Erlebnisreise – Rann of Kutch, die Salzwüste an der Grenze zu Pakistan
Dienstag
Heute soll es in den Norden von Kutch gehen, in die Salzwüste Rann of Kutch.
Auf dem Weg dorthin werden wir einige kleine Dörfer besuchen, die vorwiegend von der Herstellung und dem Verkauf traditioneller Handarbeiten leben.
Früher war der Norden von Kutch für seine Fruchtbarkeit berühmt, denn die Wüste verwandelte sich nach dem Monsun in eine Wasserlandschaft. Noch heute werden weite Teile in der Regenzeit zu einem riesigen Sumpf, der zu einem der größten Naturschutzgebiete für die Vogelwelt in Indien wird. Es ist dann die vorübergehende Heimat von tausend von Flamingos, Kranichen und Reiher.
Doch nun, im Dezember, ist die Monsunzeit vorüber und wir werden den Rann of Kutch als reine Salzwüste erleben.
Einige Kilometer nachdem wir Bhuj verlassen haben biegt Prakash auf eine kleinere Straße ab und es wird sehr ländlich. Eine halbe Stunde später erreichen wir das erste Dorf und Prakash schlägt vor, hier für einen Besuch des Ortes zu halten.
Das Dörfchen besteht aus kleinen bunt bemalten Häusern in denen die Bewohner leben.Man scheint hier an Besucher gewohnt zu sein, denn bis auf das Erscheinen zweier Männer zur Begrüßung geht das Dorfleben ohne große Unterbrechung weiter. Ein junges Mädchen hängt Wäsche auf eine Leine und den Kindern ist es wichtiger ihr Spiel fort zu setzen.
Freundlich werden wir begrüßt und durch den Ort geführt. „Schauen sie sich in Ruhe um und machen sie ruhig Fotos“ wird uns immer wieder versichert. Mitten im Dorf steht auf einem freien Platz eine Kinderwiege mit einem Baby, das von einem kleinen Mädchen in den Schlaf gewiegt wird. Auch in die Wohnhäuser bekommen wir Einblick und können Frauen bei ihrer täglichen Hausarbeit zusehen.
Hier gibt es kein fließend Wasser und keine Elektrizität, die Kaffeetassen werden in einer Metallschüssel gespült und alles wird per Handarbeit gemacht. Ohne Mixer oder anderen uns selbstverständlichen Hilfsgeräten.
Unser Rundgang hat nun auch die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich gezogen und ist im Moment interessanter als das Spielen. Prakash übersetzt: „Sie möchten gerne fotografiert werden und ihr Bild auf dem Display sehen.“ Aber sicher, kein Problem! Kichernd betrachten die vier das Foto auf dem sie gemeinsam mit Prakash zu sehen sind- und schon geht es eilig zurück zu ihrem Spiel.
Nun werden wir von unserem Begrüßungskomitee in eines der Häuser geführt, in dem die Handarbeiten des Dorfes zum Verkauf angeboten werden. Kutch ist Hochburg indischer Stickereien und Weberarbeiten. Hier werden neben Decken und Tüchern vorwiegend bunt bestickte Handtaschen angeboten. „Doch die Kunst der Handarbeit stirbt aus“ werden wir informiert.
„Die Leute nehmen sich heute keine Zeit mehr, sondern möchten ihr Geld schnell verdienen. Für manche der Tücher brauchen wir Monate und oft können wir sie ein halbes Jahr lang nicht verkaufen.“ Die Ambiente ist entspannt , keiner drängt uns zum Kauf und so können wir uns in Ruhe für die ersten „Mitbringsel“ entscheiden. Wir werden informiert über die Herstellungsweise der verschiedenen Stickereien. Dabei erfahren wir, dass in dem Dorf Nirona eine Familie lebt, deren Männer noch die seltene Kunst der Rogan-Malerei auf Tuch beherrschen. Rogan kommt aus dem persischen und bedeutet „auf Öl-Basis“. Dabei wird ein Farbgemisch aus Rizinusöl in kunstvollen Verzierungen auf ein Tuch geträufelt, dessen Muster so fein sind, dass sie wie filigrane Stickerei anmuten.
Doch nun ist es Zeit uns zu verabschieden, denn Prakash hat noch weitere Tagesziele für uns eingeplant.
