Indien Reisebericht – mit dem Auto von Jammu in Kaschmir nach Delhi
Donnerstag
Auf ein Frühstück müssen wir heute verzichten, schon um 6ººh morgens geht es weiter. Es ist noch dunkel, als wir aus dem Hotel auschecken und unser Gepäck in das Auto geladen wird. Unsere Ansichtskarten lassen wir hier, die nette Dame von der Rezeption hat uns angeboten sie für uns zu versenden. Wir geben ihr die Portogebühren und verlassen uns auf ihre Ehrlichkeit.
Prakash steht schon neben seinem Auto bereit und wartet auf uns. Ein letzter Blick zurück zum Hotel und dann verlassen wir Jammu. Am Himmel steigt langsam die Sonne auf, als wir die Stadt hinter uns lassen.
Nun sind wir wieder auf der Landstraße unterwegs und ich hoffe wir schaffen die weite Strecke an einem Tag. Siebenhundert Kilometer- in Europa kein Problem. Doch die indischen Straßenverhältnisse sind sehr verschieden von dem was wir kennen und die Aufmerksamkeit des Fahrers darf keinen Moment nachlassen. Zu viele Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer verlassen sich auf ihr gutes Karma, anstatt mal nach links und rechts bzw. in den Rückspiegel zu schauen.
Vor uns fährt ein Lkw mit einer für Kaschmir typischen Bemalung. Dieser hat sich für zwei Friedenstauben entschieden, die kunstvoll auf die rückseitigen Türen aufgemalt wurden. Ein anderer Lastwagen hat das Bild einer Raubkatze auf seinem Wagen prangen. Diese Bilder sind der Stolz der Fahrer und nach dem Autokauf lässt jeder sein persönliches Motiv auf das Auto malen. Die Motive richten sich natürlich nicht nur nach Geschmack und Wunsch, sondern auch nach dem Geldbeutel. Je kunstvoller und detaillierter ein Bild ist, umso teurer kommt es den Auftraggeber.
Wir fahren auf unserem Rückweg nicht wieder über Amritsar, sondern Prakash hat sich für die kürzere Variante entschieden. Dabei müssen wir zwar durch etliche Kleinstädte fahren, aber dafür kürzen wir ein gutes Stück der Strecke ab. Unterwegs bietet sich uns das tägliche Bild auf Indiens Straßen mit Ochsenkarren, Rikschas sowie kleinen und größeren Autos aus den unterschiedlichsten Baujahren.
Doch trotz der vielen Kilometer, die wir nun schon auf dieser Reise gefahren sind, entdecke ich wieder etwas Neues. Halbfertige Lkw´s! Sie haben zwar schon vier Räder, ein Lenkrad und den Fahrersitz, doch es fehlen Kühlerhaube und die Fahrerkabine mit den Türen. Der „Transporteur“ sitzt auf dem noch unfertigen Rohling des zukünftigen Fahrersitzes im Freien und fährt das unfertige Fahrzeug an einen Standort zur weiteren Montage. Prakash wundert sich über mein Erstaunen. „Die müssen jetzt in das Werk gebracht werden, wo der Rest gebaut wird“ erklärt er mir. „Wie werden denn in Europa die Lkws von einem Standort zum anderen transportiert?“ Keine Ahnung! Aber auf jeden Fall nicht so!
Nach einigen Stunden Fahrt erreichen wir die Landesgrenze zwischen Jammu-Kaschmir und dem Punjab. Hier hatten wir auch auf der Hinfahrt einen Halt eingelegt und die Zeit in der Prakash die Formalitäten erledigt genutzt, um eine kleine Pause zu machen. Ich hole mir auf jeden Fall nochmal eine Portion von den leckeren Pakora aus gelben Linsen. Diesmal ohne Zwiebeln, nur mit Chilisosse! Dazu gehe ich zu dem gleichen Stand wie auf der Hinreise. Hier macht alles einen sauberen und gepflegten Eindruck. Der Verkaufsstand ist frisch gestrichen, die Schalen mit neuem Zeitungspapier ausgelegt und der Koch trägt ein frisches Unterhemd.
