Über Mount Abu nach Udaipur, die Stadt am Pichola See
Das Wildreservat Mount Abu
Da unsere heutige Reiseetappe bis Udaipur nicht weit ist, haben wir uns mit Prakash erst um 10ººh verabredet. Er hat hier im Hotel ebenfalls eine Übernachtungsmöglichkeit bekommen und musste sich für diese Nacht kein Gasthaus suchen. Zu seinem Bedauern haben sehr wenige Hotels preisgünstige Unterkünfte für die Fahrer.
Als wir zum Frühstück kommen bietet uns der Kellner einen Tisch im Garten an und da die Strahlen der Morgensonne schon angenehm warm sind setzten wir uns gerne nach draußen. Die Tischdecke und das Stuhlkissen sind zwar feucht vom Morgentau, doch die blühenden Pflanzen und das Vogelgezwitscher gleicht die Feuchtigkeit wieder aus.
Ob es hier ein indisches Frühstück gibt? Auf der Karte steht nichts, aber ich frage den Kellner. „Yes, of course. With hot pickles?“ lautet die Antwort. Es schmeckt hier genauso gut wie gestern, ich muss mir unbedingt das Rezept besorgen.
Wir sind noch bei der letzten Tasse Tee als ich Prakash sehe, der schon seine Tasche ins Auto bringt und mit einem Tuch die Scheiben seines Wagens poliert. So wie das Auto aussieht putzt und pflegt er es vermutlich jeden Tag damit wir uns darin wohlfühlen. Und das nach den vielen Stunden Fahrt auf manchmal schlechten und überfüllten Strassen.
„Good morning“ begrüsst er uns fröhlich als wir mit unserem Gepäck zum Auto kommen. „Alles ok? Habt ihr gut geschlafen?“ möchte er auch heute wissen. Er fragt erst auf englisch und dann auf Spanisch. Auf diese Weise versucht er seine Spanischkenntnisse zu üben und vielleicht sogar zu verbessern.
Wir fahren eine kurvenreiche kleine Strasse in Richtung Mount Abu,ein uraltes Pilgerzentrum der Hindus und Jainas.
Es gibt hier auch ein Wildreservat mit Hirschen, Leoparden und Bären. „Ich habe hin und wieder hier einen Bär gesehen der die Strasse überquert“ erzählt uns Prakash. Das wäre ja ein Foto! Ich würde es auf jeden Fall zu Ruth nach Kanada schicken! Wo wir dort so lange erfolglos nach einem Bär Ausschau gehalten haben! Einen Bär entdecken wir zwar nicht, doch Prakash macht uns auf einen Mungo am Strassenrand aufmerksam.
Nachdem wir das Schutzgebiet verlassen haben verändert sich auch die Strasse, es entsteht eine Autobahn die den Osten mit der westlichen Provinz Gujarat verbindet. Teilstrecken sind bereits fertig, andere befinden sich noch im Bau und müssen umfahren werden.
Ankunft in Udaipur
Als wir in Udaipur ankommen erklärt uns Prakash, dass sich unser Hotel mitten in der Altstadt befindet. Das ist schön, denn wir möchten ja auch ein wenig durch die Orte bummeln und nicht nur die Tempel besichtigen. Durch kleine enge Gassen manövriert Prakash das Auto bis vor unser Hotel und es ist erstaunlich, das wir noch beide Rückspiegel haben und keinen Kratzer im Lack. Denn da gibt es viele Möglichkeiten- ein geparktes Moped, ein eiliges Tuktuk oder das Horn einer Kuh. Im Hotel begrüsst uns der Rezeptionist, stellt sich als Ricky vor und bringt uns auf unser Zimmer. Laut Reisebeschreibung haben wir hier ein Zimmer mit Blick auf den See Pichola.
