Srinagar und eine Bootsfahrt auf dem Dal See am Fusse des Himalaya –
Srinagar, Montag
Für den heutigen Tag steht ein ruhiger Ausflug auf dem Programm: Einkaufsbummel und Besichtigung der Stadt Srinagar. Srinagar, die Hauptstadt von Kaschmir, ist eine Universitätsstadt mit ca. 900.000 Einwohnern und liegt 1.740 m über dem Meeresspiegel. Durch die vielen Wasserläufe des Dal Sees wird Srinagar auch oft das Venedig Indiens genannt. Inzwischen sind wir schon drei Tage bei Mr. Butt auf dem Hausboot, doch ein Besuch in der Altstadt von Srinagar steht noch aus.
Mit Prakash haben wir uns um 9ººh verabredet, allerdings möchten wir das Auto hier lassen und mit einem Tuktuk in die Stadt fahren. So sind wir flexibel und umgehen die Parkplatzsuche.
Wie jeden Tag ist auch Mr. Butt wieder zur Stelle um uns für den heutigen Tag zu verabschieden. Er ist ein wenig erstaunt: „Ein Tuktuk? Ihr möchtet mit einem Tuktuk fahren?“ Doch schulterzuckend verkneift er sich jeden weiteren Kommentar und wünscht uns zum Abschied einen schönen Tag. „Denkt an meinen Papyrus Laden, den habt ihr noch nicht gesehen!“ ruft er uns nach, bevor sich das Tor schließt.
Und wo finden wir ein Tuktuk? Ich schlage vor, uns zu Fuß auf den Weg in Richtung Zentrum zu machen. Es wird bestimmt nicht lange dauern, bis eines der vielen Tuktuks in Sichtweite kommt. So ist es denn auch und nachdem Prakash den Preis ausgehandelt hat sitzen wir zu dritt in dem kleinen Gefährt .
Unser erstes Ziel ist das „Gouverment Handikrafts Emporium“, ein staatliches Geschäft mit Handarbeiten und festen Preisen. Dort können wir uns neben dem Einkaufen auch über die örtlichen Preise orientieren.
Die Fahrt führt uns kreuz- und quer durch kleine Gassen, in denen Schreiner arbeiten,Händler ihr Gemüse anbieten und Metzger in engen Käfigen die gackernden Hühner vor die Ladentür stellen. Halbe Hammel hängen wie große Türglocken vor dem Eingang, so dass der Kunde die Qualität des frischen Fleisches schon auf der Straße beurteilen kann.
Nach einer halben Stunde Fahrt erreichen wir das Handicraft Emporium. Es befindet sich in einer alten Residenz inmitten eines weitläufigen Parks. Hier soll ein kunsthandwerklicher Markt sein? Es ist so ruhig! Keine Händler die auf ihre Ware aufmerksam machen. Ob wir hier richtig sind?
Doch wir sind tatsächlich am richtigen Ort. Im Inneren des Gebäudes sind auf zwei Stockwerken die angebotenen Waren verteilt. Möbel und Teppiche im Erdgeschoss, Artikel wie Kaschmirschals, Holzschnitzereien und handbestickte Kaftane in der oberen Etage.
Wir sind an diesem Vormittag die einzigen Kunden und so können wir uns ungestört das Angebot betrachten. Bei den Teppichen bleibe ich bewundernd stehen, doch meine Wohnung und mein Geldbeutel sind zu klein für die hier angebotene hochwertige Ware.
Im oberen Stockwerk probiert Gabi handbestickte Jacken, während ich nach den Kaschmirschals schaue . Ich entscheide mich für einen unifarbenen handbestickten Schal und Prakash findet einen Glücksanhänger für den Rückspiegel in seinem Auto. Der Glücksbringer, ein kleines Glöckchen aus bemaltem Glas, erinnert mich sehr stark an deutschen Weihnachtsbaumschmuck.
Nach knapp einer Stunde stehen wir wieder in dem Park. „Ob es hier auch so eine richtige Einkaufsstraße gibt?“ möchte Gabi wissen. Wir wenden uns wieder an einen Tuktukfahrer, der uns in eine nicht weit entfernte Straße bringt. Hier finden wir ein Stoff- und Bekleidungsgeschäft neben dem anderen. Die Angebote sind günstig und da Gabi selbst sehr viel zu Hause näht ist sie hier in ihrem Element. Stoffe in allen Farben und Mustern, doch auch Blusen, Kaftane und Kaschmirschals. Die Preise entsprechen in etwa denen aus dem staatlichen Laden oder sind sogar noch günstiger. Die Verkäufer breiten ihr Angebot aus, eine Stoffbahn nach der anderen wird auf dem langen Tisch ausgerollt. Hand bestickte Kaftane aus Rohseide werden vor uns ausgebreitet, Kaschmirschals und Saris liegen aufgetürmt auf den Stühlen und Bänken.