Die Linsenkroketten schmecken köstlich! Auch Prakash holt sich eine Portion, als er wieder zurück ist. „Schau mal“, macht er mich aufmerksam. „So wird der Teig hergestellt.“ Ich drehe mich um und staune mal wieder. Der Hilfskoch sitzt hinter dem jeweiligen Verkaufswagen zwischen all dem Gerümpel und Papier auf dem Boden und zerdrückt in einer großen, dickwandigen Steinschale mit einem Holzmörser die Linsen. Dazu kommen vermutlich Zwiebeln und Gewürze, ein wenig Wasser und dann wird so lange gestoßen und zerdrückt bis ein recht fester Brei entsteht. Dieser wird danach auf dem Wagen und für alle sichtbar vom „Chefkoch“ zu kleinen Teigbällchen geformt und in heißem Öl frittiert. Ich gehe nun einfach mal davon aus, dass der Hilfskoch durch Erfahrung in der Lage ist, in dieser Umgebung einen sauberen und appetitlichen Teig herzustellen.
Die Chilisosse hat durstig gemacht, daher bestelle ich mir an einem der Getränkebuden einen Tee. Da kann ich ja nichts verkehrt machen! Ich nehme an, das Wasser wird gekocht und mit dem Teebeutel in einem Plastikbecher serviert. Doch mit großen Augen beobachte ich, wie der Verkäufer zu einem Wasserrohr an der Straße geht und dort Wasser direkt in einen Plastikbecher abfüllt. Damit geht er zu der Espressomaschine, erhitzt kurz das Leitungswasser mit Dampf und hängt einen Teebeutel hinein bevor er mir den Becher reicht. Wieso hat der hier überhaupt so eine moderne Maschine?
Nebenan werden Chapatis in einem Steinofen gebacken. Fasziniert schaue ich zu wie die Teigkugeln ausgerollt oder geformt werden, ja nachdem ob sie eine Füllung bekommen oder nicht. Danach werden sie in dem Steinofen gebacken. Der Ofen ist geformt wie ein breites Rohr und die Teigfladen werden zum Backen an die heißen Ofenwände geklebt.
Ob ich mal versuchen soll wie so ein Chapati schmeckt? Doch Prakash drängt zum Aufbruch und er hat recht, denn wir haben immer noch fast 500 km Fahrt vor uns. Doch vor dem Einsteigen schieße ich noch rasch ein Foto von Polizisten, die zu dritt auf einem Moped an uns vorbei tuckern. Für so was hat mein Bruder mal einen Strafzettel bekommen!
Kurz darauf sind wir wieder unterwegs, mitten im abenteuerlichen indischen Verkehr. In Jalandhar kommen wir auf die Straße, die von Pakistan über Delhi und weiter bis nach Kalkutta führt. Nun geht es auf dem viel befahrenen Highway zügig weiter um möglichst vor dem Feierabendverkehr in Delhi anzukommen. Unterwegs gibt es vieles zu beobachten, wie z.b. eine Autowerkstatt. Das Auto wird mit zwei Stangen in Schieflage gebracht und die Mechaniker sitzen unter dem Auto. Das nenne ich Vertrauen in die eigene Konstruktion!
Bewundernswert ist der Gleichgewichtssinn, mit dem viele auf einem Ochsenkarren stehen und das Gefährt durch den hupenden Verkehr lenken. Bei diesem Balanceakt ist einer sogar noch am Telefonieren!
Am frühen Nachmittag legen wir eine größere Pause in einem Restaurant ein. Es tut gut sich zwischendurch die Füße zu vertreten. „Welcome!“ ruft uns der Besitzer entgegen. Er empfiehlt uns einen Tisch im Inneren, dort hat er eine Klimaanlage. Doch wir entscheiden uns für ein schattiges Plätzchen unter einem Baum und sind trotz der uns umsurrenden Fliegen mit der Wahl zufrieden. Prakash bestellt Wasser und einen Tee und ich wundere mich über die langen Erklärungen. Was erzählt er denn immer beim Bestellen? Warum sagt er nicht einfach „Chai masala!“ ? Prakash schaut ein wenig erstaunt und erklärt mir: „Ich sage ihm natürlich, dass er das Wasser richtig kochen soll, so lange bis es eine Zeit lang sprudelt. Ansonsten macht er es nur heiß, manchmal sogar mit nur Dampf.“ Ach ja, richtig!
Nach dem Essen machen wir uns auf die letzte Etappe unserer heutigen Fahrt. Je näher wir der Großstadt Delhi kommen, um so sichtbarer wird die Armut. Unter einer der Brücken, direkt neben der viel befahrenen Straße, hat sich ein Zeltlager gebildet. Was machen diese armen Menschen während der Regenzeit? Gleichzeitig denke ich an die vielen Obdachlosen, welche ich im Januar in Delhi gesehen habe. Sie haben nicht einmal eine Zeltplane und auch keine Decke um sich im Winter zu wärmen.