Das Zimmer ist nicht sehr groß, mit den beiden Betten darin ist kaum noch Platz für unsere Koffer. Was für ein Unterschied, doch wir können eben nicht jeden Tag wie eine Maharanj im Palast wohnen. „The Bathroom!“ ruft Ricky als er schwungvoll die Tür zum Nebenraum öffnet. Mit großen Augen schaue ich in den kleinen Raum. Ein Waschbecken und eine Toilette- gibt es keine Dusche? „Of course!“ lacht Ricky und weist auf die Wand gegenüber der Tür. Tatsächlich, da ist ein Duschkopf und Wasserhähne und damit das Wasser nicht an die Tür spritzt hängt ein Vorhang vor der Tür. Und das Wasser auf dem Boden? „Das macht nichts, das läuft irgendwie schon ab“ beruhigt mich Ricky.
Doch dann will er uns natürlich noch die versprochene Aussicht zeigen und reißt stolz mit den Worten „Sea-view!“ den Vorhang zur Seite. Der Ausblick macht mich sprachlos. Das Fenster geht auf die kleine Strasse mit dem Hoteleingang und auf der rechten Seite ist ein dreistöckiges Gebäude. Die ehemals weißen Hauswände sind, wie sehr häufig in Indien, durch den Monsunregen dunkel verfärbt. Seeblick???? Doch dann muss ich Ricky recht geben. Wenn ich den Hals recke und über das Dach des Nebengebäude schaue, kann ich einen kleinen dreieckigen Ausschnitt des See Pichola sehen. Mein erster Gedanken ist Zimmerwechsel, doch dann werfe ich einen zweiten Blick aus dem Fenster. Hmmmm! So schlecht ist das hier gar nicht. Auf der Strasse ist immerhin viel zu sehen. Fußgänger, kleine Geschäfte, der Hoteleingang und in dem Gebäude links kann ich in eine Hotelküche schauen. Direkt vor dem Haus befindet sich eine Wasserpumpe an der ein Mann gerade einen Eimer mit Wasser füllt. Wer weiß ob der See so interessant ist!?!
Unsere nächste Verabredung mit Prakash haben wir heute mittag um halb fünf und da es erst 12ººh ist bleibt uns noch viel Zeit. Von Ricky lassen wir uns einen Stadtplan und eine Visitenkarte des Hotels geben und los geht es zu einer Entdeckungstour.
Die Marktstraßen in Udaipur
Udaipur hat eine Einwohnerzahl von 500.000 Menschen, doch die Altstadt ist gut zu Fuß zu erkunden. Wir gehen in Richtung Jagdsh-Tempel, der Vishnu geweiht ist. Von hier aus führen die Einkaufsstraßen bis zum Clock Tower. Es ist ein Vergnügen durch diese Gassen zu bummeln. Schulkinder winken uns aus den Tuktuks zu und die Inhaber der Schmuckgeschäfte aus ihren Läden. „Have a look! Just one look!“ versuchen sie uns zu locken. Als wir in einem der vielen Geschäfte Schmuck anschauen kommt sogar der Familienälteste aus seinem bequemen Stuhl, in der Hoffnung in irgendeiner Schublade doch etwas zu finden was uns gefällt. „Warum lassen die mich nicht in Ruhe schauen!“ erklärt Edith, der die hiesige Verkaufstechnik gewaltig auf die Nerven geht.
Wir verlassen die Juweliersfamilie und schlendern weiter.
Marktfrauen mit ihrer Ware sitzen auch hier am Straßenrand und ein kleines Mädchen bietet Gemüse an. Sie ist kaum zu sehen zwischen den geparkten Mofas. Eine Strassenkehrerin kommt mit ihrem Strohbesen die Strasse entlang und fegt die Plastiktüten, Becher und Papiere zusammen. Es bleibt also nicht einfach alles auf der Strasse liegen! Doch sie hat leider ein logistisches Problem – sie hat keinen Eimer, Korb oder Tüte zum Einsammeln und Abtransport des Kehrichts. Doch es gibt in Indien ja für fast alle Probleme eine Lösung- sie kehrt den Müll unter ein geparktes Mofa! Schön säuberlich und akkurat schichtet sie es zwischen dem Vorder- und Hinterrad bis fast auf die Höhe des Benzintanks. Wie wird der Fahrer wohl starten mit dem ganzen Müll unter seinem Zweirad?
