Urlaubsreise von Prince George auf dem Yellowhead Highway nach Smithers
Samstag, 26.04.08
Als wir aufwachen haben wir auch heute wieder blauen Himmel und Sonnenschein. Es gibt auch kein „Hotelfrühstück“ mit Marmeladentoast, sondern Eier mit Schinken bei unserem griechischen Jäger. Ausgeschlafen und gestärkt machen wir unsere Pläne für den heutigen Tag. Durch unseren kurzen Aufenthalt in Banff und Jasper sind wir viel zu schnell. Die Fähre nach Vancouver Island fährt erst am 02.05.08 in Prince Rupert ab. Wir haben also sechs Tage Zeit für eine Strecke von knappen 400 km.
Wie wäre es mit einem Abstecher nach Barkerville? Diese ehemalige Goldgräberstadt aus dem Jahr 1862 ist heute ein sehenswertes „lebendes“ Museum mit 125 historischen Gebäuden. Was steht denn noch in meinem Reiseführer? Von Juni bis Anfang September geöffnet!? Da sind wir im April entschieden zu früh, auch Barkerville hat sicherlich ein großes Schild am Tor mit dem Wort CLOSED.
Am Besten wir fahren langsam weiter auf dem Highway, machen öfters einen Halt und besichtigen alles was um diese Jahreszeit geöffnet ist.
Wir verlassen Downtown und durchfahren auf dem Weg zum Highway hübsche Wohngegenden mit gepflegten frisch gestrichenen Holzhäusern.
Auf dem Weg nach Vanderhoof halten wir auf einem kleinen Parkplatz an und laufen ein kurzes Stück einen Pfad entlang. Wo mag der wohl hinführen? Er endet an einem halb zugefrorenen See, der von einem großen Biberdamm geteilt ist in dessen Mitte ein Riss klafft. Da muss der Biber nun aber bald an die Reparatur, wenn sein Bauwerk erhalten bleiben soll.
Kurz nachdem wir die Ortschaft Vanderhoof passiert haben verlassen wir den Highway und fahren nördlich Richtung Fort St. James.Dieser Ort wurde 1806 gegründet und erlebte seine Blütezeit um 1896 mit dem Pelzhandel der Hudson´s Bay Company. Der historische Ortsteil kann besichtigt werden, Angestellte erzählen Anekdoten aus der Pionierzeit und laut meinem Reiseführer gibt es hier nach Indianerart geräucherten Lachs zu probieren.
Nach etwa dreißig Minuten Fahrzeit kommen wir in den Ort Fort St. James. Schneereste liegen an der Straße und weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Links ist eine Wohnsiedlung mit Schotterstraße, in den Vor- und Hintergärten der Häuser liegt Kinderspielzeug, Autoersatzteile und vor der Tür steht bei einigen ein Familienauto. Das historische Besucherzentrum ist einfach zu finden, es liegt direkt am Stuart Lake. Wir sind mal wieder das einzige Auto auf dem Parkplatz und ich ahne schon was wir vorfinden werden. Und tatsächlich, am Eingang prangt ein großes Schild: CLOSED
Da wir jedoch schon hier sind schauen wir uns wenigstens alles von außen an. Langsam gehen wir um die Gebäude und auf Zehenspitzen kann ich sogar über den Holzzaun schauen. Hoppla, da ist ja eine Lücke im Zaun! Ist ja sowieso keiner da, also kann es auch nicht stören wenn wir da durch gehen. Wir landen auf einer kleinen Pferdekoppel auf der ein Pony nach den ersten Grashalmen sucht. Rundherum sind Holzhäuser, so wie sie in Wildwestfilmen gezeigt werden. Mehr gibt es hier leider nicht zu sehen, schade. Wir quetschen uns durch die Zaunlücke wieder nach draußen und nehmen den Weg zum See, vielleicht können wir dort ja ein wenig spazieren gehen.