Als wir wieder auf die Strasse treten, sind wir alle drei mit Tüten bepackt.
Eigentlich wollte ich ja ein paar Ohrringe kaufen, doch nun habe ich ein naturseidenes Hauskleid. Wir schauen noch in einige Schmuckgeschäfte, doch werden wir bei den Juwelieren nicht fündig.
Inzwischen ist es Mittagszeit und wir halten Ausschau nach einem Restaurant. Kurz darauf haben wir uns für eines entschieden und wie schon die anderen Tage zuvor haben wir einen Glückstreffer gelandet. Das Essen ist hervorragend und zufrieden machen wir uns im Anschluss von neuem auf den Weg. Mit Tüten beladen steigen wir in ein weiteres Tuktuk auf der Suche nach einem lokalen Markt.
Der Tuktukfahrer kutschiert uns bis zur Shah Hamadan-Moschee, die 1395 ganz aus Holz gebaut wurde. Inzwischen wurde sie zwei mal durch Feuer zerstört und wieder aufgebaut. „Möchtet ihr die Moschee besuchen?“ fragt der Tuktukfahrer bei der Ankunft an unserem Ziel. Doch da besteht bei keinem von uns großes Interesse. Was uns interessiert, sind die kleinen Gassen mit ihren Geschäften rund um die Moschee.
Hier gibt es alles! Haushaltsartikel, künstliche knallbunte Blumen, getrocknete Hammelfüsse, Staubwedel, Schmuck und Bekleidung. Fasziniert schlendern wir durch die kleinen und engen Gässchen. Die Haushaltswaren sind vorwiegend aus Plastik und sehr bunt, genau wie die künstlichen Blumen. Daneben stehen Töpfe für eine Grossfamilie aus blitzendem Edelstahl.
Die getrockneten Hammelfüße werfen für uns einige Rätsel auf. Werden sie in der Suppe mitgekocht? Oder ist das verbliebene Fleisch an den Beinen ein kleiner Snack für zwischendurch?
An einem der Stände finde ich eine Holzrolle um Chapatiteig auszurollen. Prima, genau danach hatte ich schon die ganze Zeit Ausschau gehalten. Nun bin ich stolzer Besitzer einer Kaschmiri -Nudelrolle! Prakash bleibt geduldig an unserer Seite und hilft die vielen Tüten und Taschen zu tragen. Ist ihm nicht langweilig? „Nein, nein!“ lacht er „Überhaupt nicht!“ Nun, so ganz sicher bin ich mir da nicht, denn für ihn sind solche Marktstrassen mit bunten Plastikschüsseln bestimmt weder neu noch sonderlich interessant.
Auf der Rückseite der Moschee gehen die Gassen weiter.
Hier sind sie überdacht, ähnlich wie in einem großen Zelt. Jeder Händler hat seinen eigenen, mit Planen abgegrenzten, Bereich in dem er auf seine Kundschaft wartet. Andere nutzen die Wartezeit und halten einen Mittagsschlaf, wie einer der Verkäufer, der sich auf seinen Waren ein anscheinend bequemes Bett gebaut hat. Er schläft tief und fest während Gabi im vorbei gehen ein Foto schießt.
Ein weiteres Geschäft, dass meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist ein Verkaufsstand für Burkas. Es erstaunt mich schon seit Tagen, wie viele Frauen hier in Kaschmir die Burka tragen. Sicher, es ist ein moslemischer Staat, doch selbst in arabischen Ländern wie Jordanien, Libanon, Ägypten und Marokko habe ich nicht so viele total verschleierte Frauen gesehen wie hier in Kaschmir. Ich werfe einen Blick in das Innere und auf die beiden männlichen Verkäufer- das gesamte Warenangebot ist schwarz. Alles in einer Farbe! Doch die Hauskleider, die unter der eigentlichen Burka getragen werden, sind aufwendig mit Goldfäden bestickt und mit glitzernden Pailetten verziert. Auch wenn der Schnitt bei allen gleich ist, die Verzierung ist bei jedem Kleid anders. Dies sind die eigentlichen Kleider, die von den Frauen unter der Burka und im häuslichen Bereich getragen werden. Die Burka wird nur angelegt, wenn das Haus verlassen wird und die Trägerin den Blicken fremder Menschen ausgesetzt ist. Doch trotz Goldstickerei bin ich froh, meine westliche Kleidung und hin und wieder einen farbenfrohen Schal tragen zu können.
