Reisebericht Kanazawa und der Kenrokuen Garten
Mittwoch, 25.03.10
Heute verlassen wir Kyoto und damit hoffentlich auch den Regen. Es geht weiter nach Kanazawa, eine Zugfahrt von 2,5 Stunden mit dem Regionalexpress und unsere erste Fahrt mit dem Japan Rail Pass. Dieser Pass wird speziell für Touristen ausgestellt und ist die preiswerteste Weise die japanischen Züge zu benutzen. Gebucht werden muss dieser Pass vor Reiseantritt, was Jal Tours für uns getan hat.
Den Weg zum Bahnhof machen wir trotz strömendem Regen zu Fuß, die Strecke ist zu kurz um ein Taxi zu nehmen und unsere Koffer können wir Gott sei Dank hinter uns herziehen. Wir halten uns so nahe an den Hausmauern wie möglich um nicht komplett durchgeweicht am Bahnhof anzukommen.
Auf dem Bahnsteig zeige ich unsere Fahrkarten einem der Beamten. Sind wir hier richtig? „Sie müssen sich an diese Linie stellen, hier stoppt der Wagen Nr. 4 in dem sich ihr Sitzplatz befindet“ erklärt er uns höflich. Tatsächlich, hier ist es ja auch angeschrieben. In regelmäßigen Abständen stehen die Nummern der Waggons und auf dem Boden ist aufgezeichnet wo welche Türnummer stoppt. Und wirklich, als der Zug einfährt stehen wir direkt vor der Tür. Genauer gesagt rechts und links von der Tür, so können die aussteigenden Passagiere problemlos zuerst das Abteil verlassen. Das ist Organisation!
Während der Zugfahrt lese ich in meinem Buch, ab und zu schaue ich aus dem Fenster. Ist irgendwo ein Stückchen blauer Himmel zu sehen? Irgendein Anzeichen, dass das Wetter an unserem Ziel besser ist? Nein, die grauen Wolken begleiten unsere Reise genauso wie der Regen. Überall ist der Boden nass und teilweise überschwemmt. Auf der halben Strecke haben wir einmal einen längeren Aufenthalt, der von einer Lautsprecheransage unterbrochen wird. Vermutlich werden die Umsteigemöglichkeiten im kommenden Ort durchgesagt.
Als ich das nächste mal einen Blick auf meine Uhr werfe bin ich erstaunt. Schon fast halb zwölf, wir müssen jeden Moment in Kanazawa ankommen. Da tauchen ja auch schon die ersten Häuser auf! Nun aber rasch die Jacken anziehen, Buch einpacken und unsere Koffer hinter dem Sitz hervor ziehen. Da, der Zug bremst schon! Edith steigt als erste aus und ist gerade dabei ihren Koffer heraus zu heben als ein ungutes Gefühl mich veranlasst die anderen Passagiere anzusprechen. „Kanazawa????“ „No, the next one!“ tönt die Antwort von dem anderen „Westler“ in unserem Abteil. Huch! Edith steht schon auf dem Bahnsteig! „Schnell, steig wieder ein! Schnell! Komm rein!“ rufe ich ihr zu und sie schafft es gerade noch mit ihrem Koffer wieder aufzuspringen, bevor sich die Türen mit einem lauten Zisch schließen. Wie kann das sein? In Japan ist doch Pünktlichkeit an der Tagesordnung. Der Mitreisende „Westler“ klärt uns auf: „Wir haben 20 Minuten Verspätung, es wurde per Lautsprecher durchgesagt.“ Aha, das waren also doch nicht die Verbindungsmöglichkeiten.
Genau 20 Minuten später fahren wir in den Bahnhof von Kanazawa ein.