Der See ist noch vereist, nur an den Uferränder sehen wir das Wasser durchschimmern. Still und verlassen liegt das Gewässer vor uns, ist hier außer uns denn niemand? Doch, ein Mann taucht am Zaun zu dem historischen Dorf auf und sofort schlägt mein Gewissen. Wir waren unbefugt auf dem Gelände! Doch das interessiert ihn nicht, er möchte wissen wo wir herkommen und warum wir im April hierher kommen. Denn jetzt ist ja leider noch geschlossen. Frühesten Ende Mai findet hier eine Besichtigung statt. Wie alle Kanadier die wir bisher kennengelernt haben ist auch er einem kleinen Plausch nicht abgeneigt. Er wohnt hier in Fort St. James und empfindet es als ein sehr angenehmes und ruhiges Leben mit guter Nachbarschaft. „Nun, zumindest die Weißen“ schränkt er dann jedoch ein. „Die Native- People sind das einzige Problem was wir hier haben.“ Na nu, ich dachte die Zeiten sind vorbei. Doch er erklärt uns das genauer:
„Arbeitsplätze sind hier sehr selten da viele Holzsägereien zumachen mussten. Die Indianer haben gar keine Chance auf einen Arbeitsplatz, außerdem bekommen sie ja eine monatliche Zahlung vom Staat. Da sie den ganzen Tag nichts zu tun haben, trinken sie.“ Er erzählt uns von der Alkoholabhängigkeit und dem Problem, das diese Sucht irgendwann auch nicht mehr mit den staatlichen „Wiedergutmachungs-Zahlungen“ zu finanzieren sei. Die Folge sind Einbrüche und Diebstähle, vor allem zum Monatsende. Der Weg auf dem wir gehen sei ein Trampelpfad zum Alkohol-Shop und immer mit leeren Bierdosen und Schnapsflaschen bedeckt. „Wir räumen regelmäßig den Müll weg, nur die Kronkorken sind schon zu fest in die Erde getreten. Die lassen wir eben liegen.“ Nun schaue ich mich ein wenig genauer um. Flaschen und Dosen sehe ich im Moment zwar keine, doch mit den Kronkorken hat er recht. Das ist schon fast wie ein kleines Kopfsteinpflaster. Er zeigt auf die Wohnsiedlung an der wir vorbei gefahren sind: „Das ist das Indianerreservat“ erklärt er. Dann einen weiteren Fingerzeig in die andere Richtung. „Dort ist der Liquor Store und hier am See ist der kürzeste Weg dorthin.“
Tony plaudert noch eine Weile mit ihm über das Wetter und ob es hier Bären gibt. Ich selbst gehe den Holzsteg entlang bis zum Wasser und mache einige Fotos. In der Zwischenzeit kommen noch andere Spaziergänger aus beiden Richtungen. Es sind alles Männer und dem Aussehen nach zu beurteilen indianischer Herkunft. Mir fällt auf, dass alle, die aus der Richtung Reservat kommen die Hände frei haben. Auf dem umgekehrten Weg dagegen tragen alle eine große braune Papiertüte. Jetzt kommt einer ohne Tüte- aber dafür schwankt er wie ein Schiff in Seenot. Er ist der Einzige, der mein freundliches „Hallo“ mit einem Lächeln erwidert.
Nachdem sich unser Gesprächspartner und Tony verabschiedet haben folgen wir dem mit Kronkorken gepflasterten Trampelpfad. Und tatsächlich, er führt direkt zu einem Alkohol-Shop und hier herrscht reger Betrieb. Männer stehen in Gruppen herum und unterhalten sich und die Tür des gut frequentierten Geschäftes steht nicht still. Im gleichen Gebäude befindet sich das „Fort St. James Hotel“ mit Coffee-Shop und Kabarett, zumindest sagt dies die pinkfarbene Reklametafel.
Wir nehmen für den Rückweg die Hauptstraße und gehen durch den gesamten Ort. Unterwegs fragt Tony sicherheitshalber eine junge indigene Frau ob wir auf dem richtigen Weg sind. „I don´t know!“ ist die kurze Antwort im Weitergehen. Es scheint in Fort St. James wirklich eine gewisse Spannung zwischen den Ureinwohnern und den Nachfahren der Pioniere zu geben.
Eine Polizeistation entdecken wir, zwei Polizeiautos stehen davor und warten auf ihren eventuellen Einsatz am Monatsende. Heute ist der 26. April, ob es vielleicht leichtsinnig war unser vollgepacktes Auto so lange auf dem einsamen Parkplatz zu lassen? Doch als wir dort ankommen steht unser Fahrzeug unverändert da und wir machen uns auf den Rückweg zum Highway um unsere Reise nach Westen fortzusetzen.
Die Straße führt uns weiter bis Fraser Lake und hier machen wir unseren nächsten Halt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, einen schönen Wander- oder Spazierweg zu finden.
