Tokios Tsukiji Fischmarkt und Besichtigung des Tokio Tower
Mittwoch, 31.03.10
So früh wie heute sind wir den gesamten Urlaub nicht aufgestanden. Es ist erst 4ººh morgens als der Wecker klingelt und ich überlege einen Moment ob ich mich einfach auf die andere Seite drehe und weiter schlafe. Ist der Besuch der Markthalle mit der Fischauktion es wirklich wert, um diese Zeit aufzustehen? Das werde ich jedoch nur erfahren, wenn ich mich zusammenreiße und aus dem Bett steige. Also los! Aufstehen!
Die Straßen zur Metrostation sind fast menschenleer und auch auf dem Gleis der Metrobahn sind außer uns nur zwei weitere Personen. Es ist einer der ersten Züge die am Tag fahren.
Es ist nicht weit, nur 2 Haltestellen mit der Oedo-Linie und schon sind wir an der Tsukijishijo Station gegenüber des zentralen Fischmarktes von Tokio.
So ruhig wie es in der Millionenstadt noch ist, hier herrscht reges Treiben. Kalt ist es zu dieser frühen Morgenstunde und auf dem Weg zur Halle werden heiße Getränke angeboten. Diese Verkaufsstände sind gut besucht und Fischer und Arbeiter wärmen sich die Hände an den warmen Bechern. Wir durchqueren die Auslieferungshalle in der LKW neben LKW auf ihre Fracht warten. Es sieht aus wie auf einem großen Autohof, immerhin werden auf diesem Großmarkt rund 90 % des gesamten Fischbedarfs der Millionenstadt Tokio umgeschlagen.
Unser erster Weg führt uns in die Auktionshalle. Hier werden die Fische an die Großhändler und Restaurantbesitzer versteigert. Die Fische liegen in langen Reihen auf dem Boden und es wird etikettiert, vermessen und nummeriert. Auf einem langen Tisch liegen Proben des Fischfleisches, so kann der Kunde vor dem Einkauf das Fischfleisch auf seine Qualität hin prüfen und auch eine Kostprobe nehmen. Dies gilt besonders bei dem für Sushi gedachten Thunfisch.
Als Höhepunkt beginnt dann die Auktion. Mit lautem Rufen und Zählen geht diese sehr zügig und routiniert vonstatten. Die Männer kennen sich offensichtlich, vermutlich treffen sie sich täglich hier zu dieser frühen Morgenstunde. Der Umgangston scheint geschäftlich-freundlich. Kurz vor Ende der Auktion geht ein in Weiß gekleideter Angestellter mit einem Schild vor den Reihen der Zuschauer entlang. Der Text ist in englisch und bittet darum, am Ende der Versteigerung die Halle zu verlassen.
Langsam schlendern wir mit den anderen Besuchern in Richtung des Ausgangs als bereits die ersten Arbeiter ankommen um den verkauften Fisch abzuholen. Je nach Größe des Einkaufs tauchen die unterschiedlichsten Transportmittel auf. Das Spektrum reicht von zweirädrigen Handwagen bis zu Elektroautos mit Anhänger. Doch um welches Fahrzeug es sich auch handelt, alle haben es eilig und die Gefahr überfahren zu werden scheint mir hier größer als beim Überqueren einer Hauptverkehrsstraße. Tückisch sind besonders die Elektroautos: auf leisen Gummireifen schnurren sie im Affentempo durch die schmalen Durchgänge der Hallen. Da hier keiner hupt, bemerkt man die Gefahr erst, wenn einem der Wagen fast an den Fersen hängt.
Meine Idee, nur die super schmalen Durchgänge zu nutzen erweist sich als Flop. Die Gänge sind genau so breit wie die Elektroautos. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an die Händler, die mir in den Lücken zwischen ihren Kisten rechtzeitig Obdach gewährt haben.
In dem Bereich, durch den wir nun spazieren, wird Fisch und Meeresfrüchte zum allgemeinen Verkauf angeboten. Tintenfische, Muscheln, Krebse, bekannte und unbekannte Fischsorten- hier findet sich alles. Auch ein Teil der eben versteigerten Thunfische landen an diesen Verkaufsständen und werden fachgerecht filetiert.
