Indien Abenteuerreise, die Mogulgärten von Srinagar in Kaschmir
Samstag
Es ist erst fünf Uhr, als ich durch die Gebete eines Imans und seiner Gläubigen wach werde. Richtig! Mr. Butt Clermonts Hausboote liegen ganz in der Nähe der größten Moschee Srinagats. Das war gestern bei der Suche sehr hilfreich, doch alles hat zwei Seiten.
Nachdem Gabi auch wach geworden ist, stehen wir langsam auf und kaum sind wir angezogen kommt auch schon Sultan. „Was möchtet ihr frühstücken? Omlette? Müsli?“ Danke, aber ich möchte nur ein Toast mit ein wenig Marmelade, das reicht. „Gibt es Joghurt?“ fragt Gabi nach. Es ist zwar laut Sultan kein Joghurt vorrätig, aber das ist kein Problem. Kurz darauf bringt er uns alles nach Wunsch: Tee für mich, Kaffee für Gabi, Toast mit Marmelade und eine große Schale Joghurt.
Gestärkt machen wir uns auf den Weg, um zu schauen ob Prakash schon hier ist und ob er gestern eine Unterkunft gefunden hat. Als wir durch den Garten gehen, kommt Mr. Butt mit eiligen Schritten auf uns zu. „Good morning! Habt ihr gut geschlafen? Alles in Ordnung?“ Heute bin ich jedoch auf seine Begrüßung vorbereitet und schaffe es Abstand zu halten, bevor er mich wieder an seine Brust reißt. „Was werdet ihr heute machen? Ich habe Prakash gesagt, er soll nicht mit euch ins Zentrum. Aber ihr seid bei ihm in guten Händen. Ein sehr netter Mann, ich habe mich gestern lange mit ihm unterhalten.“ Inzwischen sind wir beim Auto und dem wartenden Prakash angekommen. Mr. Butt wünscht uns einen schönen Tag und verabschiedet uns: „Kommt ihr zum Mittagessen? Dann könnt ihr ja auch gleich meinen kleinen Laden mit Papyrus anschauen!“ Zum Mittagessen werden wir vermutlich nicht da sein und den Papyrus laden schaue ich mir morgen an.
Prakash macht einen sehr ausgeruhten Eindruck. „Wo hast du geschlafen? Hast du eine gute Unterkunft gefunden?“ frage ich ihn. Prakash strahlt mich an: „Ich kann in Mr. Butts Büro übernachten. Er hat darin ein Schlafsofa und ich habe das ganze Büro für mich.“ Das ist aber nett ! Vielleicht hätte ich mich doch noch mal an sein Herz ziehen lassen sollen?
Wir beginnen unsere Tour durch die Mogulgärten von Srinagar mit dem ältesten Garten, der Nasim Bagh. Er wurde gebaut zur Zeit Akbars, der damals 1200 Bäume pflanzen ließ. Es ist angenehm kühl hier und wir bewundern den gepflegten Park mit seinen kunstvollen Wasserspielen.
Einer der Gärtner kommt auf uns zu und überreicht Gabi und mir jeweils eine Blume. Nett, allerdings möchte er dafür einen Bakschisch. Wir schauen nach ein wenig Kleingeld und geben ihm ein kleines Dankeschön. Nur hat dieser Garten viele Gärtner und alle kommen sie mit einer der kleinen orangefarbenen Blumen. Was sollen wir mit den ganzen Blüten? Wir lehnen dankend ab, wir möchten keine weiteren Blumen mehr. Da auch die Gärtner sich bei der Arbeit keine Blüten hinter die Ohren stecken möchten, bekommt Prakash eine ganze Blütensammlung in die Brusttasche seines Hemdes. Doch nach einer Weile hat sich unter den Angestellten des Parks herumgesprochen, dass wir keinen Blumenstrauß möchten.
Der nächste der Mogulgärten ist der Nishat Bagh, der 1633 erbaut wurde und eine fantastische Lage zwischen Dal See und den Bergen hat. Mit seinen zwölf Terrassen ist er der größte der Mogulgärten. Erbaut wurde der Garten von dem Bruder von Nur Jahan und dies machte ihren Ehemann so eifersüchtig, dass er die Wasserversorgung unterbrechen ließ. Seinen Kopf riskierend, reparierte jedoch der Gärtner die Anlage. Da der Kaiser jedoch Blumen liebte, blieb der Gärtner von einer Strafe verschont.
