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Erlebnisreise von Modhera nach Bhuj, die Hauptstadt von Kutch

Sonntag

Es ist noch stockfinster als ich durch lautes Rumpel wach werde. Stimmen und Rufe sind draußen vor dem Hotel zu hören. Was ist denn da los? Nun werden auch die Straßenhunde wach und stimmen ein lautes protestierendes Gebell an. Ich versuche aus dem Fenster zu schauen, doch es ist ein modernes Hotel mit Klimaanlage, da lassen sich keine Fenster öffnen.

Modhera

Das Hundegebell verstirbt mit einem lauten Jaulen und beginnt dann von neuem, allerdings klingt es etwas weiter entfernt. Ich vermute, die Tiere halten nun einen Sicherheitsabstand ein.
Es rumpelt und klappert weiter, vermutlich ist es die Müllabfuhr. Sicher fahren sie gleich weiter. Doch nein, nun klappert Metall auf Metall und ich presse doch noch einmal meine Nase an die Scheibe. Was ist das nur für ein Lärm so früh am Morgen? Nun kann ich ein wenig über die Mauer sehen und traue meinen Augen nicht. Ein Schrotthändler direkt neben dem Hotel! Und er wird ab 04ººh morgens beliefert!
Zumindest können wir nicht verschlafen und sind sogar vor der verabredeten Zeit am Auto. So können wir wie geplant um Punkt 7ººh abfahren, denn wir haben heute eine weite Strecke vor uns. Unser erstes Ziel ist das ca. 100km entfernte Modhera mit seinem Sonnentempel . Von dort geht es dann weiter bis Bhuj, die Hauptstadt von Kutch.

freundliche Begrüßung durch Schüler

Nach einer zweistündigen Fahrt erreichen wir Modhera. Es ist noch kalt als wir vor dem Gelände aussteigen und fröstelnd ziehe ich mir mein Tuch über die Schulter. Der Sonnentempel liegt auf einer Anhöhe über dem kleinen Dorf Modhera, in dem jedes Jahr im August ein dreitägiges Tanzfestival stattfindet.
Der Sonnentempel wurde 1026 n.Chr. von König Bhimadev erbaut. Trotz seiner teilweisen Zerstörung durch Krieg und Erdbeben gilt er als einer der schönsten Hindu-Tempel in Gujarat.

das Wasserbecken

Wir sind noch nicht lange aus dem Auto gestiegen als die ersten weiteren Besucher des Tempels auf uns zu kommen. Es ist eine Schulklasse und die Jungen und Mädchen möchten ihre ersten Englischkenntnisse erproben. „How are you?“ und „Where are you from?“  ertönt es von allen Seiten und jeder der Jugendlichen möchte uns mit Händeschütteln begrüßen.
Dies  wird von vielem Lachen, Gekicher und Geschubse begleitet bis die Lehrerin kommt und den Trubel beendet.
Bevor wir  den Haupttempel  erreichen gehen wir zu einem großen rechteckigen Wasserbecken, der „Kunda“.  Hohe und steile Stufen führen nach unten bis zu dem recht trübe aussehenden Wasser. An der Ostfront befinden sich über 100 kleinere Schreine, auf den übrigen drei Seiten stehen Schreine der Götter Ganesha, Vishnu und Shiva.

der Sonnentempel Modhera

Doch zuerst möchte ich den Haupttempel besichtigen. „Muss ich da meine Schuhe ausziehen?“  möchte Edith wissen. Da vor dem Eingang mehrere Paare herrenloser Schuhe stehen beantwortet sich ihre Frage von selbst. „Nein, da warte ich lieber hier draußen“ lautet Edith´s Entscheidung. Doch ich möchte wissen wie es im Inneren aussieht und gehe hinein. Es herrscht Kühle und ein dämmeriges Licht und meine Augen brauchen einen

Fledermäuse

Moment um sich umzustellen. Merkwürdig, irgendwas müffelt hier seltsam, wie in einer ungepflegten Voliere. Ein leichtes Flattern lässt mich nach oben schauen und hier hängt die Erklärung an der Decke. Hunderte von Fledermäusen haben sich zum Schlafen an die Steine gehängt. Dies  ist hier offensichtlich ihr dauernder Wohnsitz. Nichts gegen Fledermäuse, aber was liegt da jetzt alles auf dem Boden? Schnell raus hier und die Füße säubern!
Vor dem Tempel wartet Prakash mit Edith und gemeinsam gehen wir nochmals zu dem Wasserbecken. „Das Becken wurde damals als Wasserstelle errichtet“ erklärt uns Prakash. „Hier am Tempel haben früher die Frauen aus dem Dorf das Wasser geholt.“

