Ferienbericht – Shirakawago, ein Dorf in den japanischen Alpen
Samstag 27.03.10
Als ich erwache gilt mein erster Gedanke dem Wetter. Schneit es noch immer? Ein Blick aus dem Fenster- nein, es hat aufgehört und viel ist von der weißen Pracht nicht mehr zu sehen. Doch zumindest regnet es im Moment nicht und damit sind wir schon sehr zufrieden.
Heute werden wir mit dem Bus einen Ausflug nach Shirakawago unternehmen. Dieses abgelegene Alpendörfchen war einst der Zufluchtsort für Verfolgte oder Besiegte und zählt heute zum UNESCO Weltkulturerbe.
„Nimmst du deinen Schirm mit?“ möchte Edith von mir wissen. Gute Frage! Brauchen werden wir ihn vermutlich, aber den ganzen Tag mit uns herumtragen? „Also ich bin optimistisch!“ ist Edith ihre Entscheidung. „Ich schleppe den Schirm heute nicht mit!“ Ich passe mich an und beide lassen wir unseren bisherigen täglichen Begleiter im Hotel in der Ecke stehen. Ob das wohl gut geht?
Die Bushaltestelle ist direkt neben dem Bahnhof und nach einer kurzen Wartezeit und vorheriger Ticketkontrolle können wir einsteigen. Die Fahrt mit dem Linienbus dauert eine knappe Stunde und unterwegs beobachten wir voller Freude, dass sich der Himmel aufhellt und vereinzelte Sonnenstrahlen zu sehen sind. Doch nicht nur Sonnenstrahlen! Je näher wir unserem Ziel kommen um so mehr Schnee liegt rechts und links der Straße. Was in Takayama bis zum Morgen wieder getaut ist, ist hier in den Bergen als blütenweiße Pracht liegen geblieben. „Ach wie schön! Alles voller Schnee!“ lässt Edith ihre Begeisterung hören.
Es ist tatsächlich ein Anblick wie aus einem Märchenbuch. Wir sind im ersten Bus der täglichen Besucher und der Schnee liegt unberührt auf den Straßen und den schilfbedeckten Dächer der Häuser in Shirakawago.
Eine Hängebrücke führt über ein kristallklares Flüsschen in den Ortskern, wo die bewohnten Häuser im so genannten „Gasso-Stil“ stehen. Charakteristisch ist ihr hohes Dach in Form eines Dreiecks, das an die Hände eines Betenden erinnert. Daher resultiert auch der Name, denn „Gasso“ bedeutet „Zum Gebet gefaltete Hände“. Das steil aufragende Dach ist in einem Winkel von 60º errichtet, so können im Winter die Schneemassen leicht vom Dach herabgleiten.
Zwei der Häuser sind für Besucher geöffnet und wir entscheiden uns das „Wada Haus“ zu besichtigen. Die Häuser sind mehrstöckig und wir beginnen unseren Rundgang im ersten Stock, wo sich auch die Wohnräume befinden. Es sind große Gebäude, laut der Informationsbroschüre soll hier Wohnraum für 50 Personen sein. Der Mittelpunkt des Zimmers bildet eine Sitzecke ,mit einem in den Boden eingelassener Feuerstelle und einem Wasserkessel.
Im obersten Stockwerk lässt sich sehr gut die Bauweise erkennen. Es wurden hier keine Nägel verwendet, sondern die Balken sind durch fest verschnürte Seile miteinander verbunden.
Hier unter dem Dach ist der wärmste Raum, da die Wärme aus den unteren Wohnräumen nach oben zieht. Daher kann hier auch im tiefsten Winter von den Bauern Seidenraupenzucht betrieben werden.
Langsam schlendern wir durch das Dorf, das sich allmählich mit Touristen aus aller Welt füllt. Essensstände öffnen und verführerischer Duft zieht durch die Straßen. Was wird da denn so alles angeboten? Irgendwas Unbekanntes? Ja, es sieht aus wie ein gebackener Toast, was das wohl sein mag? Ich probiere eines der Gebäckstücke, doch auch nachdem ich gegessen habe bin ich nicht schlauer. Es war nicht schlecht, aber was war es? Keine Ahnung, aber auf jeden Fall hat es dieses mal nicht nach Fisch geschmeckt!
Wir kommen bei unserem Rundgang an ein Haus, an dem die Dachdecker gerade am arbeiten sind und es mit Schilf neu eindecken. Mit langen Leitern sind mehrere Männer damit beschäftigt die Garben auf dem Dach ordentlich und lückenlos zu befestigen. Bei diesem Anblick bekommen wir eine Vorstellung von der Arbeit, die in diesen traditionell gedeckten Häusern steckt.
