Hongkong – Stadtrundfahrt durch die ehemalige britische Kronkolonie
Dienstag
Als ich erwache fühle ich mich rundum ausgeschlafen und gesund. Wir können also starten und Hongkong erobern. „Am besten wir fahren heute mit dem Sightseeing-Bus“ schlage ich Edith vor. Mit diesem „Hop-on and off“- System habe ich schon bei vielen Stadtbesichtigungen gute Erfahrung gemacht. Informationsbroschüren liegen hier im Zimmer und die Abfahrt der Busse ist am Star Ferry Pier.
Doch zuerst möchten wir frühstücken gehen, so sind wir besser für den Tag gerüstet. „Was macht eigentlich deine Erkältung?“ möchte Edith wissen. Gut, es geht mir Gott sei Dank entschieden besser als gestern Abend. Es war die richtige Entscheidung früh ins Bett zu gehen.
Auf der Straße schauen wir uns nach einem geeigneten Frühstückslokal um, doch das ist nicht so einfach. So ein Frühstück mit Toast, ein wenig Marmelade und Tee können wir nirgendwo entdecken. „Spiegeleier wären auch o.k.“ erklärt Edith hoffnungsvoll. Doch nein, die Angebote liegen bei Suppen, Reis oder andere warme und unbekannte Gerichte. Nachdem wir einen gesamten Häuserblock abgesucht haben, entscheiden wir uns für eines der vielen Lokale und hoffen das Beste. Ja, es gibt Toast mit Käse, das ist ja schon einmal etwas und Edith bekommt ein Rührei mit Toast. Dazu bestellen wir uns Tee. „Green Tea?“ zwitschert die Kellnerin freundlich. Nein, den hatten wir jetzt oft genug, lieber schwarzen Tee. Als die Tassen kommen bin ich mir sicher,dass ist eine Verwechslung. Wir wollten Tee, keinen schwarzen Kaffee. Ein wenig irritiert nimmt die junge Frau den vermeintlichen Kaffee mit, um kurz darauf ein neues schwarzes Gebräu auf den Tisch zu stellen. „TEA!!! Black tea! “ sagt sie mit fester Stimme. Tee? Wie schafft man es Tee so kohlrabenschwarz zu brauen? Also das sieht gar nicht gut aus. Kein Wunder, dass die Chinesen bei ihrem grünen Tee oder dem heißen Wasser bleiben.
Wir lösen dieses Rätsel, als wir wieder zu Hause sind. Dieser Tee wird aus der Frucht des Teestrauches gewonnen. Es ist eine Frucht, die auf den ersten Blick einer Kiwi ähnelt. Wir haben so eine Frucht in Guilin gekauft und bei der Teeprobe zu hause schaffen auch wir es so schwarzen Tee wie in Hongkong herzustellen.
Halbwegs gestärkt suchen wir uns ein Taxi zum Ferry Star Pier und bereits 20 Minuten später stehen wir vor dem Ticketschalter. Es gibt Tickets für einen oder zwei Tage, doch da wir nur drei Tage in Hongkong sind entscheiden wir uns für ein 24 Stunden Ticket.
Nun kann unsere Big Bus-Tour starten. Zuerst geht es durch die Straßen Hongkongs zurück in Richtung Wan Chai. Sie führt uns vorbei am Hongkong Convention & Exhibition Center. An großen Hotels wie das Hyatt und das Park Lane Hotel und dem bekannten Shopping Center Bay Sogo. Für heute fahren wir an diesen Haltepunkten vorbei, es ist nicht weit von unserm Hotel und wir können auch noch morgen oder übermorgen die Einkaufszentren besuchen.
Unser erstes Ziel auf der Rundfahrt ist die Peak Tram. Diese 1888 errichtete Zahnradbahn fährt hinauf bis zu der 380 Meter hoch gelegenen Bergstation. Ruckelnd kämpft sich die Bahn den steilen Hang hinauf und etwa 10 Minuten später sind wir an unserem Ziel. Früher, vor dem Bau der Bahn, haben sich die Reichen auf Sänften hier hinauf tragen lassen. Doch wir möchten noch höher hinauf und gehen durch die Peak Gallery bis zur Aussichtsterrasse.
Von hier soll die Aussicht auf Hongkong Island und Kowloon atemberaubend sein, vor allem bei Nacht. Doch es ist wie auch in den anderen Orten auf dieser Reise, die Fernsicht ist trüb, verhangen und dunstig. Doch wir haben Fantasie und ich versuche mir einfach vorzustellen, wie es von hier oben bei klarem Wetter aussieht. Ob es hier überhaupt klares Wetter gibt? Vielleicht im Winter? Oder ist es so wie in Jordanien an dem Aussichtspunkt auf das gelobte Land? Da erklärte mir der Taxifahrer, so richtig klar ist es eigentlich nur morgens um vier. Das hätte mit den Temperaturen zu tun.