auch dieses Paar möchte gerne fotografiert werden

Das ist wie bei einem der vielen Stufenbrunnen- die Frauen trugen das Wasser und die Männer die Verantwortung. Und es gibt noch viele  Länder und Gegenden, in denen sich das bis heute nicht geändert hat.
Als wir unsere Besichtigung beenden kommen noch einige weitere Besucher auf uns zu. Meist werden wir von den jüngeren Familienmitgliedern begrüßt, da diese in der Schule gerade englisch lernen. Doch auch die Erwachsenen zeigen reges Interesse an uns. Wir lassen uns fotografiert und fotografieren umgekehrt ganze Familien und ein Ehepaar. Als wir schließlich im Auto sitzen werden wir mit freundlichem Winken verabschiedet.

kunstvolle Steinmetzarbeiten

Wir fahren nur eine kurze Strecke und sind schon an unserem nächsten Ziel: der Stufenbrunnen Ranaki Vaava. Dieser Brunnen wurde von dem gleichen Herrscher errichtet wie der Sonnentempel.
Im Gegensatz zu Adalaj Vaava, den wir vor zwei Tagen in Ahmedabad besichtigt haben, ist dieser Brunnen ausgetrocknet und zum Großteil eine Ruine. Doch die kunstvollen Steinmetzarbeiten sind in all den Jahren erhalten geblieben und durch das fehlende Dach lassen sich die Größe und Ausmaße des Brunnens gut erkennen.

der Stufenbrunnen Ranaki Vaava

Gemeinsam mit Prakash steige ich die Stockwerke hinunter soweit dies möglich ist, als oben lautes Geschrei ertönt. Was ist da nur los?

Als wir wieder die vielen steilen Treppen hinauf gestiegen sind, berichtet uns Edith über den Tumult. In diesem schönen und gepflegten Park lebt eine Affenfamilie. Es sind hübsche Tiere mit einem sehr hellen silber-weißen Fell. Doch da sie sich nicht häuslich in dem Stufenbrunnen niederlassen sollen, ist ein Aufseher eingestellt worden. Zu seinen Aufgaben gehört es, die totale Übernahme des historischen und gut erhaltenen Monumentes durch die Affen zu verhindern. Dies führte vor kurzem zu dieser lautstarken Auseinandersetzung und ich bin mir nicht so sicher wer dabei den größeren Lärm veranstaltet hat.  Edith ist entsetzt: „Der Depp hat Steine in den Brunnen geworfen! Der kann doch auch Kinder oder Besucher treffen!“ Ja, da hat sie allerdings recht. Aber wie verteidigt man eigentlich einen Brunnen gegen solche „Hausbesetzer“?

Die Affenfamilie hat sich wieder in den zurückliegenden Teil des Parks zurückgezogen und betreibt nun erst mal die morgendliche Körperpflege.

morgendliche Körperpflege

in der Affenfamilie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

o.k.- Inspektion bestanden !

Prakash drängt inzwischen ein wenig zum Aufbruch, denn wir haben noch eine weite Strecke vor uns. Also los!
Wir wollen heute Bhuj erreichen, die Hauptstadt von Kutch. Es geht durch kleinere und größere Dörfer und Ortschaften und je weiter wir fahren um so trockener und staubiger wird die Landschaft. Das Gelände ist flach, wer hier wohnt und überraschend Besuch erhält hat noch Zeit um einen Kuchen zu backen.

