Hausboot auf dem Canal du Midi
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Da lehnt er genüsslich am Geländer des Schleusentores und quatscht und quatscht … mit einer zugegeben sehr passablen Brünetten. Ich drehe derweil mit dem Hausboot den dritten Kringel in der Rundschleuse von Agde, die sowieso nicht zu den ganz einfachen Schleusen gehört. Aber der Typ sieht partout nicht mich, sondern nur in die Augen seiner schönen Gegenüber. Gut, dass die Penichette so handlich ist, wie im Prospekt beschrieben. Darin stand allerdings nichts über die Eigenheiten der diversen Schleusenwärter. Dabei ist dies augenscheinlich einer der schönsten Berufe der Welt – und schon deswegen lohnt sich die Hausbootfahrt auf dem Canal du Midi. So wie die Bootsfahrt uns entschleunigt, so gelassen begegnen uns auch die Menschen am Ufer und speziell die Hüter der Schleusen. Die haben schon manchen Touristen verzweifelt mit den Halteseilen kämpfen sehen, wissen: Die Freizeitkapitäne mit den dicksten Pötten und der weißesten Mütze kommen garantiert nicht ohne Beulen in den Heimathafen. Manchmal sind sie schlecht gelaunt und lassen das Wasser schneller als notwendig ins Becken. Meistens aber winken sie freundlich, helfen ab und an. So, dass man nicht übel Lust hätte, auszusteigen und einen Petit Rouge zu trinken, über das Baby zu sprechen, das die Frau erwartet, über die Tochter, die in den Ferien an der Schleuse hilft, aber was anderes lernen soll – so lange, bis man wieder auf dem Boden der Tatsachen und des Kanals angekommen ist. Denn Fakt ist: An Bord ist man in den Schleusen Sklave seiner Begleitung, meist des besten aller Ehemänner. Der natürlich auch eine virtuelle weiße Mütze auf und die Hand am Steuer hat. Und steif und fest behauptet, dass der Kapitän nie, niemals! das Schiff verlässt. Heißt auf bootsdeutsch: ich darf rennen, klettern, von Bord springen, die Finger am Seil klemmen, Tauen nachhechten… Da hilft dann oft doch der Mitleid heischende Blick zum Schleusenwärter…
Aber allen Ernstes: Nach der zweiten Schleuse ist das Anlegen, Ablegen, Festzurren lässiges Tagesgeschäft. Und dazwischen entfaltet der Canal du Midi seinen ganzen frühlingshaften Charme: gelbe Lilien wachsen am Ufer, die Pferde der Carmargue weiden am Rand. Hier taucht das Boot ein in die schattigen Plätzchen unter dem Blätterdach einer Pappelallee, dort öffnet sich der Blick auf Felder und Wiesen. Mohnblumen und Distelblüten säumen den Weg des Wassers, Eisvögel tauchen auf. Viadukte bremsen die Sicht, der l’Etang De Thau weitet den Blick. Ein flirrendes Spiel von Sonne und Schatten; die Ufer an denen wir für ein schläfriges Mittagpäuschen festmachen, sind für manchen Aussteiger zur festen Adresse geworden. Die Abende in den kleinen Häfen, die Nächte an Bord, in denen uns leise Wellen in den Schlaf schaukeln, die frischen Croissants beim Bäcker um die Ecke geholt, die wundervollen Speisen und Getränke links und rechts der Kanalstrecke, das Bummeln durch immer neue pittoreske kleine Städtchen – das hebt nicht nur die Ferienlaune des besten aller Ehemänner. Heute lassen wir das Treiben im Hafen von Marseillan auf uns wirken. Hier holt der Papa sonntags nicht den Benz, sondern das Boot aus der Garage. Schwelgen in Austern und Meeresfrüchten – im L’Etang du Thau immerhin, diesem weitläufigen Salzwassersee auf unserer Strecke, werden im Jahr über 20.000 Tonnen Austern und Muscheln gezüchtet. Morgen wundern wir uns über Beziers, das die Touristen, die auf dem Wasserweg anreisen, so weit außen vor lässt. Immerhin: der Autobus ist eine gute Erfindung, um dann doch noch die Stadt auf dem Hügel zu entdecken und in Le Patio, einem Zufallstreffer, handgeschabtes Tartar und Feigenkuchen zu genießen. Auf der Rückfahrt stoppen wir in Mèze – und bleiben gleich zwei sonnendurchtränkte Tage und laue Nächte.
Und nach diesen acht Tagen stellen wir fest: Wir haben nur einen winzigen Ausschnitt gesehen, sind maximal erholt. Die letzte Schleuse , la troisième ecluse vor dem Hafen von Lattes, meistern wir mit Links – und tauschen mit Bedauern den Kanal gegen festen Boden unter den Füßen ein.
Tipp:
Reisen Sie im Frühling, Ende April bis Mitte Mai: Dann sind die Preise für die Hausboote erschwinglich und sie müssen Kanal, Häfen und Schleusen nicht mit vielen Touristen teilen.
Nehmen Sie sich nicht zuviel Strecke vor – den Flair des Hausboot-Fahrens macht die Gelassenheit aus und die spontanen Entscheidungen: Die beschriebene Strecke von Lattes nach Beziers und zurück in einer Woche ist reell.
Das Navigieren an Bord mit der entsprechenden Karte ist auch für Anfänger machbar. Achten Sie auf Beschilderungen und Hinweise (z.B. ist die Ziehbrücke in Frontignan nur dreimal täglich passierbar)
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