Als draußen der Tag zu dämmern beginnt und die Millionenstadt erwacht, wird es hier in der Markthalle langsam ruhiger. Für die Großhändler ist das heutige Geschäft abgeschlossen und die ersten Hausfrauen kommen für ihren täglichen Einkauf.
Im Eingangsbereich sind die vielen Lkws mit ihrer Ladung abgefahren, dafür stehen hier nun die Elektroautos.
Einige wenige Styroporkisten warten noch auf ihren Transport, doch der Hauptteil der Fische ist bereits unterwegs in Supermärkte, Restaurants und zu Fischhändler im gesamten Bereich Tokios.
Wir verlassen die Markthallen und bummeln langsam zurück zur Metrostation. Im Umkreis des Marktes sind inzwischen sämtlich Lokale geöffnet und gut besucht. Hier stehen Fischer, Großhändler, Arbeiter und Restaurantbesitzer zusammen und stärken sich mit einer Mahlzeit nach einem anstrengen Arbeitstag. Und die Fahrer der Elektroautos- auch sie sind sicher unter den vielen Gästen und lassen den Geschwindigkeitsrausch abklingen. 🙂
Unser nächstes Ziel ist der Shiba Park und der Tokio Tower, doch zuerst besuchen wir eines der viel Starbuck-Cafés. Dort bestellen wir jeder einen großen Becher mit heißem Tee und dazu eines der leckeren Gebäck-Stücke, die man überall in Japan findet. „Na, hat sich das frühe Aufstehen denn gelohnt? Was meinst du?“ möchte Edith von mir wissen. Doch, auf jeden Fall! Es hat sich gelohnt, ich möchte diese Eindrücke von heute morgen nicht missen. Edith nickt und meint: „Ich war sehr skeptisch, aber du hattest recht. Es war absolut sehenswert.“
So gestärkt machen wir uns auf den Weg und durchqueren als erstes den Shiba Park, wo das Morgenlicht auf eine Fülle von Kirschblüten scheint. Doch das Beeindruckende an dem Park ist für mich der Zojoji-Tempel, zu dem das gesamte Areal des Parks früher gehörte.
An diesem Tempel stehen lange Reihen von Jizo-Göttern, die den Wasserkindern geweiht sind. Unter Wasserkindern versteht man, laut meinem Reiseführer, die abgetriebenen Kinder. Da stehen sie, die kleinen steinernen Figuren, mit Windrädern in der Hand, Mützchen auf dem Kopf und Blumenvasen mit frischen Schnittblumen als Schmuck. Es sind hunderte, unzählige, einer neben dem anderen und eine Reihe hinter der nächsten. Und als ich um die Ecke gehe beginnen dort die nächsten Reihen.
Als wir den Park auf der anderen Seite verlassen sind wir schon fast am Tokio Tower. Dieser 333 Meter hohe Turm besteht aus einer Stahlskelettkonstruktion, die an den Eiffelturm in Paris erinnert. In 150 und 250 Metern gibt es jeweils eine Aussichtsplattform mit guter Sicht über Tokio. Wir fahren natürlich bis ganz nach oben, wenn schon denn schon! Sanft trägt uns der Aufzug bis zu 150 Metern und auch hier ist die Sicht schon beeindruckend. Doch als wir mit einem weiteren Fahrstuhl auf 250 Metern ankommen fällt mir nur ein Wort ein: Wow! Obwohl sich das Wetter leider ein wenig eintrübt und die Luft diesig ist, haben wir einen tollen Rundum-blick. Wo ist unser Hotel? Und schau – da unter- der Shiba Park, da waren wir eben! Und dort, das ist die Rainbow Bridge! Langsam umrunden wir die Plattform und versuchen all die Orte auszumachen, die wir in den letzten Tagen in Tokio schon besucht haben.
Auf dem Weg nach unten schauen wir uns das ganze nochmals aus 150 Metern an. Erstaunlich wie viel 100 Meter Höhenunterschied ausmachen.
Im Erdgeschoss des Turmes befindet sich noch ein Museum zur Entwicklung der Elektrotechnik und ein Wachsfigurenkabinett, doch wir besuchen keines von den beiden.