Obwohl das Dorf mit seinen 59 dicht beieinander stehenden Häusern nicht groß ist, gibt es doch an jeder Ecke etwas neues zu sehen. An einer Stelle treffen wir sogar auf ein Schneehaus, das an einen offenen Iglu erinnert. Im Inneren befindet sich eine Bank, zwei Holzblöcke und ein Mülleimer. An der hinteren Wand hängt ein Holzschild mit japanischer Beschriftung. „Ob das eine Bushaltestelle ist?“ ist Edith am raten. Kann gut sein, der halb offene Iglu ist möglicherweise zum Windschutz oder gegen starke Niederschläge gebaut worden.
Wir haben das Ende des Dorfes erreicht und folgen dem Weg bergan bis zu dem Aussichtspunkt auf der Ogimachi-Burg. Von hier aus können wir das gesamte Shirakawa-go Ogimachi-Dorf überblicken. Und wir haben heute sogar Glück mit dem Wetter! Der Himmel ist blau, unterbrochen durch ein paar kleine weiße Wölkchen und der Schnee glitzert in der Sonne. „So ein schöner Ort und ein wunderschöner Tag!“ macht Edith ihrer Begeisterung Luft und ich kann ihr dabei nur recht geben. Wir genießen noch eine Weile die Aussicht bevor wir uns auf den Rückweg machen. Der Besucherstrom hat zugenommen und wir sind froh, uns so früh auf den Weg gemacht zu haben.
Auch das Leben im Dorf hat begonnen, die ersten Restaurants öffnen, die Straßen werden gefegt und eine Hausfrau nutzt das schöne Wetter um ihre Wäsche im Freien zu trocknen.
Wir verlassen das Dorfzentrum und bummeln langsam wieder über die Brücke zurück auf die andere Seite des Flusses. Hier liegt unser nächstes Ziel- das Freilichtmuseum. In diesem wird für den Besucher gezeigt, wie früher die Menschen in den Bergen gelebt haben. Ein ganzes Dorf steht hier mit einer Lagerhalle, Scheune, Wohnhäusern, einer Wassermühle und ein Aussichtsturm. Die Häuser können innen besichtigt werden und vermitteln einen weiteren Einblick in die damalige Wohnkultur.
Auch hier finden wir im Wohnzimmer die Sitzecken mit dem Heißwasserkessel in der Mitte und in den Küchen sind liebevoll die Küchengeräte und Vorratsgläser aufgestellt.
Als wir mit der Besichtigung des Freiluftmuseums zu Ende sind liegt das Tal bereits im Schatten der umgebenden Berge und die Luft wird merklich kühler. Daher machen wir uns auf den Weg zur Bushaltestelle und sind gegen 15ººh wieder in Takayama.
Vom Bahnhof aus marschieren wir direkt in unser Hotel Hida Plaza wo wir eine kleine Ruhepause einlegen und uns wieder aufwärmen. Ob wir heute das Jakuzzi –Bad auf der Dachterrasse ausprobieren? „Ja, vielleicht“ murmelt Edith auf ihrem Bett liegend, „aber erst mal ein wenig ausruhen.“ Da hat sie recht, auch meine Füße rufen laut nach einer kleinen Ruhepause.
Doch nicht nur die Füße haben Bedürfnisse, auch unser Magen. „Wo sollen wir denn heute Essen gehen?“ ist eine Weile später die nächste Überlegung. „Gute Idee!“ knurrt mein Magen unmissverständlich und ich ziehe unsere „Restaurant-Liste“ zu Rate. Wir erhielten sie gestern im Hotel zum Empfang und haben letzten Abend sehr gute Erfahrung mit einer der Empfehlungen gemacht. Wie wäre es mit Tempura? Edith ist mit meinem Vorschlag einverstanden und so ziehen wir uns langsam zwei warme Pullover und die Jacken an um uns auf den Weg zu machen.
Als wir aus dem Hotel kommen fällt mein Blick auf die gegenüberliegende Pachinko Halle.
Pachinko ist ein in Japan sehr populäres Glücksspiel, bei dem silberne Metallkugeln in einen senkrecht stehenden Automaten ähnlich wie Flipperkugeln „eingeschossen“ werden. Die Kugel verschwindet entweder (meistens) klackernd durch irgendein Loch auf Nimmerwiedersehen, einige fallen jedoch in Speziallöcher und damit gewinnt man neue Kugeln.
Laut meinem Reiseführer befindet sich etwa ein Viertel der Bevölkerung im Pachinko-Fieber und sorgen für einen Umsatz von 250 Milliarden Euro im Jahr. Damit ist Pachinko das beliebteste Spiel in Japan und macht mehr Umsatz als die japanische Autoindustrie.
