Indien Reiseerlebnis- von Ranthambhore nach Fathepur Sikri und Agra
Dienstag
Heute geht die Reise weiter zu einem der Höhepunkte unserer Rundfahrt; das 390 km entfernte Agra, wo wir morgen das weltberühmte Taj Mahal besichtigen werden.
Bei unserer Abfahrt ist es auch heute wieder kalt und neblig, und fröstelnd knöpfe ich im Auto meine Jacke zu. Die Sicht ist sehr schlecht und bei der Abfahrt denke ich nochmals an die Tigerjägerin, sie hat für heute früh eine weitere Safari gebucht.
Kurz bevor wir den Ort Sawai Madhopur erreichen bekommt Prakash einen Anruf auf seinem Handy. Es sind die lokalen Reiseleiter , sie sind in unserem Hotel und möchten mich unbedingt nochmals persönlich sprechen.
Prakash verspricht langsam zu fahren, so haben sie die Möglichkeit uns einzuholen. Zehn Minuten später ist es dann soweit, im Rückspiegel taucht ein Moped auf und als es auf unserer Höhe ist kann ich die beiden erkennen. Durchgefroren und mit , durch den Frühnebel, feuchter Kleidung steigen sie von ihrem Moped und kommen zu unserem Auto. Was ist denn so wichtig, dass sie bei dieser Kälte früh morgens bis zum Hotel Pagma fahren? „Mam, how did you like your stay? Was everything o.k.?“ ist die zähneklappernde Frage. „Und können sie bitte dieses Formular ausfüllen?“ Was für ein Formular? Neugierig lese ich mir das wichtige Schriftstück durch. Es ist ein Fragebogen, auf dem ich mit kleinen Kreuzchen meine Zufriedenheit mit der Reisegesellschaft, den Reiseleitern und dem Hotel Ausdruck geben kann. Warum haben sie das nicht gestern Abend mitgebracht? Dann hätten sie sich diese Mopedfahrt durch die Kälte sparen können. Sie lächeln beide, wackeln mit dem Kopf und reichen mir mit vor Kälte zitternder Hand einen Kugelschreiber. Die Ärmsten, natürlich bekommen sie ein Zufriedenheits- Kreuzchen! Und das Hotel? Da beschränke ich mich auf die Spalte „Kommentare“ und betone die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit des Personals. Doch die vom Hotel aufgestellten Regeln betreffs der Essenseinladung für unseren Fahrer, der nach so vielen Tagen zu einem Freund geworden ist, das gefiel mir in diesem Hotel absolut nicht.
Die nun folgende Fahrtzeit ist wie immer abwechslungsreich und voller neuer Eindrücke. Wir sehen einen Landschaftswechsel und damit auch andere Wirtschaftsbereiche. Wo bisher vorwiegend Landwirtschaft und Tierhaltung zu sehen war, bietet sich uns nun das Bild von großen, weißen Schornsteinen in denen Ziegel gebrannt werden und auf riesigen Feldern wird in dieser ebenen Landschaft Senf angebaut. In einem der Dörfer findet ein Tiermarkt statt und Ziegen und Schafe werden von Lastwagen auf- bzw. abgeladen.
Vor dem Eingang zum Markt stehen Holzwagen auf denen die verschiedensten Speisen zubereitet werden. An anderen Stellen sitzen und stehen Gruppen von Männern zusammen und feilschen um den besten Preis. Einige sind anscheinend Großhändler, andere wiederum kommen mit einem Schaf, welches sie an einem Strick zum Markt führen. Als zwei der Marktbesucher mein Interesse bemerken, bleiben sie stehen und präsentieren stolz ihr Schaf für eine Fotoaufnahme.
Ein weiterer Industriezweig, den wir auf diesem Weg sehen, ist die Gewinnung von Brenn- und Heizmaterial. Hierzu werden die Kuhfladen gesammelt, zu großen flachen „Scheiben“ geformt und in der Sonne zum trocknen ausgelegt.
Ungefähr 40 km vor Agra haben wir unser erstes heutiges Ziel erreicht: Fatehpur Sikri. In dieser, nur 14 Jahre lang bewohnten Stadt, sind die roten Sandsteingebäude noch so gut erhalten als habe ihr Gründer Akbar sie erst gestern verlassen. Um die Gründung rankt sich eine Geschichte: Oberhalb des Dorfes Sikri lebte ein Heiliger Namens Sheikh Salim Chishti. Akbar suchte ihn auf, um für die Geburt eines männlichen Kindes zu bitten. Nach der Geburt seines ersten Sohnes baute er nahe des Aufenthaltsortes des Mystikers 1571 die Moschee Jama Masjid. Nach dem dritten Sohn entschloss sich Akbar hier eine mächtige Stadt zu bauen. Die Architekten und Baumeister setzten sich zum Ziel, dieser königlichen Stadt eine Gestalt zu geben, die „grösser und besser“ als London war. 1573 benannte Akbar die Stadt um in Fatehpur, Stadt des Sieges.
Diese, auf einem Höhenzug gelegene Stadt, ist nur mit einem Tuktuk zu erreichen. Prakash handelt für uns mit einem Fahrer den Preis aus und wir werden die sehr steile Auffahrt hinauf gebracht. Unterwegs springt ein angeblicher Reiseleiter auf das Tuktuk: „You want guide? I show you all for a good price!“ Nein danke! „Ich bin offizieller Führer, hier ist mein Ausweis“ versichert er uns und hält uns ein in Hindi geschriebenes Papier vor die Augen. Wer weiß was das ist! Vielleicht ein Strafzettel für das Aufspringen auf fremde Tuktuk´s. Doch trotz meinem NEIN ist erst ein recht unfreundlicher Ton nötig um ihn zum Abspringen zu bewegen.
