Die schwimmenden Märkte bei Can Tho
Donnerstag
Trrrr…….Trrrrr……Trrrrr !!!! Schlaftrunken greife ich nach dem Telefonhörer aus dem ein ebenfalls müdes „Good mornig!“ klingt. Arrrgh! Schon fünf Uhr morgens! Wir haben eine halbe Stunde Zeit bis wir für den heutigen Ausflug zu den schwimmenden Märkten abgeholt werden. Also rasch ins Bad und Zähne putzen. Doch ein Blick auf meine Armbanduhr weckt mich endgültig ! Es ist nicht fünf Uhr, sondern 5:20h!! Es bleiben uns nur 10 Minuten, keine halbe Stunde. Da hat der an der Rezeption doch bestimmt verpennt!
In Windeseile ziehen wir uns an, liebe Güte, was für eine Hetze um diese Zeit. Habe ich auch nichts vergessen? Mein Fotoapparat? Ja, er ist da! Geld! Ja, steckt in der Tasche! Jetzt aber los, es ist schon nach halb sechs.
An der Rezeption steht bereits unser heutiger Begleiter und wirft gerade einen Blick auf seine Uhr. Peinlich! Wo ist der Rezeptionist? Der hat sich in einem kleinen Nebenraum verschanzt und lugt nur vorsichtig um die Ecke. „Good morning“ murmelt er unverbindlich und zieht den Kopf wieder ein. Der englischsprachige Reiseleiter lächelt, stellt sich als John vor und fordert uns auf gleich zu gehen. „Das Boot wartet“ erklärt er, während er uns durch die stockdunkle Strasse voraus eilt.
Auf dem Gehweg ist noch alles ruhig und es leuchten auch keine Straßenlampen. Dies macht den Weg ein wenig beschwerlich, denn es gibt überall Stolperfallen wie lockere oder fehlende Pflastersteine. Doch dann ist es geschafft, wir gehen durch eine kleine Gasse und stehen vor der nächsten Hürde. Das Boot! Eine wacklige Geschichte. Doch es geht besser als gedacht, John setzt sich uns gegenüber und der Bootsmann legt ab.
Es ist noch immer dunkel und am Ufer sehen wir nur vereinzelte Lichter. Eine angenehme Stille liegt über dem Fluss, nur das eintauchen der Ruder ist hin und wieder zu hören. Wir sind bereits eine Weile unterwegs als die Sonne aufgeht. Was für ein farbenprächtiges Schauspiel. Ich dachte immer, so etwas gibt es nur auf Kitsch-Postkarten.
Mit dem Tageslicht beginnt das Leben auf dem Fluss. John erklärt uns, dass viele der Menschen auf ihren Booten leben. Es ist ihr Zuhause und ihr Einkommen und sie bringen mit den Schiffen die Ware von den Farmern zu den Einkäufern.
Auch in die Häuser am Ufer kommt langsam Leben, Lichter gehen an und Menschen treten auf die kleine Terrasse vor ihrem Zuhause.
Wir haben nun den schwimmenden Markt Cai Rang erreicht und sehen die ersten großen Boote mit ihren Waren. Jedes Schiff handelt mit anderen Früchten oder Gemüsesorten. Melonen, Ananas, Bananen und Kartoffeln sind am häufigsten zu sehen. Dazwischen sind die kleineren Boote der Einkäufer wie Markthändler oder Restaurantbesitzer. Damit der Interessent weiß, welche Ware er auf welchem Boot findet, ist am Bug eine Stange angebraucht. Daran ist als „Aushängeschild“ eins des angebotenen Produktes aufgehängt. Die Ware wird nur kiloweise gehandelt und wir Touristen werden ignoriert, wir sind keine potenziellen Kunden.
Die Sonne ist inzwischen schon sehr kräftig, die leichte Bewölkung verzogen und mir fällt siedend heiß ein, was ich in der morgendlichen Hetze vergessen habe. Meine Sonnencreme! Und verwendet habe ich heute früh auch keine! Oh weh- da sehe ich heute Abend aus wie eine Tomate! „Ach was!“ versucht Edith mich zu beruhigen. „Die paar Stunden! Das wird schon nicht so schlimm sein!“ Na hoffentlich! Wenn ich heute verbrenne und Runzeln bekomme, ist der Rezeptionist schuld.