Unser Rundgang führt uns an weiteren Verkaufsständen mit Herrenhemden, Unterwäsche und anderen nützlichen und manchmal unnützen Angeboten vorbei.
Nachdem wir das Gefühl haben alles Sehenswerte entdeckt zu haben, beschließen wir uns so langsam auf den Heimweg zu Mr. Butts Hausbooten zu machen. Die ganze Strecke mit einem Tuktuk? Doch Gabi hat die bessere Idee: „Lasst uns doch zum See fahren und ein Shikara nehmen.“ Ein Shikara ist ein Boot, in dem man sich wie ein Maharaja auf einer Matratze ruhend über den See paddeln lässt. Ein absolutes „Muss“ in Srinagar!
Ein Tuktuk ist auch hier schnell gefunden und der Fahrer setzt uns an der Bootsanlegestelle am Dal See ab. Wir werden mit zwei der Bootsvermieter handelseinig und steigen zu dritt in das etwas lange und wacklige Gefährt. Zusammen mit Gabi setze ich mich auf die Matratze und wir lehnen den Rücken gegen die bereitliegenden Kissen und strecken unsere Beine aus. Danke schön, sagen meine Füße, als sie sich nach dem langen Einkaufstag ausruhen können. Prakash hat es sich am Fußende bequem gemacht und so gleiten wir in dem Boot über den See.
Es geht vorbei an Hausbooten, teilweise zum Vermieten doch sehr viele sind von einheimischen Familien dauerhaft bewohnt. Da flattert bei manchen Schiffen die Wäsche an einer Leine, einige Bewohner sitzen auf Stühlen auf ihrer Terrasse und Kinder veranstalten ein Wettspringen in den See. Die meisten der Hausboote haben Namen, manche davon muten ein wenig seltsam an wie z.B. „Neuer Luzifer“. Ob man in Indien Luzifer kennt? Die meisten der Boote sehen gepflegt aus und haben einen farbenfrohen Anstrich. In einigen der Hausbooten befinden sich Geschäfte mit Lebensmittel, Stoffen und Haushaltswaren. Es ist eine kleine Stadt auf dem See.
Doch nun bekommen wir Besuch. Ein kleines Ruderboot hat bei uns angedockt und ein junger Mann wünscht uns freundlich „Hallo!“ Direkt neben Gabis Knie breitet er ein weisses Tuch aus und beginnt seine Schmuckkollektion zu präsentieren. Gott sei Dank hat er bei Gabi angedockt! So hat sie den schwarzen Peter, wie man den Typ wieder los wird. Doch Gabi lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und betrachtet geduldig die Armreifen, Ringe und Halsketten. „It´s good quality“ versichert der junge Mann und packt weitere Päckchen aus seinem Koffer. „Welche Schmuckstücke gefallen dir denn am besten? Die Armbänder? Oder lieber die Halsketten? Was interessiert dich denn?“ möchte er von Gabi wissen. Aha, diese Frage ist ein untrügliches Zeichen, dass er nicht noch mehr auspacken möchte. Jetzt tastet er ab, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt.
Inzwischen haben wir ein weiters Ruderboot in unserem Kielwasser. Ein Händler mit grossen Paketen wartet hoffnungsvoll, dass er den Platz des Schmuckverkäufers einnehmen kann. Was will er denn verkaufen? Lederjacken und -mützen, teilweise mit Lammfell gefüttert.
Nein danke, da besteht absolut kein Interesse. So braucht er nicht seine Zeit unnötig in der Warteschlange verbringen. Er startet einen letzten Versuch und bietet Ledergürtel an, doch nach unserem Kopfschütteln paddelt sein „Kapitän“ mit ihm davon.
Der Schmuckverkäufer ist immer noch mit Gabi am Verhandeln. Inzwischen sind die beiden bei dem „Auswahlverfahren“ angelangt. So sind jetzt nur noch die Teile auf dem Tuch, die eventuell für einen Kauf in Frage kommen. Und nun hofft er, dass das Feilschen um den Preis beginnt. Er macht einen gesamt Preis, in der Hoffnung, Gabi macht bei ihm einen Grosseinkauf. Eine Weile handeln die beiden, doch seine Preise stimmen so gar nicht mit Gabis Vorstellungen überein. „Das ist ein guter Preis und gute Qualität“ beteuert er ein ums andere mal. „Nein danke“ sagt Gabi freundlich aber bestimmt . Er versucht es nun mit einem treuen und mitleidheischenden Blick. Auf den Augenausdruck würde selbst ein Cockerspaniel neidisch werden. Doch es hilft ihm nichts, Gabi ist gegen diesen Blick absolut immun. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach einer Stunde der Präsentation seine Schmuckkollektion wieder einzupacken und mit traurigem Blick davon zu paddeln.