Eigentlich ist in Japan bis auf wenige Ausnahmen das Geld-Glücksspiel verboten, doch die Pachinko-Industrie umgeht dies relativ geschickt. Die Spieler gewinnen Sachpreise, die dann wieder gegen Geld eingetauscht werden können. Allerdings nicht in der Halle direkt, sondern in meist dunklen Gassen auf der Rückseite der Hallen.
Das müssen wir natürlich anschauen! Die große Halle ist von außen mit bunten Fahnen gekennzeichnet. Mutig gehen wir zur Eingangstür, stoßen sie auf und taumeln vor Schreck erst einmal zurück. Ein ohrenbetäubender Lärm empfängt uns! Der Saal ist riesig und in langen Reihen steht ein Spielautomat neben dem anderen. Bunt, blinkend, seltsam und irgendwie wie Waschmaschinen auf LSD. Es herrscht grelles Neonlicht, laute Musik, zwischendurch tönen über einen Lautsprecher Ansagen und die Maschinen piepen unaufhörlich. Als Untermalung hört man das Klicken und Klackern der Metallkugeln. Vor den Spielautomaten sind kleine Drehstühle angebracht und sie sind bis auf wenige Ausnahmen alle besetzt. Neben den Spielern steht ein Plastikschale mit den Metallkugeln- das „Spielgeld“.
Wir sind hier nicht nur die einzigen Europäer sondern auch die einzigen Frauen. Pachinko scheint ein reines Männerspiel zu sein und die Spieler werfen uns skeptische Blicke zu. Neugierige „Kibitze“ sind hier eindeutig nicht gerne gesehen. Ich versuche ungesehen ein Foto zu machen, der Blitz würde hier garantiert nicht auffallen. Doch sofort kommt einer der Aufseher mit dem Hinweis : „No, no! No photo!“ Nun ja, ich denke wir gehen besser. Das Spiel auszuprobieren reizt mich nicht, wer weiß ob das für Frauen hier überhaupt erlaubt ist.
„Gott sei Dank, wir sind da wieder draußen!“ ist Ediths Kommentar als wir vor der Tür stehen. Und was herrscht hier draußen für eine himmlische Ruhe!
Doch nun machen wir uns auf die Suche nach dem von uns ausgesuchten Lokal. Das erweist sich erheblich schwieriger als gestern und nach der vierten Runde durch die schmalen Gassen fragen wir einen vorbeikommenden Herren. Ich zeige ihm den Namen des Restaurants auf meinem „Restaurant-Plan“ und er ist so freundlich uns bis zu dem Lokal zu bringen. Dort werden wir fröhlich begrüßt, ich fühle mich wie ein guter, lang verschollener Gast und wir bekommen einen Platz an der langen schmalen Bar. Hier bereitet der Koch direkt vor unseren Augen die von uns gewünschten Speisen zu und wir genießen das schmackhafte Essen ebenso wie den freundlichen und aufmerksamen Service.
Kurz bevor wir gehen bekommen wir europäische weibliche Gesellschaft. Eine junge Frau aus Deutschland, welche in Takayama einige Tage Urlaub macht bevor sie weiter nach Süden reist. Sie ist erfahre Japanreisende und Kennerin des Landes. Doch wir sind inzwischen leider zu müde um noch lange zu bleiben, daher verabschieden wir uns von unserer Landsmännin und dem netten Wirt. Morgen heißt es wieder früh aufstehen, es geht zu dem letzten Aufenthaltsort unserer Rundreise. Mit dem Zug fahren wir bis Tokyo, dort werden wir die letzten Tage unseres Urlaubes verbringen. „Oh, da habt ihr Glück“ erklärt uns unsere Tischnachbarin „morgen ist in Tokyo die Eröffnung der Kirschblüte.“ Und das Wetter? „Ach, das ist bestimmt gut“ meint die junge Frau beruhigend. „Da fängt doch jetzt der Frühling an.“
Kurz vor dem Einschlafen schreckt mich noch ein Gedanke hoch : der Jakuzzi! Wir sind gar nicht mehr dazu gekommen den schönen Jakuzzi mit Blick auf die schneebedeckten Berge zu genießen.
Sieht interessant aus. Was hat der Spaß gekostet?
hallo Valoon,
es ist auch sehr interessant! Es war preiswerter als geplant, eine der wenigen Reisen in denen ich weniger gebraucht habe als kalkuliert.
Kommt immer darauf an, welche Ansprüche man hat. Die gesamten 2 Wochen Rundreise mit Flug, Hotels,Eisenbahntickets, Essen und Trinken plus Ausflüge kam auf knapp 3.000 Euro.
Gruss Elke