Eremitage in St. Petersburg, Kunstsammlung von Katharina II
Guten Morgen“ flüstert Edith leise um zu testen ob ich schon wach bin. Auch heute scheint bereits morgens um sieben die Sonne und so fällt das Aufwachen leicht. „Morgen!“ raune ich noch leicht verschlafen zurück. Wir haben heute ein anstrengender Tag vor uns, die Besichtigung der Eremitage mit dem Winterpalast. Ein absolutes „Muss“ in St. Petersburg. Doch durch Erfahrung weiß ich, dass Museumsbesuche zu den anstrengenden Aktivitäten im Urlaub gehört. Warum macht das Betrachten von Kunstwerken eigentlich mehr müde als der Spaziergang in einem Park?
Die Eremitage öffnet um 10:30 h und so haben wir reichlich Zeit für ein gutes Frühstück. Auch heute ist das Angebot reichlich. Das selbst-gebackene Brot krümelt ein wenig, doch der Geschmack ist ebenso lecker wie gestern.
Die Eremitage ist zu Fuß nur ca. 10 Minuten entfernt und kurz nach 10ººh machen wir uns auf den Weg.
Eremitage heißt „Einsiedelei“ und bezeichnete ursprünglich lediglich einige Räume Katharinas II in denen sie Kunstgegenstände sammelte und aufbewahrte. Diese schnell wachsende Sammlung ist heute eines der grössten und berühmtesten Museen der Welt.
Der Eingang zur Eremitage ist auf dem Schlossplatz und wir sehen schon von weitem die vielen Besucher. Gott sei Dank habe ich im Internet die Eintrittskarten gekauft. So brauchen wir diese online Buchung lediglich an einem Schalter gegen ein Ticket eintauschen.
Doch wo ist dieser Schalter? Auf der Buchung steht: links in der Eingangshalle. Ich sehe leider jedoch keinen Schalter und auch kein Hinweisschild. Vielleicht im Innenhof? Nein, hier auch nicht! Das sind alles Verkaufskassen mit entsprechend langen Menschenschlangen. Soweit zumindest hat das Internet recht- lange Wartezeiten für die Eintrittskarten. Doch wo müssen wir uns anstellen? Wir sind nicht die einzigen, die sich suchend umsehen. Ich sprechen eine junge Frau an, sie ist aus Spanien und so ist zumindest die Verständigung kein Problem. „Keine Ahnung“ erklärt sie mir. „Ich suche auch schon eine Weile.“ Merkwürdig! Doch als wir zurück in die Eingangshalle gehen entdecke ich ein kleines Schild: Internet! Es gibt zwei Warteschlangen und beide führen je zu einem Schalter. Das muss es sein. Was haben denn die anderen Leute in der Hand? Ja, es ist auch so ein Papier wie wir es haben. Und das soll nun schneller gehen als an der Kasse? Den Eindruck habe ich nicht unbedingt, es geht recht schleppend vorwärts. Doch wer weiß wie es an der Kasse ist! Hinter mir steht eine ältere Frau, sie trägt ein Kopftuch und ich würde mal darauf tippen, dass sie ihre Sonntagskleidung trägt. Sie macht auf mich den Eindruck einer Frau vom Lande, vielleicht erfüllt sie sich mit dem Besuch in St.Petersburg einen jahrelangen Traum. Doch leider kann sie sich mit keinem in der Schlange verständigen, da die meisten ausländische Touristen sind. Sie möchte bestimmt wissen, ob sie in der richtigen Schlange steht. Ich zeige ihr meine Internet-Buchung, zeige auf das Wort Internet. Doch sie hat offensichtlich keine Ahnung was ich meine. Verunsichert bleibt sie stehen und wartet geduldig bis sie an der Reihe ist. Als sie endlich den Schalter erreicht erfährt sie, dass sie hier kein Ticket kaufen kann. Oh weh! Der Frust und das Unverständnis ist ihr deutlich anzusehen. Kopfschüttelnd geht sie in den Innenhof, schaut sich die Menschenschlangen an den Kassen an und verlässt die Eremitage. Die Arme, ich schätze sie auf einiges über 80 Jahre und das Stehen ist ihr sicherlich schwer gefallen. Bei so vielen Menschen wäre es sicherlich hilfreich bessere Information zu geben. Vielleicht ein Mitarbeiter, der den Menschen die richtige Warteschlange zeigt?