In der näheren Umgebung des Dorfes scheint das Land noch fruchtbar und ausreichend mit Grundwasser versorgt. Auf grünen Wiesen grasen gemeinsam Kamele, Esel und Rinder. Doch je weiter wir fahren um so trockener wird die Landschaft. Bald gibt es kaum Vegetation, außer den niedrigen Dornensträuchern. Dieser Dornenstrauch, der weite Landstriche des Rann of Kutch bedeckt, laugt jedoch den Boden aus, lässt den Grundwasserspiegel noch weiter sinken und verursacht damit weitere Dürren. Deshalb erlaubt die Regierung den Menschen das Trockenholz des Busches zu Holzkohle zu verbrennen. Dies ist neben Viehzucht, Milchproduktion und Anbau von Rizinuspflanzen eine weitere Einnahmequelle für die Dörfer.
Gegen Mittag haben wir unser nächstes Ziel erreicht, Kala Dungar. Hier an diesem Aussichtspunkt im Niemandsland haben wir Blick über den Rann bis zur Indien Bridge, die Grenzstation zu Pakistan.
Prakash erzählt uns, dass hier häufig Schakale auftauchen. Doch nun, in der flirrenden Mittagshitze lässt sich keines der Tiere sehen. Doch wir besichtigen den Datt Tempel und genießen die Sicht auf das karge Land. Es herrscht leichter Dunst, daher ist die Indien Bridge leider sehr schwer zu erkennen.
Des weiteren befindet sich auf dieser Anhöhe eine kleine Militärstation. Die Männer leben in Wellblechhütten, in denen es tagsüber mit Sicherheit brütend heiß und in der Nacht vermutlich eisig kalt sein wird. Einen sehr motivierten Eindruck macht keiner der anwesenden Soldaten. Hier kommt sicherlich keiner freiwillig her, irgendwo muss da ein massiver Karriereknick gewesen sein.
Ein Bautrupp, bestehend aus Männer und Frauen, ist dabei die Gehwege zu dem höchsten Punkt von Kala Dungar auszubessern.
Dabei habe ich mal wieder das Gefühl, dass die Männer die Verantwortung und die Frauen die Steine tragen. Doch es wird nicht nur gebaut, sondern auch der Versuch des Aufforstens gemacht. Hoffentlich hat dies Erfolg und die Baumsetzlinge überleben in dieser Umgebung mit ihren unterschiedlichen klimatischen Bedingungen.
Inzwischen steht die Sonne hoch am Himmel und die Hitze nimmt mit jeder Minute zu. Die Soldaten und auch die Arbeiter haben sich zu einer Mittagspause in den Schatten gesetzt.
„Lasst uns weiter fahren“ schlägt Prakash vor „und erst mal das Hotel suchen. Ich hoffe es gefällt euch!“ Ein Hotel? In dieser Einöde? Wer baut denn hier ein Hotel?
Doch-Überraschung!! Prakash bringt uns in das Shaam-e-Sarhard Village Resort. Hier,mitten in dieser trockenen heißen Wüste, entstand vor nicht allzu langer Zeit eine vom Tourismus-Ministerium geförderte Einnahmequelle für die Bewohner von Hodka.
Gewohnt wird entweder in Zelten oder in Rundhäusern, so wie wir sie unterwegs gesehen haben. Prakash hat für uns ein Rundhaus bestellt und Edith und ich sind begeistert. In dem Innenraum ist es geräumig und eine Tür führt auf eine private Terrasse mit zwei Liegestühlen. Von hier haben wir Blick auf die endlos scheinende steppenartige Landschaft. Die einzelnen Rundhäuser sind , genau wie die Zelte, durch kleine Lehmzäune voneinander getrennt. Zufrieden schau ich mich in dem runden Zimmer um. Fenster, eine weitere Tür, nochmal Fenster, der Eingang. Doch wo ist das Badezimmer? Ich versuche es mit der dritten Tür und stehe in einem kleinen Innenhof. Hier führt ein schmaler Pfad in ein weiteres Lehmhaus in dem sich das Badezimmer befindet. Toll! Waschbecken, Dusche, Toilette- alles vorhanden und an Platz wurde auch nicht gespart.