Wir haben die Gegend mit den Hausbooten inzwischen verlassen und paddeln auf dem offenen See. Das Wasser ist warm und fühlt sich an meiner Hand an wie Seide. In einiger Entfernung sind Boote, deren Besitzer nach Seegras fischen. Doch was ist das? Ein schwimmendes Lokal? Tatsächlich, das steht es in roten, gut lesbaren Buchstaben angeschrieben: Mobil Cafe. Das Angebot auf dem Schiff ist gross: Tee, Kaffe, Eiscreme und alle Arten von Kartoffelchips. Das Geschäft blüht, in der Zeit in der wir vorbei paddeln legen mehrere Kunden an dem schwimmenden Kiosk an.
Wir sind inzwischen fast zwei Stunden unterwegs und es fängt langsam an zu dunkeln. Am westlichen Ufer können wir schon die beleuchtete Hazrat-Bal-Moschee erkennen, deren Imam mich jeden Morgen mit seinen Gebeten weckt.
Nach einer weiteren halben Stunde haben wir das Ufer von Mr. Butts Hausbooten erreicht. Es ist stockfinster und ich bin froh als Sultan und der Gärtner auftauchen und uns aus dem Boot helfen. Die beiden Bootsvermieter haben nun nochmal einen weiten Heimweg vor sich, auch wenn sie ohne unser Gewicht ein wenig schneller sind.
„Warum seid Ihr nicht mit mir gefahren?“ möchte der Gärtner von uns wissen. „Ich habe auch ein Shikara.“ Nun ja, weil wir von der Stadt zum Hausboot wollten und nicht umgekehrt.
Den Abend verbingen wir wie jeden Tag auf der Bootsterrasse mit ein wenig Geplauder. Als wir uns über den heutigen Tag unterhalten, sind wir alle drei der gleichen Meinung. Es war ein sehr erholsamer, entspannender Tag und das Highlight war unbestritten die Bootsfahrt mit dem Shikara.
Doch der Einkaufbummel hat uns alle drei müde gemacht und so gehen auch Gabi und ich ins Bett, sobald sich Prakash für heute verabschiedet hat.
Morgen früh sind wir um 9ººh verabredet, es steht ein Ausflug nach Gulmarg und zu dem höchstgelegenen Golfplatz der Welt auf unserem Programm. Doch jetzt träume ich erst mal,ich sei eine Maharanj und werde nochmal über den See gerudet.
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Hallo liebe Elke Hoppe!
Ich bin bei der Internetrecherche auf deinen Reisebericht über Kaschmir gestoßen. Ich bin Studentin in Flensburg und studiere dort Deutsch und Textil. Für letzteres habe ich momentan einen Recherchearbeit zu der Thematik Wohnen auf Hausbooten in Kaschmir. Es existiert leider so gut wie keine Literatur zu diesem Thema. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich dich zu deine Eindrücken aus Kaschmir befragen könnte. Ich würde mich sehr über eine Antwort per eMail freun!
Mit freundlichen Grüßen aus dem Norden. Anne Bernhardt
Hallo liebe Anne
natürlich werde ich gerne versuchen Dir bei Deinen Recherchen zu helfen und meine Eindrücke weitergeben. Ich bin schon gespannt auf deine Fragen 🙂
Liebe Grüsse
Elke
Liebe Elke,
ich bereite momentan einen Dreh für ARTE vor, bei dem es um den Dalsee geht. Ich suche noch einen Ortskundigen, der gut englisch spricht und uns bei den Dreharbeiten als Guide unterstützen könnte.
Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn Du den Kontakt zwischen uns herstellen könntest.
Liebe Grüße
Sanna
Liebe Sanna
gerne werde ich den Kontakt zu Prakash herstellen. Zur Zeit hat er gerade Kunden, daher konnte ich ihn heute morgen nicht erreichen.
Werde mich jedoch per email direkt mit dir in Verbindung setzen. Wann soll der Dreh denn sein?
Liebe Grüsse
Elke