bzw. der Stadt wieder.
Also auf und raus aus den Federn- ein neuer Tag mit neuen Eindrücken beginnt.
Bei Verlassen des Apartments steht auch der Hausmeister wieder in der Tür und wünscht uns einen schönen Tag. Sein Deutsch wird immer besser – ich wünschte das würde mir mit Russisch auch so gehen. Doch Edith hat da keine Probleme- jeden Tag fällt ihr ein anders Wort aus ihrem Vokabelschatz ein. Noch eine Woche länger und sie kann sich unterhalten. Super!
Ausgestattet mit meinem Reiseführer und einem Metroplan überqueren wir die große steinerne Brücke und wenden uns dort nach links zur Christi Erlöser Kathedrale. Ein imposantes Gebäude mit goldenen Kuppel nahe des Ufers der Moskva. Dort befindet sich die Metro Station Kropotkinskaja und von hier bring uns die Linie eins bis zur Haltestelle Sportivnaja. Die Namen muss ich mir gut merken!
Unsere erste Fahrt mit der Metro in Moskau
Wir sind früh und kommen in der Metro Station offensichtlich noch in die rush hour. Wo ist denn nun die Linie eins? Das ist hier unten alles ein wenig verwirrend, vor allem da die Namen auf kyrillisch geschrieben sind. Das macht es nicht leichter. Am besten ich frage mal jemand! Obwohl ich bisher in Russland immer auskunftsfreudige Menschen kennen gelernt habe- in der Metro Station hat es jeder nur eilig. Wir stehen ganz offensichtlich im Weg der vorbei eilenden. Vielleicht an dem Kiosk? Doch nein, auch hier legt man keinen Wert darauf ein Touristenauskunftsbüro zu sein. Irgendwie auch verständlich, denn für den Moskauer ist die Metro keine Attraktion sondern ein Mittel um seinen Arbeitsplatz zu erreichen.
Und ich selbst kann im Moment die bauliche Schönheit und Besonderheit der Metro Station auch nicht so recht erkennen. Oder es ist touristisch gesehen die falsche Station. Aber wo ist die Linie eins? Endlich erbarmt sich ein junger Mann, er spricht ein wenig englisch und zeigt uns die Richtung. Es geht die Rolltreppe nach unten, doch kaum sind wir auf dem richtigen Gleis kommt die nächste Frage. In welche Richtung müssen wir fahren? Es stehen nicht alle Stationen angeschrieben, sonder die jeweilige Endstation- in kyrillisch, klar. Wie denn sonst? Doch da die Menschen hier am warten sind, gestaltet sich das Fragen leichter und endlich sitzen wir im Zug. Laut ratternd startet die Fahrt und bereits drei Haltestellen weiter müssen wir aussteigen. Na also, klappt doch!
Das Neujungfrauenkloster
Unser erstes Ziel ist das Neujungfrauenkloster, an das viele Ereignisse der russischen Geschichte geknüpft sind. Das Kloster gehört zu einem Ring von Wehrklöstern, die im 16. Jahrhundert gebaut wurden. Dies geschah zu Ehren der Befreiung der Stadt Smolensk von der polnisch- litauischen Besatzung.
Ivan der Schreckliche zwang die Witwen von aufsässigen und deshalb hingerichteten Bojaren in das Kloster einzutreten und ihren gesamten Besitz der Kirche zu übergeben. Später traten – mehr oder weniger freiwillig- Zarinnen und Zarentöchter in das Kloster ein. Das Neujungfrauenkloster wurde so im laufe der Jahre zu dem reichsten Kloster in Moskau. Zu dem Kloster gehörten 36 Dörfer und ein Landbesitz von 179 000 Hektar.
Die wichtigste Gönnerin des Klosters war Sofija, die Halbschwester Peter I, unter deren Regentschaft im Namen ihres minderjährigen Bruders das Kloster ausgebaut und erneuert wurde. Doch Glück brauchte ihr das nicht. Wegen ihrer staatsverräterischen Rolle im Strelizenaufstand wurde sie in das Neujungfrauenkloster verbannt und die von ihr errichteten Mauern wurden ihr zum lebenslangen Gefängnis.