Vielleicht unten am See? Wir fahren bis zum Parkplatz, auch hier haben wir keine Parkprobleme- alles frei. Vor uns liegt eine verwaiste Wiese mit Kinderspielplatz, Bänke die im Sommer zum Sitzen einladen und ein Spazierweg entlang des noch zugefrorenen Sees. Wir gehen langsam am Ufer entlang und versuchen uns vorzustellen, wie es hier im Sommer aussieht. Eine grüne Wiese mit spielenden Kindern, sich sonnende Teenager mit leise spielendem Radio, Freesbee- Spieler und im blauen See glitzert die Sonne. Um diese Jahreszeit ist es hier jedoch sehr verlassen, das Gras ist braun und der Himmel ist seit etwa einer Stunde bezogen und grau. Doch trotz des kühlen Wetters bekommen wir Gesellschaft. Ein kleines Mädchen von 12 Jahren ist mit ihrem Schäferhund unterwegs und spielt mit dem Tier „Stöckchen werfen“. Mit dem Hund an ihrer Seite nähert sie sich uns ohne Scheu und beginnt ein Gespräch. „Hallo! Was macht denn ihr hier bei dem kalten Wetter?“ möchte sie wissen. „Ein wenig spazieren gehen. Und du?“ Nun bekommen wir eine genaue Einführung in Hundehaltung und Erziehung. Sie ist jeden Tag hier und trainiert mit ihrem Hund, danach macht sie Schularbeiten. Ich habe ein wenig Probleme sie zu verstehen und muss öfter nachfragen. „Sorry, mein Englisch ist nicht so perfekt“ erkläre ich ihr. Sie schüttelt den Kopf und beruhigt mich, es liege nicht an meinem Englisch. „Ich stottere, deshalb versteht ihr mich schlecht. Drei mal die Woche gehe ich zur Therapie und es ist schon viel besser geworden.“ Ich staune nicht schlecht über diese Auskunft. Das Stottern ist minimal, es ist mir bisher nicht aufgefallen und bewundernswert finde ich ihr Selbstbewusstsein. Inzwischen haben wir das Ende des Weges erreicht und gehen nun quer über die Wiese zurück zu unserem Auto. Großzügig bietet unsere Begleiterin uns an, dass auch wir einen Stock für ihren Hund werfen dürfen. Natürlich nehmen wir dieses Angebot an und loben sie beide als der Hund die Stöcke gehorsam apportiert.
Wir verabschieden uns von unserer Begleitung und fahren zurück auf den Highway .
Bisher war die anscheinend einzige Industrie dieser Gegend der Holzgewinn, rechts und links der Straße waren die gefällten Baumstämme meterhoch gestapelt. Fast versteckt lagert das Holz hinter einer Baumreihe.
Nun jedoch ändert sich das Bild und unsere Route führt uns durch Rancherland. Rinder und Pferde sind in großen Koppeln untergebracht und mir summt gedanklich die Titelmelodie von Bonanza im Ohr. Ohne weitere Unterbrechung fahren wir bis zu unserem heutigen Ziel: Smithers.
Hier beginnt nun wieder die tägliche Suche nach einer Unterkunft und wir fahren mit dem Auto von einem Inn zum anderen. Wir haben uns schon fast für das Sandman Inn entschieden, als ich an einer Straßenkreuzung ein weiteres Schild entdecke.
Storchennest, ein schöner Name und auch das Gebäude trifft mit seinem Chalet-Stil unseren Geschmack. Es liegt gegenüber der Hauptstraße mit Einkaufzentren, damit haben wir es auch nicht weit zu einem Restaurant. Perfekt! Die Dame an der Rezeption zeigt uns die Zimmer, erklärt uns wann und wo wir Frühstück bekommen und empfiehlt einige Restaurants. „Wo kommt ihr guys denn her?“ möchte sie wissen. Tony erzählt ihr ein paar unserer Erlebnisse und die Enttäuschung, dass wir bisher noch keinen Bär zu Gesicht bekommen haben. „Oh no“ ruft sie laut lachend aus. „In all den Jahren seit ihr die ersten Touristen die in Jasper waren und keinen Bär gesehen haben!“ 🙁 🙁 Das ist absolut nicht tröstend! Doch ihr Lachen ist ansteckend und so tun wir das Beste und lachen mit! 🙂 🙂
Zum Essen gehen wir in das von unserer Wirtin empfohlene Steakhaus und sind mit dieser Wahl sehr zufrieden. Das Steak ist hervorragend, ebenso die Folienkartoffel und die Bedienung, wie bisher überall, sehr nett. Selbst unser Wunsch nach Wein zum Essen wird zwar erstaunt aber freundlich erfüllt. Ich schaue mich auf den anderen Tischen um, tatsächlich wir sind die einzigen die Alkohol trinken. Merkwürdig!
Nach dem Abendessen wollten wir noch ein wenig durch den Ort gehen. Doch es ist kalt und alle Geschäfte und Bars liegen im Dunkeln. Schon um neun Uhr alles geschlossen?
Auf unserem Rückweg zum Storchennest sehe ich eine Kirche mit einem großen Schild: Kirche der sieben Tag Adventisten. Wenn dies die Hauptkirche ist, erklärt das natürlich den gesunden Lebenswandel der Bewohner von Smithers.
Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf und es sieht nach Niederschlag aus. Ich schaffe gerade noch meine Gute-Nacht-Zigarette vor dem Storchennest zu rauchen, ehe die ersten Schneeflocken vom schwarzen Himmel fallen.
Hinterlassen Sie eine Antwort
Sie müssen angemeldet sein, um einen Kommentar abgeben zu können.