Ich schlage vor, zuerst das Organisatorische zu erledigen. Das heißt in diesem Fall unsere Fahrkarte für morgen nach Takayama zu buchen. So brauchen wir uns später nicht um das Ticket zu kümmern. Nach einer kurzen Wartezeit in der anstehenden Schlange erhalte ich die Karten und nun können wir schauen wo unser Hotel ist. Dazu gehen wir zur Touristeninformation, dort spricht eine der Damen sehr gutes Englisch. Das Hotel liegt direkt gegenüber vom Bahnhof und sie gibt uns gleich noch Stadtpläne und erklärt uns die Busverbindungen. Doch die größte Überraschung erlebe ich, als ich vor den Bahnhof trete. Es regnet gar nicht! Wie schön! Doch Edith dämpft meine Freude sofort: „Der Bahnhofsplatz ist überdacht!“ Verblüfft schaue ich nach oben, ein riesiges durchsichtiges Plexiglasdach reicht über den gesamten Bahnhofsplatz. Eine super Konstruktion und zumindest hatte ich für einen Moment die Illusion, dass sich das Wetter bessert.
Mit dem Hotel Miyako Kanazawa sind wir sehr zufrieden, alles ist sauber und das Zimmer bietet viel Platz. Rasch packen wir das Nötigste aus und danach tätigen wir einen wichtigen Einkauf. Wir investieren in zwei Regenschirme! Meine Regenjacke ist so durchweicht, ich glaube es hat die Imprägnierung weg gespült. Und Edith ihr kleiner Taschenknirps ist den Anforderungen eines japanischen Regengusses nicht gewachsen. Er lässt schon ganz traurig eine Speiche hängen. Nun sind wir stolze Besitzer japanischer Regenschirme. Sie sind aus durchsichtigem Plastik und nehmen uns daher auch nicht die Sicht auf entgegenkommende Passanten.
Unser erstes Ziel ist nochmals der Bahnhof, wo wir in eines der Restaurants gehen und eine Kleinigkeit essen. So gestärkt machen wir uns nun auf den Weg um die Sehenswürdigkeiten von Kanazawa zu besuchen.
Kanazawa liegt an der Nordwestküste der Hauptinsel Honshu und hat knapp 450.000 Einwohner. Sie ist die größte und schönste Stadt des Hokuriku-Distrikts und dessen kulturelles Zentrum. Aus der glanzvollen alten Zeit blieb viel Sehenswertes erhalten, doch mit nur einem Nachmittag Aufenthalt müssen wir eine Auswahl treffen. Ein „muss“ ist vor allem der Kenrokuen, einer der drei schönsten Gärten Japans im Herzen der Stadt.
Wir nehmen den Linienbus Nr. 3, der direkt am Bahnhof abfährt. Auch hier ist auf dem Boden gekennzeichnet, wo wir warten müssen um einzusteigen. Nach einer ca. 15 minütigen Fahrt in der wir versuchen nach unserem Ziel zu fragen, gibt uns einer der Passagiere das Zeichen zum Aussteigen. Auch hier wird, genau wie in Kyoto, der Fahrpreis von 200 Yen am Ende der Fahrt an den Fahrer entrichtet. Doch wo ist der botanische Garten? Hoffentlich sind wir hier richtig, es war ja so schön trocken im Bus.
Doch der freundliche Passagier hat uns richtig angewiesen, nachdem wir ein kleines Stück zurück gegangen sind sehen wir auf der rechten Seite die Samurai Burg und links den botanischen Garten. Beides möchten wir uns ansehen, was nehmen wir nun zuerst? „Die Burg“ ist Edith ihr Vorschlag „vielleicht hat am Ende der Besichtigung der Regen aufgehört.“
Von der 1881 durch ein Feuer zerstörten Burg ist ein 54 Meter langes Samurai-Wohnhaus und das Tor Ishikawamon erhalten geblieben. Am Eingang zu dem Samurai-Wohnhaus lassen wir unseren Schirm und die Schuhe stehen, bekommen ein Paar Filzpantoffeln und können so durch das restaurierte Gebäude schlurfen. Viel zu sehen ist eigentlich nicht, die Räume sind fast leer und es wird anschaulich die Bauweise der damaligen Zeit gezeigt. An großen Monitoren kann man im Film die Restaurierungsarbeiten sehen und auf japanisch die Erklärungen zu den einzelnen Bauphasen lesen. Wir sind recht schnell wieder am Ausgang, was dort mit einem erstaunten Blick zur Kenntnis genommen wird. „Hat es ihnen gefallen?“ fragt die nette Dame an der Eintrittskasse. „Ja“ nicke ich lächelnd „sehr interessant.“
Der Regen hat leider nicht nachgelassen und mit aufgespannten Schirmen gehen wir den Weg hinüber zum Kenrokuen Garten. An der Eintrittskasse bekommen wir einen Lageplan und damit machen wir uns auf den Weg.