Heute leben im Neujungfrauenkloster wieder Nonnen, nachdem das Kloster unter Breshnev restauriert wurde.
Laut meinem Reiseführer soll das Kloster sich wirklich für einen ausgedehnten Besuch lohnen und ich bin schon gespannt auf die Besichtigung. Und so wie es aussieht haben wir hier auch keinen Massenansturm, ich sehen keine Warteschlange an der Kasse. Genau genommen sehe ich überhaupt niemand. Auch keinen Verkäufer für Eintrittskarten. Merkwürdig, wir sind hier wirklich allein auf weiter Flur. Nein, doch nicht so ganz. Dort vorne sind Arbeiter, sie kommen mit einem Lastwagen und gehen in Arbeitskleidung durch eine Seitentür. Oh weh- ich ahne schlimmes. Und so ist es auch! Wir stehen vor verschlossenen Türen und ein Schild erklärt in drei Sprachen: wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. So ein Pech aber auch! Doch leider nicht zu ändern, außerdem bleibt uns ja der neue Friedhof. So war die Fahrt hierher nicht umsonst.
Der Prominentenfriedhof Russlands schließt sich an die Südmauer des Neujungfrauenklosters an. Und er ist geöffnet- Gott sei Dank. Keine Renovierung auf dem bekanntesten Friedhof in Moskau. Bis ins 19 Jahrhundert war dies ein Friedhof für jedermann. Erst als Dichter, Musiker, Maler und Wissenschaftler sich hier bestatten ließen, erlangte der Friedhof große Popularität. Auch die neue Sowjetmacht beanspruchte den Friedhof für ihre Mitglieder.
Ist ja mal was anderes- sonst trifft sich die High-Society mit Rang und Namen in bestimmten Hotels und Urlaubsorten wie Marbella oder St. Moritz. Was eben gerade „in“ ist. Hier bei Moskau bleibt man auch für die Ewigkeit im Kreis der Schönen und Berühmten.
Der Neue Friedhof von Moskau
Der Spaziergang über den Friedhof lohnt sich, es ist wie ein Streifzug durch die russische Geschichte und Kultur. Maler, Künstler, Filmregisseure und Ärzte werden als Skulpturen dargestellt. Schade, dass ich nicht russisch lesen kann, sicherlich sind viele bekannte Namen dabei. Hier befindet sich auch das Grab von Jurij Nikulin, dem Schauspieler, Clown und Zirkusdirektor des alten Moskauer Staatszirkus.
Interessant und sicherlich eine Attraktion ist das Grabmahl von Nikita Chruschtschov. Als man ihn 1972 bestattete verfügte sein Nachfolger Leonard Breshnev aus Angst vor Demonstrationen, das der Friedhof geschlossen wurde. Der Bildhauer verwendete schwarzen und weißen Granit um den widersprüchlichen Charakter des Parteichefs darzustellen.
Teilweise wirkt der Friedhof wie ein Garten mit überlebensgroßen Skulpturen. In tadelloser Uniform und in strammer Haltung sitzen und stehen die Wissenschaftler und Parteifunktionäre neben ihrer letzten Ruhestätte.
Auch die zweite Ehefrau Stalins ist hier bestattet, ihr Grab ist schlicht mit einer schmalen Skulptur aus weißem Marmor unter schützendem Glas. Sie schied 1932 aus unerklärlichen Gründen aus dem Leben. Vielleicht hat sich ja auch keiner getraut ihren Ehemann genauer zu befragen?
Boris Jelzin hat hier ebenfalls 2007 seine letzte Ruhestätte erhalten und über seinem Grab „weht“ eine überdimensionale Flagge Russlands aus Naturstein.