Zwischen all den Juwelier- , Stoff- und Handarbeitsgeschäften werden natürlich auch Esswaren angeboten. Wir halten Ausschau nach den leckeren Linsenküchlein, doch die scheinen in Udaipur nicht hergestellt zu werden. Daher entscheiden wir uns für etwas Unbekanntes und sind auch diesmal mit unserem in Zeitungspapier gewickeltem Imbiss sehr zufrieden. Doch kaum haben wir gegessen und die restlich Zeitung ordentlich unter ein Mofa gelegt, steigt uns von neuem ein verführerischer Duft in die Nase. Es ist eine Gebäck bei dem der Teig in Öl gebacken und anschliessend in warmen Honig getaucht wird. Das müssen wir unbedingt versuchen! Es schmeckt sehr gut und sehr süss und sobald der Honig abkühlt klebt die Tageszeitung hartnäckig erst am Gebäck und danach an meinen Fingern. „Nimm dir noch“ bietet mir Edith fürsorglich das letzte Stück an. „Ach,nein danke“ lehne ich freundlich ab. Denn auch wenn es gut schmeckt, es ist doch eine sehr klebrige Angelegenheit.
Am Ende der Strasse entsteht eine gewisse Unruhe und die Menschen beginnen eine Gasse zu bilden. Neugierig bleiben wir stehen und schauen was der Anlass ist. Ein Pilger! Prakash hat mir schon von diesen religösen „Wanderungen“ erzählt. Der Pilger ist nicht zu Fuss unterwegs, sondern rollt sich liegend über die Strasse. Dazu hat er die Hände dicht an den Körper angelegt und die Füsse an den Knöcheln überkeuzt. In relativ zügigem Tempo rollt er durch die Strassen von Udaipur. Hinter ihm geht seine Frau und schiebt einen Handwagen in dem sich vermutlich das „Reisegepäck“ befindet. Es steht auch ein kleiner Teller darauf und sehr viele Menschen legen Münzen hinein. Somit ist gesichert, dass er unterwegs zu essen und zu trinken hat. Denn in der Zeit, die er braucht um das einem Gott gegebene Versprechen einzuhalten, kann er kein Geld verdienen. „Ach du liebe Zeit- der rollt sich durch den ganzen Kuhmist!“ meint Edith mit fehlender Andacht und hat damit absolut recht.
Wir sind vor einem der vielen Schmuckgeschäfte stehengeblieben und der Inhaber nimmt dies zum Anlass uns anzusprechen. „Come in! Have a look!“ Warum eigentlich nicht? Der Schmuck in der Auslage sieht jedenfalls sehr hübsch aus. Wir ziehen unsere Schuhe aus und betreten das Geschäft. Den von ihm angebotenen Tee lehnen wir ab, doch wir nehmen auf den Stühlen Platz. Der Mann ist ruhig, zurückhaltend und lässt uns in Ruhe schauen ohne gleich den ganzen Ladeninhalt vor uns auszubreiten. In diesem Verkaufsambiente wird Edith fündig und entscheidet sich für zwei sehr hübsche Schmuckstücke. Nach dem Aushandeln des Preises kommt die grosse Frage: haben wir überhaupt genug Geld dabei? Nein haben wir nicht, wir machen eine Anzahlung und kommen morgen wieder. Doch damit ist der Schmuckhändler nicht einverstanden. „No problem! Sie nehmen den Schmuck mit und bringen morgen die restlichen Rupees. No problem!“ erklärt er uns, während sein Kopf zur Bestätigung von rechts nach links wippt. Das ist aber nett, so viel Vertrauen. Er kennt uns doch gar nicht. Oder ist der Gewinn bei unserem Geschäft so hoch? Ich gehe jedoch davon aus, dass wir einen so ehrlichen Eindruck machen.
Als wir aus dem Laden gehen schaue ich verblüfft auf meine Uhr. Schon so spät? In einer halben Stunde treffen wir uns mit Prakash und vorher möchten wir noch Geld wechseln. Auf dem Hinweg habe ich eine Wechselstube gesehen, hoffentlich ist sie geöffnet. Doch wir haben Glück, das Büro ist über Mittag besetzt und wir können uns wieder mit Rupees eindecken.