„Habt ihr Frühstücks-hunger?“ möchte John von uns wissen. Er legt ein Brett vor uns auf den Bootsrand und winkt eines der kleinen Schiffe zu uns. Auf diesen kleinen Booten sitzen Frauen und kochen in großen Töpfen Suppe. Der Topf steht auf einem kleinen Propangas- Kocher und die Suppen werden so direkt heiß aus der Küche an die Kunden verkauft. Suppe zum Frühstück? Ungewohnt! Doch dieser Eintopf schmeckt sehr gut. Das Gemüse ist bissfest und nicht verkocht. Unter anderem viel Kohlrabi und Sojasprossen, frische grüne Kräuter und Reisnudeln. Als Nachtisch kauft uns John noch ein süßes Schmalzgebäck, damit wir auch diese vietnamesischen Spezialität versuchen können.
Von diesem Markt aus fahren wir nun weiter zu einem kleineren „Floating market“ auf dem auch mehr Touristen sind. Hier wird alles in kleineren Mengen verkauft.
Das Angebot ist nicht auf eine Ware beschränkt, sondern auf den Booten gibt es Salat, Kohlrabi, Krautköpfe…….eben alles was eine Hausfrau zum kochen braucht. Auch wir können hier eine in der Sonne gereifte Ananas kaufen. Wir bekommen sie sogar geschält, direkt zum Essen. Frisch und süß!
Allzu lange bleiben wir nicht auf dem kleinen Markt , unsere Tour geht von hier aus weiter in die Seitenarme der Flusslandschaft. Immer schmaler werden die Wasserwege und das Blätterdach schützt vor der Sonne. An den Ufern stehen Häuser, es laufen Hühner herum und in den Gärten wird Obst und Gemüse angebaut. Interessiert schauen die Bewohner nach unserem Boot und winken uns freundlich zu. „Schaut!“ macht uns John aufmerksam. „Dies nennt man eine Affenbrücke.“ Ja, so sieht es auch aus. Allerdings ist diese Konstruktion aus Holzbalken und Baumstämmen für Menschen gedacht. Es ist die einzige Möglichkeit trocken die andere Uferseite zu erreichen. Aber vermutlich muss man dazu wirklich im Klettern so geschickt sein wie ein Affe. Ich würde doch lieber auf das nächste Boot warten.
Die Fahrt durch die schmalen schattigen und ruhigen Flussarme ist sehr erholsam. John erzählt ein wenig über sich. Er stammt aus dem Mekong Delta und ist ca. 100 km südlich von hier zu Hause. Seine Eltern betreiben Reisanbau und pflanzen die meisten nötigen Nahrungsmittel selbst an. Er konnte in Can Tho zur Schule gehen, hat jedoch zusätzlich noch einen Englisch -Kurs belegt. Nun ist er sehr stolz darauf als Reiseleiter arbeiten zu können. Da können wir nur gratulieren und auch für die Zukunft weiter viel Erfolg wünschen.
Unser Bootsführer legt am Ufer an und John überrascht uns mit den Worten. „Wir machen nun einen kleinen Spaziergang, nur so eine halbe Stunde.“ Das ist eine gute Idee, so können wir ein wenig mehr von den kleinen Dörfern und den verstreut liegenden Häusern sehen. Es ist genau so idyllisch wie es von Boot aus wirkt. Glückliche Hühner scharren im Boden nach Körnern, Papaya wachsen auf einem Baum und in einigen Gärten bellt ein Hund. Ob die Bewohner es allerdings auch so idyllisch finden? Vielleicht nicht unbedingt, vor allem in der Regenzeit. Dann ist der fest-getretene Lehmboden aufgeweicht und die mit Palmblättern bedeckten Dächer werden undicht. Und ich glaube nicht, dass eines der Häuser über fließend Wasser oder Strom verfügt. Dinge, die für uns so selbstverständlich sind.