Wir trennen uns jedenfalls von diesem Panorama und schlendern durch das Einkaufszentrum. Hier finden wir alles, von Bekleidungsgeschäften, Geldautomaten, Restaurants und Eisdielen. Wir lassen uns verführen und bestellen uns jeder eine Tüte mit einer Kugel italienischem Eis. Lecker sieht das aus. Doch der Preis ist gesalzen, fünf Euro für eine Eiskugel! Da kommen selbst die Preise in Spanien nicht mit. Das teuerste Eis in meinem Leben –zumindest bis heute!
Als Abschluss unseres Besuches auf dem Peak gehen wir in Madame Tussauds –Wachsfigurenkabinett. Hier treffen wir auf bekannte Schauspieler, Politiker, Sportler und wer möchte kann sich gegen eine kleine Gebühr an Barak Obamas Schreibtisch setzen. Ich selbst genehmige mir lieber eine Tasse Tee und Frühstück mit Audrey Hepburn bei Tiffanys. Und anschließend ein kurzer Plausch mit Mahatma Ghandi,während Edith sich auf einen Boxkampf mit Cassius Clay einlässt.
Wieder unten angekommen wechseln wir die Busroute und lassen uns mit der grünen Linie nach Stanley Beach bringen. Es geht die Ocean Park Road entlang mit Blick auf das Meer, großzügig gebaute Wohnanlagen und Strände mit weißem Sand. „Oh, hier ist es aber schön“ stellt Edith absolut richtig fest. Es ist ein anderes Hongkong, als was wir bisher gesehen haben. In Stanley angekommen steigen wir aus und machen einen kleinen Spaziergang durch diesen Ort an der Südküste Hongkongs. Es ist ein beliebter Wohnort von Ausländern und das touristische Angebot ist ausgeprägt. Vor der Kolonialzeit war Stanley ein bekannter Treffpunkt für Piraten und Schmuggler und hieß damals Chek Chue, was auf deutsch Räuberlager bedeutet.
Als ich auf die Uhr schaue kann ich es kaum glauben, es ist bereits 3ººh am Nachmittag. Wo ist die Zeit geblieben? Zu Ediths großem Bedauern dränge ich darauf, den nächsten Bus zu nehmen und zurück in das Zentrum zu fahren, schließlich haben wir erst einen kleinen Teil dieser riesigen Stadt gesehen.
Unser nächster Halt ist einer der bekanntesten Punkte und Touristenmagneten in Hongkong. Aberdeen! Der Name, der in mir die Vorstellung von Hausbooten, alten chinesischen Dschunken und schwimmenden Restaurants wachruft.
Einst wurden von den Chinesen in diesem alten Fischereihafen Schiffe aus wohlriechendem Kampferholz gebaut. Daher stammt auch der Name Hongkong, was soviel wie duftender Hafen bedeutet.
In unsere Stadtrundfahrt ist die Fahrt auf einem Sampan-Boot durch den Hafen von Aberdeen eingeschlossen. Mit tuckerndem Motor geht es los und gespannt halte ich nach den vielen schwimmenden Wohnstätten Ausschau. Doch die Dschunkenstadt gehört inzwischen der Vergangenheit an. Der Jachthafen wurde ausgebaut, Hochhäuser ragen am Ufer auf und unsere Bootsführerin zeigt stolz auf eine handvoll Dschunken, die wohl noch aus alten Zeiten übrig sind. Wie ein Relikt liegen sie zwischen all den neuen und modernen Jachten.
„Floating Restaurant“ macht uns unsere Führerin aufmerksam und deutet auf ein mehrstöckiges Gebilde mitten im Wasser. Das soll eines der berühmten schwimmenden Restaurants sein? Sehr vertrauenerweckend sieht mir das aber nicht aus. Vielleicht nachts, wenn alles in den Glanz eines weichen und nicht zu hellen Lichtes getaucht ist. Aber so, in dem erbarmungslosen hellen Tageslicht, wirkt das Restaurant als habe es seine besten Tage längst hinter sich. Nun, das geht ja bekanntlich nicht nur den Restaurants so.
Unser weiblicher Kapitän macht von allen die es wünschen noch ein Foto und dreht dann wieder ab in Richtung Anlege- und Bushaltestelle. Fünf Minuten später ist unsere Sampan-Fahrt beendet und der nächste Bus wartet bereits auf die Zusteiger.
Die Sonne steht schon recht tief und da wir gerne noch mit der Fähre nach Kowloon möchten, entscheiden wir uns keinen weiteren Halt ein zu legen. Es sind alles Punkte, die wir morgen auch ohne Stadtrundfahrt erreichen können. Somit fahren wir vorbei am Mid-Levels Escalator, einer Aneinanderreihung von Rolltreppen über insgesamt 800 Meter. Dieses Verkehrsmittel befördert täglich ca. 35.000 Passagiere vom Central Markt bis hinauf zur Conduit Road.
Ein weiterer Punkt auf unserer Liste für morgen ist der Man Mo Tempel, ein historisches Gebäude und,laut meinem Knopf im Ohr mit Erklärungen, ein absolutes Muss in Hongkong.