An diesem heißen August Nachmittag sind viele Familien hier und nutzen die Wasserspiele als Bade-und Schwimmgelegenheit. Wir beobachten zwei junge Mädchen, die ausgelassen mit einem kleinen Jungen im Wasser toben, doch auch Erwachsene lassen sich nicht die Möglichkeit zu einer Abkühlung entgehen.
Der dritte Garten ist der kleinste der Mogulgärten, der Chasmi Shahi-Garten. Zu Fuß erreicht man gleich oberhalb der Gärten die Ruinen des Pari Mahal, Palast der Engel. Dieser Palast war früher eine Schule für religiöse Harmonie. Doch in diesem Palast der Engel findet offensichtlich nicht nur religiöse Harmonie statt, denn er scheint inzwischen militärisch als Aussichtspunkt genutzt zu werden.
Die Armee hat am Eingang ein kleines Büro und auf den höchsten Punkten stehen auf den Ecken aus Stein und Sandsäcken gebaute Schiessscharten mit einem Blechdach.
Doch die Sicht auf Berge und See ist fantastisch und da in dieser Höhe ein kleiner Wind Abkühlung bringt, halten wir uns hier einen längeren Zeitraum auf.
Beim Verlassen des Gartens sehen wir gegenüber ein Restaurant mit einem Garten und Bäume unter denen Tische und Stühle stehen. Das sieht gut aus, denn wir brauchen langsam eine Pause. Alle drei sind wir inzwischen durstig und ein klein wenig hungrig. Daher suchen wir uns einen Tisch unter dem größten Baum und bestellen uns Wasser zum trinken.
Doch auf der Speisekarte finden wir nichts nach unserem Geschmack und daher bleibt es bei einer Erfrischungspause. Wir nutzen die Zeit zum erzählen und Prakash berichtet uns viel über das alltägliche Leben in Indien.
Doch nur wegen einer unbefriedigenden Speisekarte möchten wir natürlich nicht hungern und so machen wir uns auf den Weg um ein Restaurant zu suchen. Das ist nicht so einfach, da die meisten Lokale wegen des Feiertags geschlossen sind. Doch wir werden fündig und bekommen ein sehr schmackhaftes Essen.
Im Anschluss an das Mittagessen schlägt Prakash vor, den in 2.100m Höhe gelegenen Shankaracharya- Tempel zu besichtigen. Ich habe den Berg schon von unten gesehen, der Tempel ist ganz oben auf der Spitze. Da führt doch hoffentlich eine Autostraße hoch? Oder sollen wir bei der Hitze hoch steigen? „Nein,“ beruhigt mich Prakash „da können wir mit dem Auto hoch. Schau, hier ist schon die Straße.“ Ich bleibe skeptisch, denn bisher musste ich bei allen Tempeln, die auf Bergspitzen liegen, einen anstrengenden Aufstieg machen. Und hier ist es natürlich nicht anders! Steil führen die Treppen hinauf, das Ende ist von hier aus nicht zu sehen. Doch bevor wir uns an den Aufstieg machen, müssen wir eine Handtaschenkontrolle über uns ergehen lassen. Wie an allen Tempeln auf dieser Reise sind Fotoapparate, Handys und Zigaretten verboten und müssen am Eingang abgegeben werden.
Nun kann der Aufstieg beginnen! Trotz spätem Nachmittag ist es immer noch heiß und schwül, ich schätze die Temperatur nach wie vor auf ca. 40ºC. Zu Anfang geht es noch flott nach oben, doch nach einer Weile werde ich immer langsamer. Immer noch macht mir meine Erkältung zu schaffen und meine Lunge pfeift auf dem letzten Loch. Zumindest kommt es mir so vor! Doch dann ist es endlich geschafft. Noch ein paar Stufen zu dem eigentlichen Heiligtum und wir sind auf der höchsten Stelle angelangt. In einem kleinen Raum umrunden wir einmal den Hausaltar, bekommen von einem Mönch zuckersüße Bonbons und ich frage mich einen Moment, warum ich eigentlich die Strapaze bei der Hitze auf mich genommen habe. Doch als wir den eigentlichen Tempel verlassen, entschädigt der Blick auf den Dal See und über gesamt Srinagar für alle Strapazen. Schade, dass wir unsere Kamera unten abgeben mussten. Wir gehen einmal den gesamten Rundgang entlang und genießen die Aussicht in alle Himmelsrichtungen.