Ich plane für heute Mittag eine Schiffsfahrt durch den Hafen von Tokio und unter der Rainbow Bridge hindurch bis zur künstlich aufgeschütteten Insel Ariake. Diese 1996 eröffnete „Rainbow-Stadt“ bietet modernste Einkaufsmöglichkeiten, ein internationales Ausstellungszentrum und ein Vergnügungszentrum für die Jugend.
Daher machen wir uns nun also auf den Weg zur Bay Cruise Station am Hinode Pier. Es ist nicht weit, nur ca. eine halbe Stunde Fußweg und da es heute nicht regnet ist es ein angenehmer Spaziergang. Doch bei unserer Ankunft im Büro der Schiffsfahrtgesellschaft wartet leider eine Enttäuschung auf uns. Das Fährboot zu der Insel Ariake ist vor kurzem abgefahren, in unserem Prospekt sind leider noch die Winterzeiten. Die nächste Fähre startet erst in 3 Stunden. Das ist lange! Was sollen wir drei Stunden an einem Pier machen? Oder in 3 Stunden nochmal wiederkommen? Nein, so Zentral ist die Lage auch wieder nicht! Außerdem sind wir inzwischen müde gelaufen, schließlich sind wir heute schon seit 4ººh morgens auf den Beinen.
Ein junger Mann bietet uns eine Alternative an: „Sie können bei uns eine Bootsfahrt auf dem Fluss nach Asakusa machen.“ Asakusa? Das waren wir doch schon am ersten Tag. Anderseits hat es uns dort gefallen, blühende Kirschbäume, kleine Gassen mit vielen Geschäften. Warum sollen wir nicht nochmal nach Asakusa? Vor meinen inneren Augen sehe ich die Flussfahrt vor mir: bequem sitzend schippern wir den Fluss hinauf und betrachten uns die Ufer auf der linken und rechten Seite. Es ist sicher sehr erholsam!
„Das Boot fährt in fünf Minuten, sie müssen sich beeilen“ insistiert der junge Mann und rasch entscheiden wir uns für diese Fahrt. Schnell zum Schalter, Fahrkarten kaufen und schon huschen wir durch die Tür zur Anlegestelle. Und hier bleiben wir erst einmal erschrocken stehen. Eine lange Schlange von wartenden Menschen steht vor einem kleinen Boot. Die sollen alle auf diese kleine Dschunke? Können wir unser Ticket zurück geben? „Nein, das geht leider nicht. Und was heißt überfüllt? Es werden alle Platz haben!“ 🙁 Leise gebe ich Edith Verhaltensmaßnahmen: „Lass dich nicht abdrängen, schiebe dich an allen vorbei und kämpfe um einen Sitzplatz.“ Doch es ist hoffnungslos! Kein Sitzplatz, auch nicht auf einer Kiste und auch die Plätze an der Reling oder an der Wand zum Anlehnen sind ruck-zuck vergeben.
Wir stehen eingekeilt zwischen den anderen Passagieren auf Deck wie Flüchtlinge. Ob dieser Kahn Rettungsboote hat?
Doch außer uns scheint sich keiner an dem vollen Boot zu stören. Na ja, vielleicht der hochgewachsene Herr neben mir. Er spricht deutsch, offensichtlich ein Landsmann von uns.
Die Stimmung an Bord ist jedenfalls gut, die Mitreisenden lachen und scherzen miteinander und ziehen die Köpfe ein um den anderen ein gutes Foto zu ermöglichen.
Auf der linken Seite passieren wir die inzwischen verwaisten Anlegestellen der Fischmarkthallen während uns gleichzeitig ein weiteres Ausflugsboot entgegen kommt. Es ist genauso voll wie das unsere. Nach der halben Fahrstrecke kommt ein Mitarbeiter der Gesellschaft mit einem Bauchladen und bietet Getränke und Essen an. Falls jemand eine warme Mahlzeit möchte- kein Problem, es dauert nur einen kurzen Moment.
Edith hat inzwischen, dank einem freundlichem Mitpassagier, einen „Anlehnplatz“ erhalten. Diese beengte Bootsfahrt hat aber auch einen Vorteil: wir sind gut geschützt vor dem recht kalten Fahrtwind auf dem Fluss.