Als wir eine Weile später am Pier 7 ankommen fängt es bereits an zu dämmern. „Wir fahren trotzdem hinüber“ erkläre ich Edith. „Wir machen einfach nur die Rundfahrt in Kowloon und an einem anderen Tag schauen wir uns die Dinge an, die sehenswert sind.“ So haben wir eine Orientierung und die Erklärungen über den Kopfhörer, wir sollten uns dies auf gar keinen Fall entgehen lassen.
Die Fähre ist gut besucht. Es sind Touristen sowie Pendler die von ihrem Arbeitsplatz nach Hause möchten. Junge Mädchen und Jung´s , die sich mit ihrem Smartphone beschäftigen sitzen neben Frauen mit vollen Einkaufstüten. Die Überfahrt vergeht rasch während wir auf beiden Seiten, Hongkong Island und Kowloon, die Wolkenkratzer bestaunen.
In Kowloon angekommen schauen wir nach der Haltestelle des hiesigen Busses. „Hinter dem Peninsula Hotel“ erinnere ich mich an die Aussage in der Big Bus Tours Informationszentrale.
Das Peninsula, eines der bekanntesten Hotels in Kowloon, ist einfach zu finden und nur ca. fünf Gehminuten entfernt. Hier, am Hinterausgang, stehen noch andere Urlauber die auf ihre Rundfahrt warten.
Dann ist es soweit, der Bus biegt um die Ecke, wir können einsteigen und die Rundfahrt beginnt. Es geht vorbei an berühmten Hotels, belebten Straßen und bunten Märkten. Der bekannteste Markt ist sicherlich der Ladies Market und der Tempel Street Night Market.
Viele Mitfahrer steigen an diesen beiden Punkten aus und machen sich auf den Weg um das bunte Angebot zu besichtigen. Doch Edith und ich sind müde, schließlich sind wir bereits seit heute morgen unterwegs. Die Füße sind schwer und ich habe das Gefühl meine Schuhe sind im Laufe des Tages geschrumpft. Nein, wir beide machen heute keinen unnötigen Schritt mehr sondern lassen uns im Bus durch das bereits nächtliche Kowloon fahren.
Am Peninsula Hotel steigen wir wieder aus und gehen mit schleppenden Schritten zur Fähre, wo wir uns erschöpft auf einen Sitzplatz fallen lassen. Warum ist eine Stadtbesichtigung immer anstrengender als andere Aktivitäten?
Zurück am Pier sieben gehen wir ein kleines Stück gerade aus und über eine Rolltreppe zur nächsten Metrostation. Von hier fährt eine Metro direkt bis Wan Chai Station, ganz in der Nähe unseres Hotels. „Wo sollen wir denn essen gehen?“ ist Edith´s berechtigte Frage. Nun, nicht zu weit! Nur keinen unnötigen Meter machen. Doch hier in der Umgebung haben wir heute morgen kein besonders einladendes Restaurant gesehen. Wieder im Hotel? Ich erinnere mich an die sehr hoch eingestellte Klimaanlage und schon bei dem Gedanken bekomme ich eine Gänsehaut. „Lass uns erst mal in den Supermarkt gehen und ein paar Flaschen Wasser kaufen“ schiebe ich diese schwere Entscheidung vor mir her.
Ein Stockwerk tiefer betreten wir einen kleinen Supermarkt und hier komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Was es hier alles gibt! Spanisches San Miguel Bier, holländischen Käse, französischer Brie, Obst und Edith entdeckt tatsächlich Löwenbräu-Oktoberfestbier. „Ohh, ein deutsches Bier!“ ruft sie erfreut aus. Es gibt Vollkorn-Toastbrot, eine große Auswahl an Weinsorten und alles was mein europäisches Herz in den letzten Wochen wohl ein wenig vermisst hat. „Weißt du was“ schlage ich Edith vor „lass uns Brot, Käse, Wein und Bier kaufen und im Zimmer essen!“ Edith ist skeptisch: „Das ist aber kein richtiges, knuspriges Brot!“ Doch mit dem Hinweis auf ein kaltes Löwenbräu schaffe ich es sie zu überreden. Schick! Und wir brauchen nicht mehr zu gehen, ich kann meine Schuhe ausziehen und die Klimaanlagen bleiben uns auch erspart.
Es ist ein fröhlicher Abend und beide sind wir überzeugt: in diesem Urlaub sind wir bestimmt schlank geworden! So oft wie wir das Essen vergessen haben! Und mit dem Gedanken an eine Traumfigur schlummere ich eine Weile später zufrieden ein.
„Morgen gehen wir aber wieder was essen“ murmelt Edith jedoch noch kurz bevor ihr die Augen zufallen. Ob ihr das lapprige Toastbrot vielleicht doch nicht so gut geschmeckt hat?
[…] Mein vorheriger Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/hongkong-stadtrundfahrt-durch-ehemalige-britische-kronkolonie/ […]