Der Rückweg ist nicht so anstrengend wie zuvor der Aufstieg, doch da die Stufen sehr unregelmäßig sind dauert auch dies seine Zeit. Wie viel Stufen waren das wohl? Prakash hat mitgezählt „Zweihundert!“ informiert er uns. Hat er wirklich mitgezählt oder hat er einfach jemand auf Hindi gefragt?
Da langsam die Dämmerung hereinbricht machen wir uns auf den Rückweg, wählen dabei jedoch einen Umweg rund um den See. Hier an der Uferpromenade legen wir einen weiteren Halt ein. Die Sonne fällt schräg auf den See mit den angelegten Wasserfontänen und durch das brechen des Lichts erleben wir zum Abschluss des Tages einen farbenprächtigen Regenbogen.
Die Temperatur ist hier am Wasser inzwischen angenehm und so verbringen wir eine Weile damit zu plaudern und die Spaziergänger zu beobachten.
Als wir an unserem Hausboot ankommen ist es schon dunkel und Mr. Butt ist bereits in seinen Privaträumen. Für den Papyrusladen ist es also zu spät! Doch Sultan hat auf uns gewartet und möchte gerne wissen wann wir zu Abend essen möchten. Was gibt es denn? „Es gibt gekochten Reis mit Gemüse und Lammfleisch“ informiert uns Sultan. Wir bestellen auf 8ºº das Essen, doch mit der Bitte nach kleinen Portionen. Für mich bitte nur Reis und Gemüse, genauso wie gestern.
Nach dem Abendessen setzen wir uns noch für eine Weile auf die Terrasse, wobei uns Prakash heute Gesellschaft leistet. Wir sind alle drei der Meinung, das es ein sehr ruhiger und erholsamer Tag war. Den haben wir nach den bisherigen langen Fahrstrecken auch gebraucht, wir möchten uns im Urlaub ja auch ein klein wenig entspannen. Für morgen steht wieder ein größeres Programm auf dem Plan. Wir möchten nach Sonamarg zu dem Thajiwas- Gletscher, eine Empfehlung von Mr. Butt.
Nachdem sich Prakash verabschiedet hat, sitze ich noch eine Weile mit Gabi draußen. Doch durch die Höhenluft und den langen Tag werden wir beide früh müde. Ich selbst versuche zwar noch ein wenig zu lesen, doch es dauert nicht lange bis mir das Buch aus der Hand fällt. Daher mache auch ich das Licht aus und hoffe, dass der Iman in der nahe gelegenen Moschee morgen früh verschläft.
Hallo Elke, ein gelungener, schöner Bericht. Am liebsten würde ich gleich meine Koffer packen. Zwei mal war ich bereits in Kashmir, warum nicht wieder. Wenn nur das nicht wäre: Kaschmirkonflikt . Ich habe jedes mal um meine Freunde Angst, wenn ich wieder von neuen Anschlägen in Srinagar höre. Aber für mich ist Kashmir doch irgendwie das Paradies auf Erden.
Viele Grüße von Lothar
Hallo Lothar
vielen Dank für deinen positiven Kommentar zu meinem Bericht. Der Urlaub in Kaschmir zählt zu meinen schönsten Reisen. Es ist ein wunderschönes Land mit freundlichen Menschen, die jedoch immer wieder unter der politischen Situation zu leiden hatten.
Ich habe mich sehr über Deinen interessantes Link zum Kaschmirkonflikt gefreut und schon eifrig auf Deinen Seiten „gestöbert“. Neben viel wissenswertem Lesestoff über Indien und Nepal sind auch faszinierende Fotos zu finden.
Viele Grüsse
Elke