Reicht die Zeit noch um dem Juwelier das restliche Geld zu bringen? Zügig gehen wir zurück und bringen dem erstaunten Händler den fehlenden Betrag. Bedauernd wackelt er mit dem Kopf und sagt „Ohhh, wir hätten morgen einen Masala Tee zusammen trinken können. “ Aha, da hat er sich sicher schon überlegt was er uns am nächsten Tag zeigen, anbieten und verkaufen kann.
Nun aber zurück zum Hotel und als wir ankommen ist Prakash schon da und wartet auf uns.
Der Berg Machalaya Magra
Wir möchten zu dem Berg Machalaya Magra, der einen schönen Blick über den See und die Stadt bietet. Zusätzlich hoffen wir dort einen schönen Sonnenuntergang zu erleben. Steil geht es den Berg hinauf bis zum Parkplatz vor einer Burg. Prakash wartet am Auto und wir machen uns auf den Weg. Auch heute ist es wieder sehr diesig und ich bezweifle, dass wir viel sehen werden.
Leider ist es auch so! Die Burg bietet einen Ausstellungsraum mit Bildern der hiesigen Flora und Fauna und eine große Aussichtsterrasse. Die tiefstehende Sonne ist im Dunst und Nebel kaum zu sehen und es weht ein kühler Wind. So schön warm wie es heute tagsüber war, sobald die Sonne sinkt wird es unangenehm kühl und ich bin froh meine Jacke dabei zu haben. Edith und ich sind uns einig, wir warten nicht bis die Sonne hinter dem Berg verschwindet. Wir schauen uns noch ein wenig die Burg an und dann gehen wir zurück zum Auto. Doch ich finde noch ein lohnendes Foto-Objekt. Ein indisches Baugerüst! Hölzerne Stangen sind mit Seilen zusammengebunden. Krumm und schief steht das Gerüst an der zu renovierenden Wand. Liebe Güte, das kann doch gar nicht halten!
Prakash ist überrascht als wir so schnell zurück sind und bedauert, dass die Sicht nicht besser war. Statt Sonnenuntergang machen wir noch einen kleinen Abstecher zum See und gehen ein Stück am Ufer entlang. Prakash empfiehlt uns für unser Abendessen das Jagat Niwas Palace Hotel. „Dort muss man jedoch einen Tisch reservieren, wenn ihr möchtet kann ich das für euch tun.“ Wir nehmen das Angebot gerne an und lassen uns noch erklären wo das Jagat Niwas ist bevor wir uns für heute von Prakash verabschieden.
Wir haben eine Stunde Zeit und möchten sie nutzen um uns ein wenig auszuruhen. Doch zuerst will ich noch zwei große Flaschen Wasser kaufen gehen, damit wir heute Nacht genug zu trinken haben. Schräg gegenüber des Hotels ist ein kleiner Laden, der sicher auch Wasser verkauft. Freundlich empfängt mich der Verkäufer und ich äußere meinen Wunsch „Two bottles water, please.“ Er stellt mir das Gewünschte auf die Theke und fragt „anything else?“ Nein danke, nur das Wasser. „Are you sure?“ Ja sicher, nur das Wasser. „Maybe some Coke?“ Nein, nur das Wasser. „Or some cookies or sweets? “ Gibt er denn nicht auf, ich will wirklich nur Wasser. „I´m just trying“ ist die lächelnde Antwort.
Als wir ein wenig später an unserem reservierten Platz im Restaurant sitzen sind wir begeistert. Unser Tisch ist auf der Dachterasse mit Blick auf die nächtlich beleuchtete Stadt und den See. Wunderschön! Das Essen ist so gut wie die Aussicht und eine Flasche Wein können wir hier auch bekommen.
Es ist ein rundum perfekter Abend nach einem langen und erlebnisreichen Tag.
Der Stadtpalast
Heute früh möchten wir den Stadtpalast von Udaipur besichtigen, doch zuerst gehen wir in den fünften Stock in das Hotelrestaurant um zu frühstücken.