John zeigt uns Palmblätter, mit denen das Dach bedeckt wird. Sie sind in langen Reihen aneinander gebunden und liegen zum trocknen auf dem Boden. Ich möchte gar nicht wissen, wie oft das Dach ausgebessert werden muss.
Unterwegs macht John uns auf viele exotische Früchte aufmerksam, die ich bereits auf dem Markt gesehen habe. Doch es ist schön zu sehen, wo sie wachsen. Auch Küchenkräuter wachsen hier am Wegesrand und John ist offensichtlich Küchenspezialist. Er kennt sie alle und pflückt einige um uns daran riechen zu lassen. Tatsächlich kenne ich die meisten dieser Pflanzen vom Geruch und Geschmack aus den Gerichten in Vietnam und auch in Thailand. Vielleicht ist John ja ein Hobbykoch? „Nein“ lacht er. „Ich bin immer mit meiner Großmutter Kräuter sammeln gegangen. Viele davon sind auch Heilpflanzen.“ Und er zeigt uns Pflanzen aus der alternativen Medizin und erklärt welches Kräuterlein gegen welches Zipperlein gut ist. Damit könnte er fast eine Apotheke aufmachen.
Als wir an eine Biegung des Weges kommen treffen wir wieder auf unseren Schiffskapitän, der dort bereits auf uns wartet. Inzwischen fühle ich mich schon ein wenig sicherer beim einsteigen in den wackligen Kahn. Trotzdem lasse ich mir gerne die Hand reichen um besser die Balance halten zu können. Seitdem ich in Nepal bei so einer Gelegenheit in einen See gefallen bin, bin ich da sehr vorsichtig.
Nun beginnt die letzte Etappe unseres Ausfluges. Einige Flussbiegungen weiter steigen wir wieder aus dem Boot und besuchen eine Reisnudelfabrik. Hier wird alles noch per Handarbeit hergestellt. Der Reis wird gekocht bis ein weißer dünn-flüssiger Brei entsteht.
Dieser wird dann ähnlich wie ein großer „Crêpe Suzette“ gebacken und vorsichtig auf Bastmatten auslegt.
Dort lässt man den „Crêpe“ in der Sonne trocknen bis er fest ist. Es ist das gleiche wie bei der Herstellung von Reispapier. Der getrocknete Fladen wird zum Schluss durch eine großen Küchenwolf gedreht und kommt auf der anderen Seite als feine Reisnudeln heraus.
Ein Schredder, nur nicht für Kontoauszüge sondern für Reisfladen. Die Nudeln werden in Papiertüten verpackt und gehen von hier in den Verkauf.
Es ist keine leichte Arbeit. Mindestens eine Person steht ständig am Herd auf dem zwei Flammen für das Backen und eine unter dem Reistopf brennt. Und auch das Auslegen des dünnen Teiges auf die Bastmatten will gelernt sein. Und alles bei großer Hitze unter einem Holzdach. Es herrscht heute eine Temperatur von ca. 30ºC. Doch wir haben Winter, in den Monaten März bis September kommt noch eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit hinzu.
Zum Abschluss an diesen Vormittag lädt uns John noch zu einem vietnamesischen Kaffee ein. Der Kaffee schmeckt sehr gut, doch anders als ich je welchen getrunken habe. Ein wenig nach Kakao und etwas cremig. Es ist jedoch kein Milchkaffee, Cappuccino oder ähnliches. Der Kaffee ist schwarz, eindeutig. John erklärt uns, es liegt an der Zubereitung. Im Kaffee wird ein wenig gesüßte Kondensmilch verwendet. Ob es wirklich daran liegt? Gesüßte Kondensmilch gibt doch keinen Kakao-Geschmack! Auf jeden Fall ist es sehr lecker.
Mit dem Kaffee ist unser Ausflug zu den schwimmenden Märkten leider zu Ende und wir machen uns mit dem Boot auf den Weg zurück nach Can Tho. Vorbei an den Häusern am Fluss, von denen einige im grellen Tageslicht doch sehr viel Armut zeigen. Dächer aus Wellblech bedecken einfache Hütten, die vermutlich aus einem einzigen Raum bestehen.
