Frühling an der Donau, 1.Teil
Eine Radtour um den Göttweiger Berg: von Krems nach Paudorf
Seit dem Jahr 2000 weiß es die ganze Welt, was sie an dem Land an der Donau hat. 36 Donaukilometer, von Melk nach Krems, die Klöster Melk, Göttweig und die Altstadt von Krems umfasst das UNESCO Welterbe: „Kulturlandschaft Wachau“. Das zwischenstaatliche „World Heritage Committee“ stellte mit seiner Entscheidung die Wachau in ihrer kulturellen Bedeutung auf eine Ebene mit den Pyrymiden von Gizeh in Ägypten, dem Taj Mahal in Indien oder der Inka-Bergfestung Machu Picchu in Peru.
Von Krems nach Stein
Die Idee ist großartig: An einem der ersten warmen Frühlingstage einfach aufs Rad steigen und in den Frühling hineinfahren. Wahrscheinlich das beste Mittel, um die letzten Winterdepressionen abzuschütteln und dabei alles auf einmal zu erleben: die aufblühende Natur und eine imponierende Kultur.
Krems ist das Ost-Tor zur Wachau. Und in dieser Stadt beginnt unsere Radfahrt rund um den Göttweiger Berg, eine Strecke, auf der uns zweitausend Jahre Geschichte begegnen, auf der wir eine anmutige Landschaft erleben, und auf der wir auch die edlen Tropfen der Winzer probieren können. Unsere Strecke ist eine Variante der Rundtour: „Vinum Circa Montem“ – „Der Wein rund um dem Berg“.
Wo in Krems beginnt man, und wo beendet man eine so reizvolle Tour? Am besten auf dem Südtiroler Platz vor dem Steiner Tor, dem Wahrzeichen von Krems. Das Tor war Teil der Stadtmauer und wurde 2005, anlässlich der 700-Jahrfeier der Stadterhebung, sorgfältig restauriert. An dem Tor kann man den Wahlspruch der Habsburger lesen. Kaiser Friedrich III. übergab den Kremsern 1463 das Wappen mit dem Spruch „A.E.I.O.U.“ – „Austria Est Imperare Orbi Universo“, ist nur eine von vielen Erklärungen dieser Abkürzung.
Krems ist eigentlich eine Doppelstadt: Sie besteht aus Krems und im Westen schließt ohne Unterbrechung die Stadt Stein an. 1849 wurden die beiden Städte getrennt und erst 1938 wieder zusammengeführt. Heute ist Stein ein Ortsteil der Stadt Krems. Man weiß allerdings nicht, welchen der beiden Orte man bevorzugen soll, beide besitzen wahre architektonische Schätze. Wir könen in Stein mit dem Rad die gesamte, in Ost-Westrichtung verlaufende, Steiner Landstraße durchfahren, mit dem Kremser Tor im Osten und dem Linzer Tor im Westen. Dazwischen liegen ein einmaliges Ensemble alter Häuser und ein besonderes Baujuwel: der Minoritenplatz mit dem Kloster und der Minoritenkirche, beide bieten heute einen attraktiven Rahmen für Kunstausstellungen.
Römer und Nibelungen
Unmittelbar nach dem Linzer Tor fahren wir über die mehr als hundert Jahre alte Stahlbrücke, sie ist noch in Niettechnik ausgeführt, hinüber nach Mautern. Die Brücke begeistert mit ihrer zeitlosen Ästethik und technischen Perfektion, sie führt uns hinüber aufs rechte Donauufer, von dem barocken Ort Stein nach dem bis in die Römerzeit zurückreichenden Mautern. – Dieses alte Brückenbauwerk läßt Bilder aus der Geschichte aufertstehen, schafft Sensibilität für vergangene Epochen und stimmt den Reisenden auf das römische Favianis ein, so hieß das befestigte Lager der Römer am Ort des heutigen Mauterns, und geleitet ihn hinein in die Sagenwelt dieser Landschaft.
Im Nibelungenlied ist Mutaren, so heißt Mautern in der Sage, eine Raststätte Kriemhilds, als sie mit ihrem Tross von fünfhundert Kriegern vom Rhein nach Osten zieht, um den Hunnenkönig Etzel zu ehelichen. Der Markgraf Rüdiger von Bechelaren (Pöchlarn) ist ihr wichtigster Begleiter, und der Onkel Kriemhilds, der Bischof Pilgrim von Passau, verabschiedet sich in Mutaren von ihr, wohl deshalb, weil es der letzte sichere Stützpunkt des Bistums Passau ist, und von nun an das „Ausland“ für den Bischof beginnt. Der historische Kern des Nibelungenliedes geht zurück bis zur germanischen Völkerwanderung und zu der Vernichtung des Reichs der Burgunden um 436 durch die Römer und Hunnen; die Dichtung entstand Anfang des 13. Jahrhunderts in mittelhochdeutscher Sprache. Das Donautal ist einer der Schauplätze der Dichtung. Auf der Durchreise kommen alle Hauptdarsteller hier vorrüber: zuerst Kriemhild, als sie zu ihrem zukünftigen Gatten unterwegs ist, und später das Nibelungenheer, als es zum Hof König Etzels nach Gran, dem heutigen Esztergom, marschierte. Tausend Ritter samt neuntausend Kriegsknechten unter König Giselher und seinem Gefolgsmann Hagen von Tronje ziehen entlang der Donau nach Osten. Von den Nibelungen kehrt keiner zurück, es ist ein Ritt in den Untergang. „Kriemhilds Rache“ heißt dieser Teil der Sage, und Kriemhild spielt in diesem Heldenepos aus dem Mittelalter unter all den männlichen Heldenfiguren die dominante Rolle, sie zieht die Fäden und kommt dabei selbst um, – so berichtet das Nibelungenlied.