Endlich sind wir an der Reihe, bekommen unsere Eintrittskarten und dürfen die Eremitage betreten. Am Eingang erhalten wir einen Plan mit einer genauen Wegbeschreibung wo was zu sehen ist, allerdings auf russisch. Gibt es hier keinen Plan auf deutsch, englisch oder spanisch? „Nijet“ lächelt mich die Dame freundlich an. Heute nicht, es gibt nur noch russische. Na gut, wir werden uns schon zurecht finden. „Möchten sie einen Führer?“ fragt eine junge Frau. „Ich zeige und erkläre ihnen alles in drei Stunden auf deutsch.“ In drei Stunden? Flitzt die mit uns im Galopp durch die Hallen? Und was soll das denn kosten? „Pro Person 60,00 Euro“ erklärt mir die Reiseleiterin. Pro Person? Erklärt sie denn auch zwei mal? Doch das frage ich jetzt nicht, denn eigentlich habe ich kein Interesse. Selbst wenn ich ohne Führung vermutlich weniger sehe und erfahre, ich möchte die Eremitage in Ruhe genießen. Egal wie lange es dauert. Die gesamten Kunstschätze sind an einem Tag nicht zu besichtigen, nicht mit und nicht ohne Führung. Wir werden einfach versuchen zu sehen was möglich ist.
„Zeig mal den Plan“ fordere ich Edith auf und versuche mich mit den kyrillischen Schriftzeichen zu befreunden. „Flämische Kunst“ schlage ich vor „lass uns mal danach suchen.“
Wir landen als erstes in der Abteilung für Altertum und Kaukasus. Na ja, macht nichts. Auch interessant. Von dort arbeiten wir uns in die oberen Stockwerke vor und hier kommen wir der Sache schon näher.
Doch nicht nur Gemälde der unterschiedlichen Epochen und Künstler sind in der Eremitage zu besichtigen. Es sind auch die Räumlichkeiten selbst, jeder Saal ist ein Kunstwerk. In prunkvollem Gold, mit riesigen Deckengemälden und kunstvollem Mobiliar geschmückt – ich weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll. Eines der Highlights ist der kleine Thronsaal, dessen Wand mit weinrotem silberbesticktem Samt bespannt ist. Ein weiterer Raum ist der Wappensaal an dessen riesigen Kronleuchtern die Wappen der Zarenzeit zu sehen sind.
Der Weg führt uns von hier zu der Galerie der Helden in der 330 Porträts russischer Helden des Krieges gegen Napoleon abgebildet sind. Diese Helden haben meine Aufmerksamkeit für eine längere Zeit. Nicht wegen ihres Heldentums, sondern ganz banal wegen der Sitzbank die in diesem Raum steht. Ich wusste es ja, der Besuch in einem Museum macht müde.
Eine Weile später geht es weiter, in den großen Thronsaal, der ganz in weiß und gold gehalten ist. Das Muster im Parkett wiederholt den Deckenschmuck, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Es fehlt auf dem Boden der Doppeladler, denn niemand soll das Wappen Russlands mit den Füssen treten.
Die Eremitage ist mehr als nur beeindruckend und leider wirklich nicht an einem Tag zu besichtigen. Wir sind nach der Beutekunst bei der flämischen Kunst gelandet. Unsere Füsse schmerzen und meine Augen sind müde. Ich glaube, inzwischen sind meine Augen nicht mehr rund, sondern viereckig. In Bilder-Rahmen-Form! Und es nimmt kein Ende! Die Kunstschätze scheinen unendlich, welch eine Sammlung.
Unsere Besichtigung, die mit bestimmten Kunstwerken begonnen hat, reduziert sich allmählich auf die Suche nach Sitzbänken. Meine Aufmerksamkeit und ich- wir sind beide erschöpft. „Ich brauche dringend etwas zum trinken“ erkläre ich Edith, denn ich habe das Gefühl mit klebt die Zunge am Gaumen. „Oh ja!“ stimmt Edith zu. „Eine sehr gute Idee!“ Müde und abgekämpft machen wir uns auf die Suche nach dem Museums-Cafe. Als wir die imposante Jordantreppe erreichen, können wir bereits den Kaffee- Duft wahrnehmen. Trotzdem betrachten wir uns eingehend diese Prunktreppe mit ihrem vergoldetem Stuck, Skulpturen und dem riesigen Deckengemälde. Diese Treppe schritt der Zar alljährlich am 6. Januar hinab zur Newa um symbolisch der Taufe Christi im Jordan zu gedenken.