Gegenverkehr auf Indiens Strassen nach Kutch

Doch auf der Autostraße herrscht reger Verkehr, das meiste sind schwer beladene Lastwagen die in beide Richtungen unterwegs sind. Doch trotz der stark befahren und verkehrsreichen Straße begegnen uns  mehrfach große Rinderherden oder Ochsenkarren. Gegen 15ººh machen wir eine kurze Pause, so dass wir uns die Füße vertreten und vor allem auch Prakash eine Pause einlegen kann.
Danach geht es weiter, vorbei am Little Rann of Kutch wo man nach der Monsunzeit Flamingos und Wildesel beobachten kann. Doch um diese Jahreszeit  liegt das Schutzgebiet verlassen und ausgetrocknet vor uns.
Und dann haben wir es geschafft, die ersten Häuser von Bhuj tauchen am Straßenrand auf. Ein Hinweisschild zeigt die Richtung zum Zentrum an und Prakash meint: „Wir haben nun fast die Stadtmitte erreicht!“  Edith beugt sich nach vorne und raunt mir ins Ohr: „Stadt??? Hat er Stadt gesagt???? Das ist eine Stadt????“   „Ja,sicher!“ beeile ich mich ihr zu versichern „Bhuj hat sogar einen Flughafen!“  Doch mir ist klar was sie meint. Die Straße ist nicht geteert
sondern eine im Staub versinkende Piste. Der Kreisverkehr führt um eine alte Benzintonne und die von Tuktuks und Eselskarren aufgewirbelten Plastiktüten flattern durch die Luft.  Hier sollen wir ein Hotel finden? Doch Prakash ist zuversichtlich, er hat sich vorab erkundigt und ein Bekannter hat ihm das Hotel Prince empfohlen. Na, mal schauen! Hier da ist es ja schon: Hotel Prince. Doch die Außenfassade ist nicht sehr einladend, die Eingangstür ist dunkles Glas und lässt keinen Blick in das Innere zu. Es ist ein altes Haus und ich bin sehr skeptisch.

die Rezeption unseres Hotels in Bhuj

Doch im Inneren bin ich angenehm überrascht. Die Rezeption ist hell und modern, die Lobby geräumig und eine kleine Treppe führt zu einem Restaurant. Das Zimmer ist groß, die Bettwäsche frisch und das Badezimmer einfach aber sauber.
Als unsere Koffer auf dem Zimmer sind treffen wir uns kurz mit Prakash. Auch er hat hier im Hotel eine Unterkunft erhalten und wir besprechen kurz die Pläne für morgen.
Heute Abend werden wir nichts mehr unternehmen, es ist draußen bereits dunkel und wir sind alle drei müde. Prakash möchte nicht einmal etwas zum Abendessen, er möchte sich nach der langen Fahrt einfach nur ausruhen.
Edith und ich jedoch gehen noch in das Hotel Restaurant. Das Essen ist gut und zum Abschluss gibt es wie überall  einen Teller mit Fenchelsamen und Zucker. Dies gilt als Gegenmittel gegen eventuellen essensbedingten schlechten Atem.

Hotelhalle

Doch hier ist zusätzlich etwas Unbekanntes auf dem Tellerchen, es sieht aus wie Safran- nur in dunkelrot. Was ist das? „This is Betel“ erklärt mir der Kellner bei meiner  Frage. Ach? So klein geschreddert?  Vorsichtig probiere ich, ja das schmeckt so, wie es riecht. Fruchtig und angenehm, zumindest in der von mir versuchten kleinen Menge. So wenig wird sicher nicht meine Zähne verfärben. Doch sicherheitshalber schenke ich Edith ein strahlendes Lächeln. Zuckt sie erschrocken zusammen? Nein, keine Reaktion! Also sind meine Zähne nach wie vor weiß und ohne rote Flecken.
Nachdem wir bezahlt haben gehen wir auf unser Zimmer und nach dieser langen Fahrt fallen uns beiden auch bald die Augen zu. Ich schaffe es gerade noch mein Buch auf den Nachtisch zu legen, bevor es mir auf die Nase fällt.

der vorhergehende Reisebericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/indien-rundreise-ahmedabad-die-hauptstadt-von-gujarat/

Indien Rundreise Mumbai und Gujarat

 

 

StepMap

 

 

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Über den Autor

Elke Hoppe

Vor ca. 20 Jahren bin ich von Deutschland nach Spanien ausgewandert, um auf der Sonnenseite Europas leben zu können. Doch auch von hier aus habe ich das Bedürfnis mehr von der Welt kennen zu lernen. Da es mir zeitlich und beruflich möglich ist, mache ich seit 2005 einmal im Jahr eine „große Reise“. Begleitet werde ich dabei von Edith, meiner Mutter, die vor 18 Jahre ebenfalls aus dem deutschen Regen in die spanische Sonne geflüchtet ist. Bisher hat uns unsere Reiselust nach Asien, Kenia und Peru geführt. Für das Jahr 2009 hatten wir uns für Indien entschieden und dort neben Rajasthan inzwischen auch andere Regionen besucht. Auf den Rundreisen in Indien waren wir in Begleitung von unserem Fahrer Prakash Acharya. Er ist ein zuverlässiger und informativer Reisebegleiter, den ich sehr empfehlen kann. Prakash hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und falls jemand mit ihm eine Rundreise machen möchte bin gerne bereit den Kontakt herzustellen.

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