Der goldene Tempel von Amritsar auf unserem Weg nach Kaschmir
Montag
So müde wie ich war, als wir auf unser Zimmer gingen, nach kurzer Zeit bin ich wieder wach und kann auch nicht mehr einschlafen. Die Klimaanlage brummt und knattert vor sich hin, der ungewohnte Lärm hält mich wach. Über mir an der Decke dreht sich leise surrend der Ventilator. Vielleicht reicht das ja aus? Meiner Erkältung tut die AC sowieso nicht gut! Leise, um Gabi nicht zu stören, schleiche ich mich aus dem Bett und stelle die AC aus. Ach, wie schön ruhig! Zufrieden lege ich mich hin, drehe mich auf die andere Seite und versuche wieder einzuschlafen. Doch meine Freude währt nicht lange, sobald die AC ausgestellt ist wird es binnen kurzer Zeit drückend heiss. Wie kann Gabi nur so seelenruhig vor sich hin schlummern?
Unruhig werfe ich mich von einer Seite auf die andere bis ich nach einer Weile die AC wieder anschalte. Ach, wie wird das so schön kühl! Doch nach einer Weile……………….. dieses Geknatter, ich kann bei dem Lärm einfach nicht schlafen!
Nachdem ich einige Male für Abwechslung zwischen brütend warm und eiskalt gesorgt habe schaue ich auf die Uhr , halb fünf, Gott sei Dank ist die Nacht bald vorbei.
Als nächstes erwache ich durch Stimmen auf dem Flur und schaue auf meine Uhr. Was? Halb acht? Wieso hat mein Handy nicht geklingelt? Na, jetzt aber flink! Gabi!!! Aufstehen! Wir haben nur noch eine halbe Stunde bis zu unserer Verabredung mit Prakash! Sonst kommen wir in den Berufsverkehr von Delhi!
Wir schaffen es, ich bin zwei Minuten vor acht an der Rezeption und schicke aus versehen die Kofferträger in ein falsches Zimmer. Peinlich, ein kleiner Zahlendreher. Danach gehe ich nach draußen um Prakash wissen zu lassen, dass wir fast da sind. Er schaut mich ein wenig erstaunt an und wischt mir vorsichtig mit einem Finger die verschmierte Wimperntusche vom Augenlid.
Doch da kommen auch schon unsere Koffer und auch Gabi ist bereits fertig. Fünf nach acht und wir können losfahren!
Es liegen ca. 400 km vor uns und bei dem hiesigen Verkehrsaufkommen und dem oft schlechten Straßenzustand rechnet Prakash mit einer Fahrzeit von sieben bis acht Stunden. Wir schaffen es zügig aus Delhi herauszukommen und ich habe das Gefühl es herrscht entschieden weniger Verkehr als in Januar. Oder habe ich mich so schnell an das indische Verkehrschaos gewöhnt?
Nach etwa zwei Stunden Fahrzeit machen wir unsere erste Kaffeepause, bei unserem abrupten Aufbruch heute früh war dafür ja keine Zeit. Gestärkt und mit Mineralwasser ausgerüstet geht es weiter. Obwohl die Straße als „Autobahn“ gilt, gibt es keine Ortsumfahrungen. Der gesamte Verkehr von PKWs, LKWs, Traktoren und Tuktuks führt durch die kleineren und grösserern Städte hindurch.
Je weiter wir kommen um so mehr verändert sich die Landschaft. Kein Vergleich zu Rajasthan, das ich im Januar kennen gelernt habe. Wir sind inzwischen in dem Bundesstaat Punjab, hier leben die Menschen vorwiegend von Landwirtschaft.
Auf den gut bewässerten Felder wird Reis angebaut und die satte, grüne Farbe erstreckt sich zu beiden Seiten der Straße. Die hier lebenden Kühe sind nicht wie in Rajasthan magere Straßenkühe, sondern stehen wohlgenährt und mit glänzendem Fell auf den Weiden. Hin und wieder verirrt sich mal eines der heiligen Tiere auf seinem Heimweg und steht dann mitten auf der Straßenkreuzung oder auf dem Grünstreifen in der Mitte einer vierspurigen Straße.
Auf den letzten hundert Kilometern vor Amritsar hat es heute im laufe des Tages sehr stark geregnet.
Das Wasser steht noch auf den Straßen und um die kleinen Geschäfte. Die Verkäufer in den Kiosken sitzen auf ihren Hockern inmitten einem See voller Regenwasser und Straßenschlamm.
Nach mehr als acht Stunden Fahrt erreichen wir Amritsar, die grösste Stadt des Staates Punjab mit über einer Millionen Einwohner. Jetzt brauchen wir nur noch unser Hotel zu finden.