Das Restaurant ist auf der Dachterrasse, jedoch rundum verglast. So kann man auch bei kühlem Wetter die Sicht auf den See genießen. Als Sitzgelegenheit werden zwei Varianten angeboten, entweder Tisch und Stühle oder ein mit Kissen belegter großer Diwan auf den man sich im Schneidersitz nieder lässt. Wir entscheiden uns für Tisch und Stuhl wie auch die anwesenden Inder. Ein europäisches Paar hat sich dagegen für den Schneidersitz entschieden. Wir trinken gerade mit Genuss unseren Tee als weitere Gäste kommen. Drei Frauen, und sie gehen nach kurzer Beratung auf den zweiten orientalischen Sitzplatz zu. Sie wirken dort nicht sehr entspannt, wechseln mehrmals die Beinposition und wissen nicht so recht wohin mit ihren Knien. Der Kellner bringt ihnen das Frühstück und dies erhöht offensichtlich den Schwierigkeitsgrad. Endlich haben sie eine Position gefunden, die es ihnen ermöglicht zu essen ohne die Beine zu verknoten. Doch auch das Frühstück scheint den drei Europäerinnen nicht richtig zu schmecken. Ob noch was fehlt? Anscheinend,denn eine der drei jungen Frauen steht auf und geht zu dem Kellner . „Do you have ketchup?“ möchte sie wissen. Das passt ja gut zu dem exotischen Diwan!
Edith geht es heute leider nicht 100%ig gut, sie klagt über Schluckschmerzen und fühlt sich angeschlagen. Vermutlich hat sie sich bei unserer Massage in Ranakpur erkältet. Vielleicht würde sie sich schneller erholen wenn sie einen Tag Pause macht und im Bett bleibt? Doch verständlicherweise möchte sie das nicht. „Wird schon wieder werden!“ erklärt sie voller Überzeugung.
Am Eingang des Stadtpalast stehen junge Männer die als offizielle Reiseleiter arbeiten. Sie tragen einen Ausweis und nur damit dürfen sie innerhalb des Palastes führen und erklären. Sollen wir uns einen Führer oder wieder ein Audioguide nehmen? „Ob es hier einen Reiseleiter gibt der Deutsch spricht?“ ist Edith´s Überlegung und während ich die Eintrittskarten besorge organisiert sie einen deutschsprachigen Führer. Der junge Mann spricht sehr gut deutsch und seine Erklärungen sind sehr einprägsam. Der Stadtpalast von Udaipur ist die grösste Palastanlage in ganz Rajasthan. Der Großteil dient als Palast-Museum und im ehemaligen königlichen Gästehaus befindet sich heute ein Luxushotel der Taj-Gruppe.
Im Eingangsbereich führt er uns zu einem großen marmornen Becken das in den Boden eingelassen ist. „Können Sie sich vorstellen was das ist?“ fragt er mit einem verschmitzten Lächeln. Eine Badewanne? „Nein, das wurde für Elefanten gebaut. Wenn sie schlafen, können sie den Kopf in die Mulde legen und haben es bequemer“ lautet seine Erklärung. In einem der prunkvoll gold geschmückten und glänzenden Räumen fällt uns eine blau-weiß geflieste Wand auf. Die Bilder wirken irgenwie vertraut. „Das sind Fliesen aus Holland. Die haben dem damaligen Herrscher so gut gefallen, dass er sie aus Europa hat liefern lassen.“ Ein weiterer Raum birgt hölzerne Vogelkäfige in denen die Brieftauben gehalten wurden.
Ob hier wohl die schriftlich Bestellung für die holländischen Fliesen abgeschickt wurde? Zum Ende der Führung fragen wir den jungen Mann wo er denn so gut deutsch gelernt hat. „Auf dem Goetheinstitut“ antwortet er uns. „Früher habe ich gegenüber vom Stadtpalast als Verkäufer in einem Souvenirladen gearbeitet. Doch eine Freundin hat mich überredet deutsch zu lernen und mir dabei geholfen im Goetheinstitut aufgenommen zu werden. Jetzt bin ich in Udaipur der einzige der deutsch spricht und habe daher jeden Tag Gäste.“ Er hofft nächstes Jahr genug Geld gespart zu haben um einen Fortbildungskurs zu machen. Doch das Goetheinstitut ist in New Delhi und mit ca. 150,00€ im Monat für ihn sehr teuer. Dazu muss er wohnen und essen. Es geht ihm nicht alleine so, auch Prakash würde gerne auf einer Sprachschule in New Delhi Spanisch lernen. Doch er hat genau das gleiche Problem. Wenn ich mir überlege wie ungern manche Kinder in Europa zur Schule gehen oder den Unterricht schwänzen!