„Ach, was für eine herrliche Ruhe! Wir sollten uns am besten in die Liegestühle legen und bis heute Abend nicht mehr bewegen“ lautet Edith ihr Vorschlag für den restlichen Tag. Doch wir möchten die Salzwüste ja nicht nur von einem Aussichtspunkt sehen, sondern „live“ erleben. Daher reicht unsere Zeit nicht für eine Siesta, sondern nur um das Gepäck abzustellen und uns kurz zu erfrischen. Ein leises Klopfen an der Tür und als ich öffne steht dort ein junger Mann mit einem Tablett. „You like some Chai-Masala?“ Ja, gerne! So ein indischer Tee ist genau das richtige in einer kleinen Pause. Der Chai Masala wird in Indien zu jeder Tageszeit und zu jeder Gelegenheit getrunken. Für die Mischung und Zubereitung gibt es unterschiedliche Rezepte, doch auf jeden Fall ist immer Kardamomsamen darin enthalten. In einigen Familien wird Wasser, Milch und Teeblätter gleich zusammen gekocht und die Gewürze zuletzt hinzugefügt, in anderen wiederum zuerst. Wichtig ist jedoch, er soll gründlich kochen und nicht einfach nur ziehen. Der Zucker kommt meist direkt beim Kochen hinzu.
Der Chai Masala (gewürzter Tee) wird überall in Indien in Cafés und von Straßenverkäufern angeboten und je nach Region unterschiedlich zubereitet. So wird z.b. in Kaschmir grüner Tee mit Mandeln, Kardamom, Zimt, Nelken oder sogar Safran zubereitet.
Nach dieser aromatischen Erfrischung gehen wir zum Parkplatz wo Prakash bereits auf uns wartet. Vorbei an kleinen Dörfern und Rinderherden fahren wir bis an die Grenze der Salzwüste. Von hier ab müssen wir einen Polizisten mitnehmen, um sicher zu sein, dass wir uns in der Endlosigkeit der Salzwüste nicht verfahren. Der Polizist begleitet uns bis zu einem Holzzaun, der quer durch die Wüste führt. Hier ist nun unsere Autofahrt zu Ende, denn hinter dem Zaun ist der Boden stellenweise noch nicht trocken und es besteht die Gefahr mit dem Auto stecken zu bleiben. Um Himmels willen- nur das nicht! Doch zu Fuß können wir noch einige Meter weiter gehen. „Bitte in Sichtweite bleiben“ bekommen wir von dem Polizisten noch ans Herz gelegt.
Der weiße Boden reflektiert die Sonne und unsere Umgebung wirkt absolut lebensfeindlich. Undenkbar, dass es hier Leben geben kann. Doch mit diesem Gedanken liege ich falsch.
Es gibt Leben! Eine Heuschrecke! Dies zeigt, dass es hier nicht immer so aussieht wie jetzt im Dezember. In der Zeit des Monsuns zwischen Juni und September ist dieser Raum ein riesengroßer See. In der jetzigen darauf folgenden neunmonatigen Trockenzeit versinkt und verdunstet das Wasser. In dieser Trockenzeit verteilen sich ca. 10.000 Arbeiter mit ihren Familien in der Wüste um Salz zu gewinnen. Sechs Monate sind die Arbeiter nun damit beschäftigt um die Grundlagen für die spätere Salzernte zu schaffen.
Zuerst wird eine provisorische Hütte gebaut, die kurz vor dem Einsetzen des Monsuns im nächsten Jahr wieder abgebaut wird. Danach müssen die Felder angelegt und die Brunnen erstellt werden. Der Brunnenbau nimmt viel Zeit in Anspruch, da bis zum Grundwasser gegraben werden muss. Das salzhaltige Wasser ist für die spätere Arbeit unerlässlich. Als Pumpen werden Dieselmotoren verwendet, doch durch die gestiegenen Benzinpreise ist dies für die Salzbauern eine der höchsten Ausgaben.
Während der Regenzeit verdingen sich die Salzarbeiter in den umliegenden Gebieten größtenteils als Hilfskräfte.
So langsam beginnt die Sonne zu sinken und sofort wird auch die Luft kühler. Prakash setzt die Heuschrecke sanft auf dem Salzboden ab und wir schlendern langsam zurück zum Auto.
Als wir eine knappe Stunde später im Hotel ankommen beginnt bereits die Dämmerung und der Küchenchef wartet mit dem Abendessen. Auch hier, wie überall in Gujarat, ist das Essen vegetarisch und Alkohol verboten. Doch so langsam gewöhne ich mich an Wasser oder Lemonsoda – habe ich schon tatsächlich schon mal was anderes getrunken?