Es ist das Hotel Indus und es soll in der Altstadt nahe am Goldenen Tempel liegen. Prakash fragt einen Verkohrspolizisten und bekommt ganz klare Auskunft: „Geradeaus bis zum Busbahnhof und dann einfach rechts abbiegen.“
Kann ja kein Problem sein, wir finden auch auf Anhieb den Busbahnhof mit vielen Linienbussen, Tuktuks, Fahrradrikschas und unzählige Fussgänger mit und ohne Gepäck. Nur rechts abbiegen, das geht hier nicht. Wir müssten über den erhöhten Mittelstreifen, auf dem jedoch gerade eine Kuh steht. Prakash macht das vernünftigste und fragt einen Tuktukfahrer. „Nein! Auf keinen Fall nach rechts!“ meint dieser. „Dort vorne im Kreisverkehr links fahren und danach nochmal links!“ Wir folgen seinen Anweisungen,quälen uns durch den hupenden und drängenden Berufsverkehr und stehen kurz darauf wieder am Busbahnhof. Haben wir eine Abzweigung übersehen? Prakash versucht es nochmal und fragt auf halber Strecke nochmals einen Passanten. Von ihm bekommen wir genaue Richtungsangaben: „Dort vorne geradeaus und dann nach rechts, da seid ihr direkt am goldenen Tempel. Ich weiß es, denn ich war heute morgen dort.“ Das hört sich doch sehr viel versprechend an! Wir folgen seiner Wegbeschreibung , biegen nach rechts ab und stehen vor einer Einbahnstraße die zusätzlich noch von einem Polizist bewacht wird. Der sich so sichere und auskunftsfreudige Herr war vermutlich Fußgänger. Prakash steigt aus und geht zu dem Polizisten, sie verhandeln eine Weile, gestikulieren und dann kommt Prakash zurück zum Auto. Und jetzt? „No problem“ meint Prakash, während der Polizist den Weg freigibt und uns in die Einbahnstraße einwinkt.
Tatsächlich sind wir fünf Minuten später im Hotel.
Das Zimmer ist, wie im Internet angekündigt, klein aber sauber. Als nächstes inspizieren wir die Dachterrasse, wo sich uns ein fantastischer Ausblick auf den goldenen Tempel bietet. Der goldene Tempel von Amritsar ist der grösste Sikh-Tempel in Indien und stellt das höchste Heiligtum der Sikhs dar. Der Tempel wurde im 16.-19. Jahrhundert erbaut und steht in einem Becken mit heiligem Wasser, der sogenannte „Necktarteich“. Der Maharaja Ranjit Singh liess 1803 den Tempel mit 400 kg Blattgold belegen und nun zählt er zu den schönsten Tempeln Indiens.
Im Abendlicht schimmert die goldene Kuppe und die Gesäge der Gläubigen klingen bis hinauf zu uns und verleihen diesem märchenhaften Anblick zusätzlich eine friedvolle Stimmung.
Wir haben uns mit Prakash verabredet um den Tempel heute Abend noch zu besuchen und als wir aus dem Hotel kommen wartet er schon. Wir brauchen nur die Straße überqueren und sind nach einigen Metern schon an einem der beiden Eingänge. Hier müssen wir unsere Schuhe abgeben und beim Betreten des Tempels den Kopf mit einem Tuch bedecken. Dies gilt hier nicht nur für Frauen sondern auch für Männer. Prakash hat zu diesem Zweck ein kleines Gästehandtuch dabei, Gabi einen leichten Seidenschal und ich meinen Lieblingsschal aus Thailand. Der ist im Koffer mit dem Gedanken gelandet, dass es evt. in Kaschmir abends kühl werden konnte. Doch hier, bei über 40ºC ist er leider nicht sehr geeignet. Er ist groß, lang und ich merke zum ersten mal das es stimmt, was der Verkäufer damals gesagt hatte. Es ist Wolle darin! Meine Güte, gibt dieses Tuch auf meinem Kopf warm!
Wir gehen langsam um den „Necktarteich“ und genießen den Anblick des Tempels, den die Besucher über eine Brücke erreichen können. Das Gold spiegelt sich im See und gläubige Sikh- Familien sitzen am Uferrand und viele waschen sich in dem heiligen Wasser. In der Anlage gibt es zwei große Armenküchen, hier bekommt jeder der möchte eine warme Mahlzeit. Der Essensgeruch ist appetitlich und wir hören das Klappern der Teller. Ein Sikh macht eine auffordernde und einladende Geste, wir können hier gerne zu Abend essen. Doch statt dessen geben wir lieber eine Spende und unterstützen hiermit eine dieser notwendigen sozialen Einrichtungen. Ein Ashram (Meditationszentrum) ist ebenfalls in dem weitläufigen Gebäude, auch hier ist jeder willkommen, ohne Unterschied welchem Glauben er angehört.