Sahelion- Ki-Bari
Unsere Führung ist zu Ende und wir sind nun mit Prakash vor dem Jagdish-Tempel verabredet. Wir gehen zu seinem nicht weit von hier geparktem Auto und er fährt uns zu den weiteren Sehenswürdigkeiten von Udaipur. Das erste Ziel ist der Sahelion-Ki-Bari, ein Erholungspark mit Springbrunnen und Marmorelefanten.
Der Park ist gepflegt und die Blumen blühen in allen Farben. Am Ende des Parks finden wir ein kleines Gebäude in dem Ausstellungsstücke aus allen möglichen Themenbereichen zu sehen sind. Über der Eingangstür hängt ein großes Schild mit roter Schrift. In Hindi und Englisch steht dort: das Spucken innerhalb des Ausstellungsraumes ist verboten! Das ist sinnvoll, denn es ist erstaunlich in wie vielen Ecken ausgespiene Betelreste zu sehen sind. Es wird in Indien gespuckt, da können die Lamas aus Peru neidisch werden. Ob jemand ein „guter“ oder „schlechter“ Spucker ist, kann man sehr oft an den Autotüren sehen. Ist die Tür sauber ist der Fahrer ein „guter Spucker“, hat sie dagegen rötliche Schmierstreifen ist der Fahrer ein „schlechter Spucker“. Aber vielleicht hat er ja auch nur die Windrichtung falsch eingeschätzt.
Das Puppenmuseum
Unser nächstes Ziel ist ein Puppenmuseum, das Bhartiya Lok Kala Mandal. Hier sind aus verschiedenen indischen Provinzen Puppen und Masken ausgestellt. In Schaukästen werden Tänze nachgestellt und schriftlich erklärt. Wir sind die einzigen Besucher in dem ein wenig düster wirkenden Museum. Die Räume sind kalt, riechen nach Staub und ein neuer Anstrich würde auch nicht schaden. Ein Marionettentheater ist im Eintrittspreis mit eingeschlossen und der Marionettenspieler kommt auf uns zu und weißt uns den Weg zu seinem Vorführraum. „If you want to see- call me! “ bietet er uns an. Doch wir wollen nicht. Es ist kalt hier und der kahle, dunkle Raum lockt uns nicht. Wo bitte geht´s zum Ausgang?
Wir sind froh wieder in der hellen warmen Sonne zu sein und da steht auch schon Prakash mit seinem Auto und wartet auf uns. Nun geht es wieder zurück zum Stadtpalast, denn von hier starten die Boote zur Rundfahrt auf dem See Pichola. „You must hurry!“ teilt mir der Herr beim Kauf der Eintrittskarten mit. „Boat goes in five minutes, you know!“ Na dann aber flott! Wer weiß wann das nächste geht. Im Eilschritt hasten Edith und ich in die angegebene Richtung. Puh, das ist aber weit! Wir schaffen es! Nur noch die Treppen runter.
Bootsfahrt auf dem Pichola See
Doch das mit Touristen vollgepackte Boot legt ab und wir können nur noch hinterher schauen. Was nun? Konnte der nicht warten? Doch einer der Angestellten zieht ein anderes Boot heran und bedeutet uns einzusteigen. Und wie lange sollen wir hier nun sitzen? „Five minutes“ sagt einer der anwesenden Männer. Und tatsächlich legen wir knappe fünf Minuten später ab und haben das ganze Boot für uns alleine. Wir können fotografieren von allen Seiten, die Sitzplätze wechseln und kein fremder Hutrand ist nachher aus Versehen auf meinen Bildern. Was für ein Glück! Wir haben Blick auf den Stadtpalast, erkennen die Dachterrasse des gestrigen Restaurants und umrunden die Insel Jag Niwas mit dem weltberühmten Lake Palace Hotel. Der Pichola See wurde beim Bau der Stadt aufgestaut und damals entstanden zwei Inseln. Die zweite Insel, Jagmandir, war ein ehemaliger Vergnügungsgarten. Heute ist in dem Inselpalast ein sehr schönes Aussichtslokal und ein Hotel. Diese Insel wird von unserem Boot angefahren und wir können hier aussteigen. Wie lange wartet das Boot denn? Unser „Kapitän“ murmelt etwas vor sich hin, was ich als „fifteen minutes“ interpretiere.