Als wir in Asakusa von Bord gehen steht schon eine ebenso lange Warteschlange an der Anlegestelle bereit wie bei unserer Abfahrt am Hafen.
Wir suchen nun jedoch als erstes einen Sitzplatz um uns ein wenig auszuruhen und nehmen das erste Lokal auf unserem Weg. Es ist ein Starbuck-Café, wir haben Blick aus dem Fenster und endlich können sich unsere müden Füße erholen. Wir sind inzwischen immerhin 10 Stunden unterwegs.
Nach dieser erholsamen Pause schlendern wir durch Einkaufsstraßen, betrachten die Auslagen und Angebote der Geschäfte und fahren am späten Nachmittag mit der Metro zurück in unser Hotel.
Die nächsten Stunden verbringen wir mit einem Buch in unserem Zimmer, die Füße in japanischen Hotelhausschuhen und einer Tasse grünem Tee vor uns.
Als es zu Dunkeln beginnt stellt sich die tägliche Frage: wo gehen wir essen? Heute entscheiden wir uns für eine kleine Bar, nicht weit vom Hotel entfernt. Sie bieten neben Getränken verschiedene kleine Gerichte an und wir probieren auf gut Glück einige davon aus. Der Kellner ist sehr nett, spricht ein wenig Englisch und kann uns beraten. „Aus welchem Land kommt ihr denn?“ möchte er später von uns wissen. „Wir sind Deutsche, leben jedoch in Spanien“ erkläre ich ihm. „In Spanien?! Mein Chef spricht spanisch, er war schon dort!“ erklärt er uns begeistert. Und schon verschwindet er in der Küche und kommt kurz darauf mit seinem Chef wieder an unseren Tisch. Der Chef, der in seinem Lokal gleichzeitig der Koch ist, freut sich seine Spanisch-Kenntnisse nach langen Jahren wieder einmal nutzen zu können. Er war im Jahr 2002 für 6 Monate in Spanien als Rucksacktourist und hat in dieser Zeit eine Sprachschule in Granada besucht. Es war in dem Jahr, als ein Tanker vor der Nordküste Spaniens gekentert war und lebhaft erzählt er uns, wie er damals dort mitgeholfen hat um die Seevögel und die Küste vor dem Gröbsten der Ölpest zu reinigen. Da muss ich so weit reisen, um einen der vielen damaligen ehrenamtlichen Helfer kennenzulernen.
Die Zeit vergeht bei dem Gespräch wie im Flug, doch da wir auch morgen wieder einen langen Tag vor uns haben verabschieden wir uns eine Weile später. Morgen erwartet uns eines der Highlights in Japan – der Besuch des Fuji-San und ich hoffe auf schönes und klares Wetter um diesen berühmten Berg mit seinem schneebedeckten Gipfel zu sehen.
Hallo, Elke!
Ich war im August in Tokio und wollte mir eigentlich auch den Fischmarkt ansehen. Leider war ich ein kleines bisschen zu spät dran, da ich die falschen Informationen von der Tourist-Info bekam. Ich war damals ziemlich frustriert, dass es nicht geklappt hat. Ich habe eben Deinen Bericht über die Auktion gelesen und mir tut’s auch heute noch leid, dass ich sie nicht miterleben konnte. Muss ich’s halt virtuell bei Dir im Internet lesen 😉
Weiterhin viel Spaß beim Reisen!
Gerhard
PS: Ich bin froh dass Ihr in der Metro nicht vom Zug erfasst wurdet, als Ihr auf dem Gleis gestanden seid. Ich vermute allerdings, dass der Bahnsteig gemeint ist – oder? 😉
Hallo Gerhard
Danke für deinen Kommentar! Schade, das du den Fischmarkt verpasst hast.
Es ist der Bahnsteig gemeint,(klar) der „kleine“ Schnitzer ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. 🙂 Tja, – der Teufel liegt im Detail. 🙂 Aber schön, dass du dich freust, dass wir nicht vom Zug überrollt wurden 😉
Auch Dir weiterhin schöne Reiseerlebnisse
Gruß
Elke