Nachdem wir den künstlichen See einmal umrundet haben, möchten wir natürlich in den goldenen Tempel. In langen Schlagen stehen die Menschen geduldig auf der Brücke und warten bis sie das Heiligtum betreten können. Auch wir möchten uns einreihen, doch ein streng dreinblickender Sikh bedeutet uns die Handtaschen zu öffnen. Was ist das denn? Zigaretten und Feuerzeug? Bedauernd schüttelt er den Kopf, solche Sachen sind im Tempel nicht erlaubt. Auch keine Handys und wir dürfen natürlich im Inneren auch nicht fotografieren. Na gut, aber was machen wir nun mit den Sachen? Prakash, hilfsbereit wie immer, nimmt unsere verbotenen Tascheninhalte und bringt sie rasch in sein Auto. Sobald er wieder da ist, gehen wir gemeinsam über die Brücke bis zum Altar im Inneren des Tempels. Es ist eng und ein Sikh achtet darauf, dass immer nur eine bestimmte Anzahl Menschen sich im Inneren aufhalten. Nun ist die Reihe an uns und wir werden Schritt um Schritt vorwärts geschoben. Einige der Gläubigen knien vor dem Altar und sind in Ihr Gebet vertieft. Ich halte mich nicht lange auf, sonder gehe auf der anderen Seite wieder hinaus. Es sind so viele Gläubige, zum Teil aus weit entfernten Teilen Indiens angereist, die Zwiesprache mit ihrem Gott halten möchten. Daher mache ich Platz für die Nachrückenden und teilweise bereits betenden Menschen.
Inzwischen ist es dunkel geworden und wir beschliessen den Tempel für heute zu verlassen. Wir holen unsere Schuhe und endlich darf ich auch wieder das wärmende Tuch von meinem Kopf nehmen. Meine Haare sind nass, als wäre ich unter der Dusche gestanden und obwohl immernoch eine Temperatur von ca 40ºC herrscht, habe ich ein angenehm kühles Gefühl auf meinem Kopf. Danach stürmen wir einen kleinen Laden, in dem kalte Getränke angeboten werden. Mit unseren Coladosen in der Hand setzen wir uns auf ein Mäuerchen und machen eine kleine Pause.
Prakash hat sich vorausschauend schon nach einem Restaurant umgehört, es ist nur zwanzig Minuten zu Fuss von hier entfernt. Nach der langen Autofahrt sind wir alle drei froh noch ein wenig gehen zu können und so machen wir uns auf den Weg. Das Restaurant ist einfach zu finden und wir bekommen auch einen Tisch in dem gut gefüllten Lokal. Wir bestellen zwei Gerichte, doch ich habe leider, bedingt durch meine Erkältung und die Medikamente, keinen grossen Appetit.
Auf unserem Rückweg durch die schlecht beleuchteten Strassen kommen wir an Bettlern vorbei, die sich gerade ihr Nachtlager richten und bei uns einen letzten „Verdienstversuch“ machen. Ein Rikschafahrer baut sich sein Bett direkt unter den Sitz seines Gefährtes und hat so eine wenig „Privatsphäre“. Diese Anblicke sind tatsächlich deprimierend und als wir im Hotel ankommen hat Gabi eine Frage: „Kommen wir nochmal in diese fürchterliche Stadt? Der Tempel ist ja wirklich schön, aber der Rest……! Und hast du im Lokal den Lappen gesehen, mit dem der Kellner den Tisch abgewischt hat? Also, der war ja so was von schmutzig!“ Nun, den Lappen habe ich mir Gott sei Dank nicht angeschaut. Und ob in Amritsar mehr Oblachlose und Armut ist als in anderen Städten kann ich nicht genau sagen, doch ich bezweifle es. Das ist die weniger schöne Seite von Indien, doch leider sind wir beide nicht in der Lage daran etwas zu ändern.
Ich möchte mich für die wirklich anschaulichen, interessanten Reiseberichte bedanken.
Bin auch schon viel in Asien gereist, ausser Indien, wo es jetzt im Januat 2o11 in den Norden hingeht. Da ist man begierig, im Vorfeld alles zu erfahren.
Also recht vielen Dank
Dorothea
Hallo Dorothea
vielen Dank für die nette Zuschrift. Ich hoffe Ihnen wird Indien gefallen und ich wünsche eine schöne Reise mit vielen interessanten Eindrücken. Im Dezember werde ich ebenfalls wieder nach Indien reisen, diesmal geht es nach Mumbai und zu einer Rundreise durch Gujarat.
viele Grüsse
Elke