Auf dieser Insel gibt es den Hotelbereich, eine Bar und ein Restaurant. Im Innengarten sind Rosenbeete angelegt, an der Bar laden Barhocker und Bistrotische zum Verweilen ein. Schade, dass wir nur so wenig Zeit haben. Wir gehen statt dessen auf die Aussichtsterrasse und genießen den Blick über den See. Die viertel Stunde vergeht schnell, wir haben gerade noch Zeit die Speisekarte des Restaurants zu lesen bevor wir zu unserem Boot zurück gehen. Mit deutscher Pünktlichkeit! Doch nun sind wir nicht mehr alleine auf unserem Boot. Andere Ausflügler, die wir auf der Insel gesehen haben, fahren mit uns weiter. Nun wird mir auch klar was der „Kapitän“ sagen wollte: alle fünfzehn Minuten fährt ein Boot. Ach je, wie blöde! Warum habe ich nicht genauer nachgefragt?
Auf dem Rückweg fahren wir entlang dem privaten Anlegesteg des Maharadjas der mit seiner Frau, Kinder und Enkelkinder in einem Trakt des Stadtpalastes lebt. Auf dem Anlegesteg stehen Korbsessel und Tische bereit und ein Kellner im Frack wartet darauf ob der Steg heute benutzt wird.
Wieder an Land und in Gesellschaft von Prakash fahren wir zurück ins Hotel. Es ist noch früh und so überlegen wir, was wir mit dem angebrochenen Nachmittag machen. Nochmals durch die Basare bummeln? Oder eine Massage? Wir müssen einfach vorab nach Heizung und Handtücher fragen, um sicher zu sein, dass wir nicht nochmal durchfrieren.
Ayuveda -Massage
Einige Meter vom Hotel entfernt wird auf einem Schild Ayuveda-Massage angeboten. Wir gehen hinein und fragen wo die Massage denn gemacht wird, denn hier werden offensichtlich nur Ayuveda-Artikel verkauft. Shampoo mit Extrakten aus dem Himalaya, Seife mit heilenden Kräutern und Teesorten deren Konsum garantiert schlank macht. „Next door, upstairs“ informiert uns der Verkäufer. Können wir den Raum anschauen? „Yes, of course“ meint er daraufhin und schickt einen ca. zehnjährigen Jungen mit uns in die Massageräume. Es geht eine dunkle Stiege hinauf und stolz öffnet unser junge Begleiter die Tür. Wir blicken in einen Raum mit zwei Liegen, unterteilt durch einen Vorhang. Die Wände sind verputzt, jedoch nicht gestrichen was einen recht düsteren Eindruck erweckt. Doch ich habe bereits gehört, dass es in Indien nicht unbedingt üblich ist die Wohnung zu streichen. Aber es ist kalt in den Räumen und ich sehe nirgendwo ein Handtuch oder ähnliches zum Zudecken. Nein danke! Der Verkäufer ist ganz erstaunt über meine Absage. „Of course we have towels!“ versichert er und zeigt mir zum Beweis ein kleines Gästehandtuch. Und wie stellt er sich vor, dass ich mich damit zudecken soll? „We have also bigger one“ beteuert er, während der Junge mit einer elektrischen Heizung unter dem Arm an uns vorbei und die Treppe hoch huscht. „Five minutes and it is warm“ verspricht er uns. Und Handtücher zum Zudecken? „Yes, no problem!“ Er führt einige Telefongespräche um die beiden Masseusen zu verständigen und sagt uns dass die beiden in etwa zehn Minuten hier sind. Die Wartezeit nutzt er um uns einige seiner Artikel anzubieten und über sein schlechtes Gehalt zu klagen. Dann sind die beiden Masseusen da und gemeinsam steigen wir mit ihnen die Treppe hinauf. Der Raum ist inzwischen angewärmt, aber wo sind die versprochenen Handtücher? Da klopft es an der Tür, eine Plastiktüte wird hereingereicht und zwei rot karierte Decken kommen zum Vorschein. Als ich mich einen Moment später damit zudecke sehe ich, dass noch das Etikett an der Decke klebt. Da ist jemand noch ganz schnell einkaufen gegangen. Oder bringen sie die Decken anschließend zurück?