Nicht weit von ihm entfernt, an der Südmauer, sehen wir das blumengeschmückte Grab von Raisa Gorbatschova.
Ein interessanter Friedhof und meiner Meinung nach einen Besuch wert. Ob es mir gefallen würde hier überlebensgroß dargestellt zu werden? Oder einer meiner Angehörigen? Also ich weiß nicht so recht, ich glaube unsere schlichten Steine oder die kleinen Engelchen gefallen mir doch besser. „Das ist beeindruckend“ meint auch Edith „aber es kann einen ja fast erschlagen.“ Stimmt- wer möchte denn nun wirklich einen Panzer oder ein Flugzeug auf seinem Grab stehen haben?
Unsere Rückfahrt mit der Metro Moskaus
Langsam machen wir uns auf den Rückweg zur Metrostation. Bedingt durch die Renovierungsarbeiten im Neujungfrauenkloster sind wir noch früh, doch das ist kein Problem. Mal so ein paar Stunden nichts-tun und einfach ein Buch lesen ist auch sehr erholsam und beide freuen wir uns auf die Ruhepause. In der Metro Station fühle ich mich auch schon viel sicherer als heute morgen bei der Abfahrt. Klar – der Rückweg ist ja immer einfacher.
„Hier lang!“ erkläre ich selbstbewusst. Die Buchstaben sind zwar in kyrillisch, aber am Anfang ein „K“ und dann was mit …“skaja“ – ich bin mir sicher das ist unsere Bahn. Am Bahnsteig lese ich noch mal irgendwas wie Kamsko? Oder heißt das Komskov? Aber das „skaja“ stimmt, wird schon richtig sein. „Vielleicht sollten wir fragen?“ wendet Edith kurz ein. Ach was! Da kommt auch schon die Bahn, warum hier jetzt Zeit verschwenden! Laut meinem Metroplan kann hier auch gar keine andere Bahn vorbei kommen. Husch- rasch einsteigen!
Doch was laut Metro-Plan unmöglich scheint- ich schaffe es! Wir haben die falsche Bahn! Die Überraschung trifft uns nach dem Aussteigen an der Haltestelle mit „K“ und irgenwie „skaja“ als Abschluss. Als wir aus der Metro Station empor steigen empfängt uns eine völlig fremde Umgebung, Alles ist unbekannt und wir haben keine Ahnung wo wir uns befinden. Der Nachteil, wenn die Bahn unterirdisch verläuft.
Wir versuchen es mit Fragen, doch keiner der hier im Berufsverkehr vorbeieilenden Menschen spricht Englisch. Ich zeige ein Bild aus meinem Reiseführer mit der Christi Erlöser Kathedrale, ein doch sehr imposantes Gebäude. Doch offensichtlich gibt es in Moskau sehr viele imposante Kirchen, denn keiner erkennt die Kathedrale auf dem Foto. Wo um alles in der Welt sind wir? Und wie kommen wir nach Hause? „Schau mal“ meint Edith. „Das Hochhaus habe ich irgendwann schon mal gesehen!“ Ich folge ihrem Blick und tatsächlich, auch ich erkenne das Gebäude an seiner Wolkenkratzer-Spitze wieder. Oh Schreck- das haben wir gesehen als wir auf der Brücke zum Kreml standen. Am anderen Ende des Horizonts- weit, weit weg! Da müssen wir doch nochmal mit der Metro fahren, anders wird es nicht gehen. Wir versuchen es ein weiteres mal mit Fragen und diesmal haben wir Glück. Ein Passant spricht etwas Englisch und nimmt sich die Zeit uns behilflich zu sein. Er erkennt zwar auch nicht die Kathedrale, doch ich frage ihn nach dem Weg zum Kreml- von dort finden wir unser Apartment. „Kommen Sei mit- ich fahre ein Stück den gleichen Weg und dann müssen sie umsteigen!“ erklärt er uns nach einem Moment des Überlegens. Also los- hinab in die unbekannten Tiefen der Metro von Moskau. Die Bahnen sind voll, ich schaffe es gerade noch mich hinter Edith in den Zug zu drücken. Der Berufsverkehr ist überall auf der Welt gleich. Schieben und drängeln im Eiltempo!