Da der Preis für Hin- und Rückfahrt ist, gibt uns der Fahrer seine Telefonnummer. Mit dem Ruf „If you finish call me!“ tuckert er los um in der Wartezeit einen weiteren Kunden zu finden.
Nachdem wir auch hier wieder einen der örtlichen Führer engagiert haben besichtigen wir zuerst den Palast. Unser Führer erklärt ausführlich und interessant über das damalige Leben vor 400 Jahren. In dieser gut erhaltenen Anlage hat Akbar mit seinen drei Frauen gelebt; eine Islamistin, eine Hinduistin und eine Christin. Jede der drei Gemahlinnen hatte ein eigenes Haus, welches in dem Stil ihres Glaubens gebaut wurde. Das Haus der portugiesischen Ehefrau z.B. hat den Grundriss einer Kirche mit dem Mittelschiff und den beiden Seitenschiffen.
In einem seiner privat Räume hat Akbar eine Säule errichten lassen mit Ornamenten aus allen damaligen wichtigen Religionen. Dies sollte das friedliche Miteinander der verschiedenen Glaubensrichtungen symbolisieren. Sein Ziel war ein friedliches Zusammenleben und er gründetet eine neue Religion, eine Synthese aus Islam, Hinduismus, Buddhismus und Jainismus. Hier am Hof von Akbar fand reges kulturelles Leben und Austausch statt und Fatehpur Sikrit verfügte über eine Bibliothek mit 24.000 Manuskripten.
Nach diesem Rundgang geht es weiter zur Besichtigung der Moschee. Da Edith noch immer erkältet ist möchte sie lieber draußen warten, bevor sie ihre Schuhe ausziehen muss.
In Begleitung unseres Führers gehe ich durch das 40 Meter hohe Haupttor in den Innenhof der Moschee. In diesem Innenhof befindet sich das Grabmal des Sheikh Salim Chishti mit wunderschönen Marmorelementen.
Hierher kommen viele Pilger und Pilgerinnen um an diesem Grab um die Geburt eines Sohnes zu bitten. Mit einer kleinen Spende könne ich mich diesen Pilgern gerne anschließen und auch um den Segen des Weisen bitten, werde ich von unserem Führer informiert. Doch darauf verzichte ich lieber, ich lasse mich ja auch nicht von einem Storch ins Bein beißen.
Zum Abschluss fragt mich unser Führer nach der Telefonnummer des Tuktuk Fahrers, doch da dieser im Moment gerade andere Kunden hat werden wir von einem seiner Kollegen zurück zum Parkplatz gefahren. Nachdem wir uns an den Souvenirläden vorbeigekämpft haben sind wir wieder auf dem Parkplatz und finden auch sofort das Auto. Doch wo ist Prakash? Ich entdecke ihn einen kleinen Moment später. Er steht zusammen mit anderen Fahrern um einen weißen Minibus und alle sind angeregt am diskutieren. Was gibt es denn dort besonderes? Kurz darauf bekommen wir von Prakash eine fast unglaubliche Geschichte zu hören. Zu dem Minibus gehört eine Reisegruppe von neun Personen, die genau wie wir Fatehpur Sikrit besichtigt hat. Der Fahrer, der am Auto wartete, hat sich offensichtlich die Wartezeit mit einer Flasche Schnaps vertrieben. Nun liegt er in seinem Minibus, schnarcht laut und ist nicht aufzuwecken. Selbst wenn er zu sich käme, die Gruppe ist nicht bereit sich von diesem Chauffeur weiterhin fahren zu lassen. Doch wir warten nicht ab wie dieses Transportproblem gelöst wird, sonder starten zu unserer Weiterfahrt.
Eine halbe Stunde später haben wir Agra erreicht. Es herrscht Feierabendverkehr und in den schmalen Strassen wird gedrängelt und gehupt wie überall in Indien. Wie kam ich eigentlich auf die Idee Agra sei anders? Habe ich mir vorgestellt die ganze Stadt sei ein Taj Mahal? Doch Prakash beruhigt mich: „So geht es vielen die das erste mal nach Agra kommen. Ausserdem sind die Strassen hier wirklich schmaler als in anderen Städten dieser Grösse“. Agra, auf meiner Landkarte ein kleiner Fleck im Verkgleich zu Delhi, hat über 1.300.000 Einwohner und ich habe das Gefühl die Hälfte davon fährt ein Tuktuk. Wo ich auch hinschaue wimmelt es von den, hier in Agra einheitlichen gelb-schwarzen Fahrzeugen. Ob wir wohl irgendwo einen Blick auf das Taj Mahal erhaschen können? Doch wir erreichen das Hotel ohne auch nur eine Dachspitze dieses berühmten Grabmahls zu sehen. Das muss bis morgen warten.
Diese Nacht wohnen wir nicht in einem Palast, sondern in einem modernen zehnstöckigen Hotel. Die Zimmer sind sauber und praktisch eingerichtet und eine Karte des Zimmerservice liegt aus.
Da es mal wieder ein langer Tag war gehen wir heute im Hotel zum Abendessen. Die Karte bietet eine grosse Auswahl und wir entscheiden uns für ein vegetarisches Gericht, Reis und ein Lammcurry. Doch das wichtigste haben wir bei der Bestellung vergessen: Spicy, please! Und so bekommen wir ein recht mildes, für westlichen Geschmack gekochtes Abendessen.
Doch wir bestellen dazu eine Flasche Wein und verbringen einen fröhlichen Abend im Hotelrestaurant bevor wir in unserem Zimmer müde in die Betten fallen.
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