Eine Stunde später stehen wir wieder vor unserem Hotel. Diesmal mussten wir nicht frieren, doch Edith ihre Erkältung ist im Laufe des Tages schlimmer geworden. Ich schlage vor, dass sie sich eine Weile hinlegt und ich mache mich auf die Suche nach einer Apotheke. Gegenüber vom Jagdish- Tempel habe ich ein Schild gesehen: Medical Store. Als ich dort ankomme berät der Apotheker zwei Frauen betreffs einer Salbe und ich warte am Tresen bis sie fertig sind. Zu meinem Erstaunen bittet der Apotheker mich hinein. „Come in and sit down, please“. Nachdem ich aus meine Schuhen geschlüpft bin trete ich hinter den Tresen. „Sie können ihre Schuhe anbehalten, no problem“ versichert er mir. Doch ich sehe, dass er, genau wie sein Helfer, die Strassenschuhe vor der Tür gelassen hat. Wir setzen uns gegenüber an einen Tisch und ich schildere ihm die Krankheitssymptome von Edith. „Das hört sich nach einem bakteriellen Infekt an, den bekommen zu Zeit viele“ informiert er mich und empfiehlt ein Antibiotika, ein Mittel für den Hals und Paracetamol im Falle von Fieber. Er erklärt noch die Dosierung und schreibt mir alles genau auf. Auf einem anderen Zelttel schreibt er die Medikamentenpreise und rechnet zusammen : Total 175 Rupees. Das sind umgerechnet ein wenig mehr als zwei Euro! Für Konsultation und Medikamente. „Stört es Sie, wenn ich ihnen einige Fragen stelle?“ möchte er wissen. Nein, natürlich nicht. „Was machen die Menschen in ihrem Land denn abends? Sind wirklich die Restaurants bis spät in die Nacht geöffnet?“ ist die erste Frage. „Wie wohnen Sie denn, in einem Apartment oder in einem Haus?“ möchte er noch von mir wissen. Es sind alles Fragen über das europäische Leben, die Sitten und Gebräuche. Er möchte sich bei mir vergewissern ob es stimmt, was er von anderen Westlern gehört hat. „Thank you“ verabschiedet er sich von mir, bevor ich wieder zum Hotel gehe.
Dort liegt Edith im Bett, zugedeckt bis unters Kinn und fühlt sich wirklich nicht gut. Ihre Stimme ist heisser und ich hoffe, dass die Medikamente schnell helfen. Wir beschliessen heute hier im Hotel zu essen und nicht mehr vor die Tür zu gehen. Leider sind im Restaurant alle Tische am Fenster besetzt, doch auch von unserem Platz haben wir Blick auf den See. Es ist heute ein kurzer Abend, denn morgen haben wir eine lange Fahrt vor uns und müssen früh aufstehen.
Meinen vorherigen Reisebericht finden Sie unter:
Sehr geehrte Frau Hoppe,
danke für die interessanten Indien-Reiseberichte. Sie bieten an, dass Sie einen Kontakt machen könnten zu Ihrem Fahrer durch Indien, Herrn Prakash Acharya. Da ich zusammen mit meinem ziemlich Indien-skeptischen Partner im September (20.-27.09.) für eine Woche nach Delhi fliege und sowohl Delhi als auch Agra und Jaipur kennenlernen möchte, würde ich gern fragen, ob Herr Acharya Zeit hätte und wie teuer uns seine Unterstützung käme.
Wir sprechen beide fließend Englisch.
Mit den besten Grüßen aus Deutschland nach Spanien
B. Wieneke