An irgendeiner Haltestelle gibt uns unser freundlicher Begleiter das Zeichen zum aussteigen. „Ein Stockwerk tiefer, auf der linken Seite einsteigen und drei Haltestellen fahren“ ruft er uns noch zur Sicherheit hinterher. „Spassiba!“ rufen Edith und ich und winken dem netten Herrn zum Abschied.
Gott sei Dank, alles klappt! Als wir diesmal wieder an die Oberfläche Moskaus steigen umgibt uns bekanntes Terrain. Teatrainja heißt die Haltestelle und wir sind nicht weit vom Platz der Revolution entfernt. Es ist zwar ein gutes Stück Fußweg bis zum Kreml und danach noch zu unserem Apartment, doch für heute bringt mich keiner mehr dazu Metro zu fahren. Wer weiß wo ich als nächstes lande.
Die Christi-Erlöser-Kathedrale
Trotz des langen Fußmarsches durch die Innenstadt Moskaus haben wir noch genug Energie für eine Besichtigung der Christi-Erlöser-Kathedrale. Das Original dieser Kathedrale stand nach ca. 40 jähriger Bauzeit (1880 bis in die 1930er Jahre )und galt als Denkmal des Sieges über Napoleon. 1931 ließ Stalin die Kathedrale sprengen um dort den Palast der Sowjets zu bauen, doch der Boden trug das gigantische Projekt nicht. Daraufhin wurde ein beheiztes Freibad angelegt.
Der Wiederaufbau der Kathedrale wurde in den 1990er Jahren fertiggestellt und kostete insgesamt 250 Mio US $ die durch Spenden und Steuergelder finanziert wurden. Vielleicht wollte heute deshalb keiner die Kathedrale kennen – da sind ja eine menge Steuergelder geflossen. Der Flughafen Berlin ist ja bisher auch nicht sehr beliebt.
Leider ist im Inneren des Gebäudes das Fotografieren verboten um die Gläubigen nicht im Gebet zu stören. Verständlich, aber gerade hier sehr schade. So eine tolle Kirche habe ich von außen nicht erwartet. Es gibt noch ein Kellergewölbe, das man bei einer Besichtigung auf keinen Fall versäumen sollte.
Als wir die Kathedrale wieder verlassen kann ich es mir nicht verkneifen an „unserer“ Metro Station vorbei zu gehen. Wie heißt die denn nun? Kropotkinskaja! Na ja- fast lag ich richtig , die Endung stimmt ja schon mal!
Inzwischen ist es dunkel und wir haben beide Hunger. Wir entscheiden uns für eines der Restaurants nicht weit von der Kathedrale entfernt, bekommen einen Platz direkt am Fenster und genießen hier den Ausklang des Tages. Trotz kleiner Panne mit der Metro sind wir zufrieden und glücklich. Ob wir nun das Jungfrauenkloster gesehen haben oder nicht- egal. Wir hatten einen schönen Tag und das ist das wichtigste.
Nach einem guten Essen und einem Glas Rotwein kommen wir müde und abgekämpft nach Hause, plaudern noch ein wenig und freuen uns bereits auf den nächsten Tag. Denn morgen stehen sogar zwei Ereignisse auf unserem Programm. Am Vormittag werden wir unserem Mut zusammen nehmen und uns nochmal in den unterirdischen Bereich der berühmten Metro stürzen. Unser Ziel liegt außerhalb Moskaus, das ca 20 km entfernte Kolomenskoje mit seinem Freilichtmuseum. Und am Abend dann eines unserer Highlights- ich habe Eintrittskarten für das Ballett „Der sterbende Schwan.“ Ein Muss während einer Russlandreise!
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