Nach dem Essen wird für uns ein Lagerfeuer entfacht und eine Musikgruppe bringt folkloristische Musik dar. Das ist echte Wüstenromantik!
Als wir in unserem Rundhaus sind klopft nochmal vorsichtig einer der Angestellten: „You like hot water in the morning?“ Aber gerne! Das ist sicher so wie in Kenia im Busch. Da wird dann morgens früh heißes Wasser in einen Tank hinter dem Badezimmer geschüttet, so das wir warm duschen können. So spare ich mir den Wecker, denn bei diesem Geplätscher wache ich sicherlich auf.
Die Wüstenromantik lässt ein klein wenig nach, als ich mich über den dunklen Pfad ins Badezimmer schleiche und mich dort mit kaltem Wasser wasche. Aber das gehört eben dazu- was soll´s! Morgen früh wird dann warm geduscht! Jetzt erst mal: Gute Nacht!
Mein vorhergehender Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/indien-ferienerlebnisse-bhuj-und-ein-besuch-im-spiegelpalast/
Liebe Frau Hoppe
durch google bin ich auf Ihren interessanten Reisebericht gestossen. Ich habe im Sinn, im November nach Kutch zu reisen. Ich ibn sehr interessiert an Textilien und suche einen Fahrer, der mit Ortskenntnissen aufwartet. Könnten sie mir die Adresse Ihres Fahrers Prakash Acharya weiter leiten? Vielen Dank!
Ich war vor 2 Jahren in Ahmedabad einzig wegen des Textilmuseums. Ich hoffe, auch Sie haben wieder schöne Reisen vor oder hinter sich.
Herzliche Grüsse
Trudy Bachmann SChweiz
Liebe Frau Bachmann
vielen Dank für ihren sehr netten Kommentar über meinen Reisebericht.
Kutch ist ein Mekka für Textilien und das Textilmuseum in Ahmedabad absolut sehenswert. die Mail Adresse von Prakash werde ich Ihnen gerne in einer gesonderten Mail senden.
ich selbst habe auch wieder eine größere Reise vor mir, es geht diese Jahr für einige Wochen nach Thailand.
Viele Grüße aus Spanien
Elke Hoppe
Liebe frau hoppe,
Im rahmen unserer weltreise Halten meine freundin und ich auch für ein paar wochen in indien. Wir sind auf der suche nach einem guten,seriösen fahrer in indien.
Könnten sie uns bitte die kontaktdaten ihres fahrers mitteilen-klingt sehr interessant?
Besten dank
Philippe u maya
Lieber Philippe
Danke für die Zuschrift.
Gerne werde ich werde Ihnen die Kontaktdaten von Prakash per Email zusenden.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Freundin noch eine schöne Weltreise. Hört sich gut an!
Viele Grüße
Elke
[…] Der vorhergehende Reisebericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/indien-erlebnisreise-rann-of-kutch-die-salzwueste-an-der-grenze-zu… […]
sehr geehrte frau hoppe,
habe soeben ihren interessanten reisebericht gelesen.
wir planen im märz nach ahmedabad zu fliegen und die gebäude le corbusiers zu besichtigen. anschliessend würden wir noch gerne eine rundreise mit auto und fahrer machen, könnten sie uns die kontaktdaten ihres fahrers prakash überlassen.
mit freundlichen grüssen aus wien
martin und lucie
Hello Elke Hoppe,
Warm greetings from Kutch, Gujarat.
It’s really pleasure to find this blog and see pictures. I recognized some of them 🙂
Best wishes!
Kuldip Gadhvi
Sehr geehrte Frau Hoppe,
Ich habe gerade ihren Beitrag gelesen und bin fasziniert.
Mein Freund und ich möchten von Anfang September bis Anfang November durch Asien reisen. Ich wollte schon immer unbedingt zu einer Salzwüste, nur ist ja leider Regenzeit bis September. Wissen Sie, ob es auch schon Ende Oktober Sinn macht dorthin zu reisen oder wird dann noch alles überflutet sein?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort und liebe Grüße!
Hallo Caro
Danke für Ihre Zuschrift. Ab Ende September/Oktober ist die Salzwüste und gesamt Gujarath „regenfrei“. Es ist auch nicht überflutet, da die Sonne in dieser Region sehr schnell alles trocknen lässt. Ende Oktober lässt sich Gujarath sehr gut und problemlos bereisen.
Liebe Grüsse
Elke Hoppe