Kurz darauf haben wir die Randbezirke von Delhi erreicht und Prakash ist erleichtert, denn wir werden mit noch ein klein wenig Glück vor dem schlimmsten Berufsverkehr die Zufahrtsstraßen erreichen. Doch zuerst halten wir an einer Tankstelle, auch Prakashs Auto braucht hin und wieder „Nahrung“. Dort fällt ein großes Plakat ins Auge, auf dem Reklame für Autogas gemacht wird.
Der Preisunterschied ist wirklich enorm. „Ja, und viel besser für die Umwelt.“ erzählt uns Prakash. In Delhi werden alle Tuktuks steuerlich begünstigt, die ihren Verbrauch auf Gas umstellen. „Sie sind sogar farblich gekennzeichnet, es sind die grün-gelben Tuktuks“ lässt uns Prakash wissen. „Ein Minister hat beschlossen, dass in Delhi in Kürze alle Tuktuks mit Gas fahren, denn ihr Öl-Benzingemisch hat die Luft sehr stark verschmutzt.“ Doch nicht nur die Tuktuks, sondern auch alle Linienbusse sind auf Gas umgestellt worden. Die Stadt geht in diesem Fall mit gutem Beispiel voran. War das im Januar auch schon so? „Nein, das ist erst seit ein paar Monaten“ bekomme ich von Prakash zu hören. Ich habe mich bereits gewundert, denn ich habe Delhi viel dunstiger und mit viel mehr Smog in Erinnerung.
Allerdings war ich der Ansicht, dies liege evt. an der Jahreszeit und am Luftdruck. Hat dieser Unterschied im Verbrauch von Kraftstoff wirklich so schnell und so einen großen Einfluss? „Die Politiker sagen, dass die Luft in Delhi nun viel besser sei. Hoffentlich stimmt es!“ ist dazu Prakashs Kommentar.
Nicht viel später haben wir Delhi erreicht und schaffen es gerade noch vor dem großen Ansturm. Prakash nimmt einen Schleichweg durch schmale Straßen eines Stadtteiles von Delhi, um die inzwischen sehr volle Stadtautobahn zu umgehen. Und dann haben wir es endlich geschafft! Nach über 10 Stunden Fahrt stehen wir von dem Hotel Surya Shelter in Karol Bagh. Die Hotelangestellten begrüßen uns wie ein Familienmitglied, das nach einer langen Reise zurückkehrt. Das Zimmer hat die gleiche Ausstattung wie bei unserem ersten Aufenthalt, also kein Fenster aber Klimaanlage. „Diese Klimaanlage ist besser“ versichert uns der Rezeptionist. „Sie macht keinen Lärm.“ Auf dem Flur begegnet uns der Kellner aus dem Hotelrestaurant. „Kommen Sie zum Dinner? Ich habe schon eine Flasche Wein kaltgestellt“ lässt er uns mit einem fröhlichen Lächeln wissen. Gute Idee! Das ist die beste Art diesen langen Tag zu beschließen. Doch zuerst möchten wir ein wenig den Fahrstress ablegen. Über das „wie“ sind Gabi und ich unterschiedlicher Meinung. Ich möchte mich ein wenig bewegen, Gabi hat Sehnsucht nach einer ausgiebigen Dusche und ein wenig Ruhe. Daher mache ich mich alleine auf den Weg und bummle die mir inzwischen bekannten Einkaufsstraßen von Karol Bagh entlang. Ich beachte kaum die Schaufenster, sondern lege lieber ein schnelleres Gehtempo an. Manchmal ist das in dem Menschengewühl nicht ganz einfach, aber die Bewegung tut mir gut. Als ich zurück ins Hotel komme liegt Gabi entspannt auf dem Bett, auch sie hat sich inzwischen sichtbar erholt.
Nachdem ich mich geduscht und ein wenig auf dem Bett entspannt habe erkläre ich Gabi: „Weißt du, es war ausgesprochen erholsam alleine durch die Strassen zu gehen.“ Gabi lacht und meint: „Es hat auch sehr erholsam für eine kurze Weile alleine zu sein.“ Somit haben wir mal wieder festgestellt, dass wir uns auf Reisen sehr gut ergänzen.
Den Abend beschliessen wir wie geplant auf der Dachterrasse. Da die Angestellten gerne Feierabend machen möchten, lassen sie uns mit dem Versprechen später die Tür zuzumachen alleine. Somit haben wir einen privaten „Dachgarten“ und können den Tag in Ruhe mit dem fürsorglich kaltgestellten Wein ausklingen lassen.
mein vorhergegangener Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/indien-erlebnisbericht-die-rueckreise-aus-dem-kaschmir-tal-bis-nach-jammu/
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