Im Cafe ist Hochbetrieb und ich bin froh, als ich mich mit meinem Wasser in eine ruhige Ecke setzen kann. „Ist noch irgendwas bestimmtes was du sehen möchtest?“ frage ich Edith. „Naja“ gibt sie erstaunlich munter zurück. Was meint sie mit Naja? Ist sie denn nicht müde? „Warum? Bist du denn müde?“ möchte sie von mir wissen. Na toll! Das ist Kondition! „Also ich denke wir habe das Wichtigste gesehen“ erkläre ich ausweichend. „Oder möchtest du noch mehr Bilder ansehen?“ frage ich nach. „Dazu müssen wir wieder die ganzen Treppen hoch!“ setze ich noch hinterher. Edith schaut mich ein wenig zweifelnd an und meint: „Also nur wegen mir müssen wir nicht“. Na, dann ist ja alles klar!
Zum Abschluss besichtigen wir noch den ebenerdig liegenden prähistorischen Teil und verabschieden uns damit von der Eremitage. Ein Besuch, der sicherlich jedem unvergessen bleibt. Es ist inzwischen später Nachmittag und wir machen uns auf den Rückweg zu unserem Hotel. „Lass uns heute Abend in das hübsche georgische Restaurant gehen“ schlage ich vor. Wir haben es gestern Abend entdeckt, nicht weit vom Hotel entfernt und es sieht sehr gemütlich aus.
Doch zuerst gönnen wir uns eine Pause! Im Hotel angekommen ziehen wir unsere Schuhe aus und halten eine verspätete Siesta. Das tut gut, Schuhe aus und Füsse hoch! So kann ich es erst mal bis zum Abendessen aushalten.
Doch mit unserem Besuch im nahe gelegenen georgischen Lokal wird es leider nichts. Ausgebucht! „Es sind heute Abend alle Tische besetzt“ teilt uns die junge Frau mit. Warum lächelt sie bei dieser Mittelung? Sie könnte wenigstens einen zerknirschten Eindruck machen und nicht tönen als hätten wir im Lotto gewonnen. „Es ist immer besser, wenn Sie einen Tisch reservieren“ erklärt sie uns fröhlich. Warum hat sie mir das nicht schon gestern gesagt? Wir waren doch hier und haben ihr gesagt, dass wir heute gerne kommen möchten. Nein, eine verbindliche Vorbuchung war es nicht, das stimmt. Aber sie hätte uns doch darauf hinweisen können, oder?
Auf jeden Fall ist nichts zu ändern, heute Abend gibt es kein georgisches Essen. Da wir nicht weit gehen möchten fragen wir im Hotel und bekommen die Empfehlung eines sehr nahe gelegenen russischen Restaurants. Es befindet sich nicht weit von der Kirche der Auferstehung, wir brauchen nicht einmal den Kanal zu überqueren.
Eine Treppe führt in das Kellerlokal und hier können wir so richtig gut entspannen. Das Essen ist hervorragend, die Bedienung freundlich und wir sind am Ende des Abends rund herum zufrieden. „Sehr lecker“ schwärme ich Edith vor. Vor allem die Vorspeise. Pelmeni, eine gefüllte Teigtasche die unseren Maultaschen ein wenig ähnelt. Es gibt Pelmeni gefüllt mit Fleisch oder, wie wir uns heute bestellt haben, mit Sauerkirschen. Abgerundet haben wir unser Menü mit einem Weißwein. Einziger Negativ-Punkt ist das Wasser. Eine kleine Flasche Wasser gegen den ersten Durst und sie ist fast so teuer wie der Wein. Ob da ein Irrtum vorliegt? Nein, versichert mir der Kellner. Es ist kein Irrtum sondern ein italienisches Edelwässerchen. Italienisches Wasser? In St. Petersburg? Gibt es kein anderes? „Doch“ bekomme ich erklärt „wir haben auch französisches Wasser. Das ist allerdings noch teurer.“ Ach- es gibt kein russisches Wasser? Nein, das ist bei den Kunden nicht gefragt. Ich habe jedoch Recht, meint der freundliche Kellner, es sei schon ein wenig unsinnig. Aber er habe da nicht zu entscheiden. Tja, da wundert mich nicht, dass in Russland angeblich so viel Wodka getrunken wird! Bei den Wasserpreisen!
Mit dieser Erfahrung gehen wir noch auf einen Absacker in die Hotelbar, natürlich auf ein Glas Wein. Das mit dem Wasser lassen wir lieber. So eine gute Entschuldigung für Alkohol hatte ich ja noch nie!
Für morgen früh haben wir uns nochmal mit unserem Fahrer Artur verabredet. Wir möchten zu dem etwas außerhalb gelegenen Peterhof, einer der sehenswertesten Vororte von St. Petersburg. Bekannt ist diese Sommerresidenz am finnischen Meerbusen für ihre Wasserspiele. Hoffentlich haben wir auch morgen auf unserem Ausflug wieder so schönes Wetter wie die letzten Tage. Verdient haben wir es uns bestimmt!
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