Auf den letzten Metern gibt uns John noch Tipps wo wir nun gut und preiswert zu Mittag essen können. Nachdem der „Kapitän“ und John uns sicher an Land begleitet haben verabschieden wir uns von den beiden.
„Lass uns zuerst ins Hotel gehen“ schlage ich vor, denn ich möchte so rasch wie möglich mein Gesicht mit Creme einreiben. Hoffentlich bin ich nicht zu sehr verbrannt. „Oder möchtest du erst was essen?“ Nein, wir sind beide noch satt von unserer Frühstücks-suppe. „Ich habe auch noch von dem Schmalzgebäck übrig“ erklärt Edith. Wir möchten lieber heute Abend wieder in das gleiche Restaurant wie gestern, es war dort schön und gut. Ein besseres finden wir vermutlich nicht.
Kritisch schaue ich im Hotel in den Spiegel. Gott sei Dank, ist tatsächlich nicht viel passiert. Nichts zu sehen, mein Gesicht sieht aus wie immer.
Da wir ja sehr früh heute morgen aufgestanden sind, machen wir einen Mittagsschlaf und verbringen damit auch die grösste Hitze im Hotel bei laufender Klimaanlage.
Und ich schlafe tatsächlich für einige Stunden ein.
Wach werde ich mit einem merkwürdigen Brennen im Gesicht. Fühlt sich irgendwie sehr heiß an und ein Blick in den Spiegel bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen. Ich bin nicht rot wie eine Tomate, der Farbton geht eigentlich mehr ins lila –purpur und die Augen sind angeschwollen. Toll! Ich habe es gewusst! Wo ist der verschlafene Rezeptionist? Edith versucht mich zu trösten. „Ach komm! Bis morgen ist das alles wieder weg, bis morgen ist das schön braun! Bestimmt!“ Nett gemeint, aber nach noch- maligem Hinsehen muss auch Edith zugeben, lila-purpur steht mir nicht besonders gut. „Lass uns eine Apotheke suchen, ich brauche unbedingt ein After-Sun“.
Die nächste Apotheke ist nur einen Häuserblock entfernt. Drinnen sind vier junge Mädchen, keine davon spricht Englisch. Macht nichts, sie können ja sehen was ich möchte, oder? „After-sun!“ versuche ich zu erklären.“Look!“ und zeige auf mein Gesicht. Kritisch werde ich beäugt, dann nickt das Mädchen, geht zum Schrank und reicht mir eine Antifalten-Creme. Das ist eigentlich nicht das, was ich brauche. Ich versuche es nochmal, zeige auf meine geschwollenen Augen- das muss sie jetzt doch sehen! Sie nickt und reicht mir eine Augen-Antifalten-Creme. Kann sie denn nicht sehen wie rot mein Gesicht ist? Oder ist sie der Ansicht lila-purpur ist die normale Farbe eines Westlers?
Vermutlich ja, denn ich mache die gleiche Erfahrung in zwei weiteren Apotheken. Die Verkäufer schauen mich an und geben mir Antifalten-Creme. Erst in der nächsten Apotheke habe ich Erfolg, als ich dem Verkäufer mein Feuerzeug zeige, die Flamme aufblitzen lasse und laut „aiii,aiii“ rufe. Er schaut ein wenig erstaunt, gibt mir jedoch nach kurzem Überlegen eine Salbe gegen Verbrennungen nach Strahlentherapie. Na also!
Zwei Stunden später merke ich bereits eine Linderung, die Haut entspannt und wird sich hoffentlich nicht in knittriges Pergament verwandeln.
Wir machen noch einen Rundgang durch Can Tho und beenden diesen Tag in dem gleichen Lokal wie gestern mit Blick auf den Fluss.
Den Ausflug zu den schwimmenden Märkten hatten wir im Hotel gebucht. Es wäre vielleicht auch preiswerter gegangen, doch wir sind zufrieden. Wir waren von morgens früh bis nachmittags um halb zwei unterwegs und John hat uns viel gezeigt und erklärt. Wir sind uns mal wieder einig, es war ein absolut gelungener Urlaubstag.
Morgen geht es dann schon wieder weiter mit dem lokalen Bus nach Vinh Long.
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