Die Empfehlung von Jal Tour war mal wieder genau richtig, es ist ein wunderschöner Garten, sogar bei einem Regenguss. Wir wenden uns am Eingang nach rechts und kommen so zu dem Teich Hisagoike mit seinem kleinen Wasserfall und dem Teehaus. Von dort führt uns ein Weg hinauf, vorbei an einem Kinderspielplatz, zu einem Areal voller Pflaumenbäume mit beginnenden Blüten. Immer wieder passieren wir kleine Wasserläufe mit malerischen Stegen. In der Nähe des zweiten, größeren Teiches Kasumigaike ist eine besondere Attraktion.
Eine Pinie mit so ausladenden Ästen, dass sie von mehreren Holzpfählen gestützt werden muss. Überall im Park sind Arbeiter beschäftigt, die trotz des starken Regens am Boden knien und Unkraut jäten, Wasserläufe reinigen und mit einem Kescher herabgefallenes Laub aus den Teichen fischen. Wir genießen den Spaziergang durch diesen liebevoll und geschmackvoll angelegten Garten.
Für den Rückweg haben wir einen anderen Ausgang gewählt, denn wir möchten einen Abstecher in das ehemalige Samuraiviertel Nagamichi machen. Dazu gehen wir vorbei an der Stadthalle und vielen Geschäften bis zu einer Kreuzung mit kleineren und größeren Kaufhäusern. Hier sind wir mitten in der Einkaufszone von Kanazawa.
Einige Straßen weiter wird es immer ruhiger und die Hochhäuser wechseln zu Gebäuden im alten japanischen Stil. Die Häuser, in denen einst die Samurais lebten sind auch heute noch bewohnt. Autos stehen in kleinen Einfahrten und hohe Mauern umgeben die Anwesen. Einige dieser Häuser sind heute Museen, in denen man einen Eindruck über die Wohnkultur der Samurais gewinnen kann. Doch wir sind leider zu spät, überall stehen wir vor verschlossenen Türen. Im Dämmerlicht gehen nun die ersten Straßenlaternen an und wir entschließen uns die nächste Busstation zu suchen um ins Hotel zu fahren. Und wir haben Glück! Gleich an der ersten Haltestelle sind wir richtig und kurz darauf kommt auch schon ein Linienbus, der uns zu unserem Ziel bringt.
„Sollen wir für heute Abend ein schönes Restaurant suchen?“ schlägt Edith vor. „Wer will denn bei der Kälte noch vor die Tür?“ lautet meine Gegenfrage. „Och, ich eigentlich nicht“ ist Ediths ehrliche Antwort. Und großen Hunger hat keine von uns beiden, wir haben ja heute Mittag gegessen. Warum gehen wir nicht im Hotel in die Cafeteria, genehmigen uns einen leckeren Drink in der Raucherecke und machen es uns anschließend auf dem Zimmer gemütlich? Das ist eine gute Idee und falls doch ein kleiner Hunger kommt haben wir ja noch eine Tüte mit Kartoffelchips.
In der Cafeteria werden wir nett und freundlich bedient, ich gönne mir ein Glas Wein und genieße eine Zigarette dazu. Wie schön, ich darf im Trockenen rauchen!
Später, im Zimmer, kommt tatsächlich noch ein kleiner Hunger und wir öffnen unsere Tüte „Kartoffelchips“. Doch was ist das? Ein Duft nach Fisch dringt beim Öffnen aus der Tüte und hüllt uns ein wie eine Wolke. Chips mit Fischgeschmack? Ungläubig schauen wir uns an und danach auf die Tüte, die wir schnell wieder verschlossen haben. Sind das keine Chips auf dem Bild? Doch, allerdings mit rosa Querstreifen. Das sind Chips mit Krabbengeschmack! Vielleicht ganz gut, wenn man sich daran gewöhnt hat. Doch wir sind ja nur 2 Wochen hier im Urlaub und lassen daher die Tüte zu.
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