Von Mautern nach Klein Wien
In Mautern sind wir im südwestlichen Viertel von Niederösterreich, dem Mostviertel, angelangt; Krems-Stein gehört noch zum Waldviertel. Übrigens, Mautern liegt am Stromkilometer 2 003,6, das heißt, dass es noch über zweitausend Kilometer bis zur Mündung ins Schwarze Meer sind, denn bei der Donau werden die Stromkilometer von der Mündung weg gezählt. Insgesamt sind es 2 865 Kilometer vom Beginn der Donau bis zur Mündung ins Meer. Der Ursprung ist gar keine richtige Quelle, sondern eine Namensgebung, ab dem Zusammenfluss von Breg und Brigach bei Donaueschingen in Baden Würtenberg, nennt man das dort noch schmale Gewässer: Donau.
Wir fahren Richtung Süden nach Furth bei Göttweig, aber nicht auf der Landeshauptstraße LH100, die nach St.Pölten führt, sondern auf einer Nebenstraße, in Richtung Steinaweg. Kurz nach Mautern geht es nach rechts einen Hügel hinauf, bis zu einem Marterl am rechten Straßenrand. Hier heroben liegen uns im Norden Krems, Stein, Mautern und die Donau zu Füßen, wir stehen inmitten grünender Felder und Weingärten, ganz nahe, in südöstlicher Richtung liegt der Weinhauerort Furth – und südlich, hoch oben, über zweihundert Meter höher, der Göttweiger Berg mit dem Stift Göttweig. Frühling an der Donau – hier oben spürt man dann soetwas wie Befriedigung , dass man an diesem sonnigen Tag in dieser malerischen Landschaft unterwegs ist.
Ein schmaler Fahrweg nach links, der Zellergraben, führt uns direkt hinein nach Furth. Den Ort: dominiert die barocke Pfarrkirche; ihre Geschichte läßt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Entwurf des Turms stammt von Johann Lucas von Hildebrandt, einem der bedeutendsten Baumeister des Barocks. Eine Besonderheit sind die zwei Straßentunnel, die direkt unter der Kirche hindurchführen.
Wir fahren weiter nach Aigen, dann nach Steinaweg und benutzen ab hier den VCM-Radweg – die Route „Vinum Circa Montem“. Zwischen dem Göttweiger Berg und dem Waxenberg, entlang des Fladnitzbachs, bringt uns die Straße nach Klein Wien. Der Name deutet auf einen ehemaligen Kirchenbesitz hin, er kommt aus dem Althochdeutschen „Wihen“, was soviel wie „Weihen“ heißt. Sonst gibt es von hier nicht viel zu berichten – oder doch?
Durch das Tal des Fladnitzbaches
Eine schmale Seitenstraße überquert die Gleise der Bahnstrecke von Krems nach St.Pölten, die Bahnhaltestelle Klein Wien liegt gleich neben dem Bahnübergang, und unmittelbar dahinter ein großer, einladender Gastgarten mit hohen alten Kastanienbäumen und einem abgestellten Eisenbahnwaggon. Gleich daneben ein lichter, luftiger Wintergarten mit gemütlichen Tischen, ein Traditionsgasthaus: der Landgasthof Schickh. Wahrscheinlich ist es das einzige Wirtshaus, das einen eigenen Bahnhof besitzt: Nur wenige Schritte vom Eingang enfernt befindet sich die Station Klein Wien der Bahnstrecke St.Pölten-Krems, auf der pro Tag nicht sehr viele Züge verkehren. Den Gast stört es nicht, wenn da während des Essens ein Zug stehen bleibt und sich nach einem kurzen Halt wieder langsam in Bewegung setzt; es gehört zur Idylle dieses Gasthofs dazu. Und zu welchem Wirtshaus kann man schon mit einer nostalgischen Eisenbahn anreisen ?
Das enge Tal zwischen Göttweiger Berg im Osten und dem Waxenberg im Westen ist gerade so breit, dass der Fladnitzbach, die Schienen der eingleisigen Bahnstrecke und die schmale Straße Platz finden. Es ist nicht viel Autoverkehr auf dieser Straße, und so erreicht der Radfahrer ohne Stress nach kurzer Fahrt Paudorf an der LH100, die Krems und St.Pölten verbindet.
Franz Haslinger, im Mai 2010
copyright©franz.haslinger@gmx.net
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