Kleine, große Modelleisenbahn-Welt in Hamburg: Miniatur-Wunderland wächst über sich hinaus
Es müssen nicht immer die größten Touristenattraktionen sein, die eine magnetische Anziehungskraft auf Menschen ausüben. Hamburg hat mit dem Michel, der Reeperbahn und dem Hafen schon einige Ziele, die allein eine Reise wert wären.
Doch in den vergangenen Jahren ist in der Hansestadt ein weiteres, auf den ersten Blick kleines touristisches Highlight ganz groß geworden: das Miniatur-Wunderland. Dabei handelt es sich um die größte Modelleisenbahn-Anlage der Welt, das sagen zumindest die Betreiber. Ein Abstecher in die Modell-Landschaft mit all ihren kleinen Häusern im Maßstab H0, Modell-Figürchen und zischenden Modelleisenbahnen ist beim nächsten Hamburg-Trip ein Muss – nicht nur für Männer mit unerfülltem Lokführer-Traum.
Kurz nach Betreten der glitzer-bunten Welt in den oberen Geschossen des Backsteinbaus in der Hamburger Speicherstadt fühlt sich der Besucher wie die Romanfigur Alice sich gefühlt haben muss, als sie dem Hasen in ihr Wunderland folgte. Gleich nach einer Reihe von Regalen, die mit Modelleisenbahn-Souvenirs voll gestopft sind, eröffnet sich eine bunt schillernde Parallelwelt. Die USA, das kalte Skandinavien, Hamburg, die Schweiz sind nur einige Schritte voneinander entfernt. Und allerorts herrscht emsiges Treiben in dem Miniatur-Wunderland.
Im hohen Norden schippert ein großes Containerschiff gemütlich über die See, in Blickweite startet ein Space Shuttle von dem Weltraumbahnhof der NASA in Cape Canaveral und wenige Meter weiter liefert sich die Mannschaft des HSV ein packendes Nordderby mit den Spielern des Stadtrivalen in der AOL Arena – vor 12 000 Zwergen-Fans, die jubeln und klitzekleine Modell-Fan-Fahnen schwenken. Auf Miniatur-Leinwänden werden sogar Videosequenzen des Fußballspiels eingeblendet. Eines darf im Miniatur-Wunderland natürlich nicht fehlen: die Modelleisenbahnen selbst. Aus dunklen Tunnels, über schneebedeckte Berge und durch sattgrüne Täler, in prächtige Bahnhöfe und durch belebte Ortschaften sausen große und kleine, kurze und lange, neue und auf alt getrimmte Züge. Alles in allem gleiten 830 Loks mit über 11 000 Waggons wie von selbst über gut und gerne zwölf Kilometer Gleise.
Vor acht Jahren eröffnete das Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt. Zu der Zeit konnte sich wohl keiner der Betreiber ausmalen, dass sich die Modelleisenbahn-Anlage mit ihrer Armada an Mini-Loks und ihren Heerscharen an Figürchen im Maßstab 1:87 zu einem Touristenmagneten entwickeln würden. Erst einige Monate davor hatte Frederik Braun seinen Zwillingsbruder Gerrit aus einem Zürich-Urlaub angerufen und mit der Idee zum Miniatur-Wunderland überrascht: „Wir bauen die größte Modelleisenbahn der Welt“, soll er der Geschichte nach gesagt haben, die auf der Homepage des Miniatur-Wunderlandes nachzulesen ist.
Gemeinsam mit einem alten Freund, Stephen Hertz, und ihren zahlreichen Mitarbeitern haben sie an die 500 000 Arbeitsstunden und zehn Millionen Euro in die bunten Landschaften, detailgetreuen Gebäude und lebhaften Alltagsszenen rund um die Modelleisenbahn-Anlage investiert – mit steigendem Erfolg. Bislang zeigten sich schon Millionen Menschen begeistert vom „Leben“ der 200 000 Figürchen in der Modelleisenbahn-Welt.
Und das, obwohl das Miniatur-Wunderland noch überhaupt nicht fertig ist, es wegen des Schaffenseifers der beiden Braun-Brüder, von Hertz und ihrer 185 Mitarbeiter auch kaum jemals sein wird. Es gibt bereits sieben verschiedene Regionen, weitere sind in Planung und sollen in den nächsten Jahren ausgebaut werden.
Zu den ältesten Abschnitten im Miniatur-Wunderland zählen das Harz, Österreich und das beschauliche Knuffingen, eine Fantasie-Region. Die Alpen sind vom Schnee bedeckt, auf den satt-grünen Wiesen grasen lila Milka-Kühe, im Ostharz findet ein buntes Volksfest statt, Mini-Bildungsbürgerchen genießen die Aufführung von Shakespeares „Romeo und Julia“, während ein Pärchen in einem Sonnenblumen-Feld den nächsten Akt nachexerziert – all das und noch viel mehr erstreckt sich allein in diesem Miniatur-Wunderland-Abschnitt auf einer Fläche von 300 Quadratmeter. Jedem Quadratzentimeter der sorgfältig modellierten Gipslandschaften ist die ausgeprägte Liebe fürs Detail anzumerken. Um alle davon zu sehen, bräuchte es wohl mehr als nur einen Besuch.
Das Miniatur Wunderland würdigt seine Heimat Hamburg mit einem ganz eigenen Auftritt. So finden sich neben der AOL-Arena auch noch Nachbildungen von Hagenbecks Tierpark, dem Michel und der Köhlbrandbrücke. Täglich steuern 1500 Züge den Hamburger Hauptbahnhof an, Kolonnen an Mini-Autos flitzen wie von Geisterhand gesteuert, hupend und blinkend über die Straßen der Hansestadt. Mit 40 Computern wird das geschäftige Wuseln im Miniatur-Wunderland geregelt. Genauso wie das Licht, das alle 15 Minuten für jeweils 120 Sekunden ausgeht, um dann erst einen neuen Tag in der Modelleisenbahn-Welt einzuläuten.
Die Besucher können aber auch selbst in das Geschehen eingreifen – per Knopfdruck. An den Absperrungen, die sich vor den Modell-Landschaften befinden, sind an vielen Stellen kleine Schalter angebracht, die auf dem ohnehin schon geschäftigen Miniatur-Wunderland für weiteres Leben sorgen. So erhält ein Trupp Müllmänner die Order, eine Tonne in ihren Transporter zu kippen,in einem schillernden Fahrgeschäft auf dem Rummel düsen die Wagen los und ein Space Shuttle hebt urplötzlich in Richtung All ab.
Vom Mini-Hamburg führt ein Weg über einen unterirdischen Tunnel direkt in die USA. Die Züge der Modelleisenbahn brauchen für die Strecke etwa eine halbe Stunde. „Das werden wir natürlich nie schaffen“, soll der Ex-Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, einmal bei einem Besuch des Miniatur-Wunderlandes gescherzt haben. In Amerika sausen die Züge durch den Grand Canyon, vorbei an der Zockerhochburg Las Vegas und dem berühmten Mount Rushmore mit seinen Präsidenten-Köpfen. In Skandinavien schippern Schiffe über echtes Wasser, tummeln sich Elfen auf abgelegenen Wiesen und sind
Pippi Langstrumpf und das Christkind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt versteckt zwischen Bahnhöfen, kleinen Dörfern und Skifahrern. Der jüngste Abschnitt ist die Schweiz. Die kleine Welt der Modelleisenbahn-Eidgenossen erstreckt sich über zwei Etagen des Backsteinbaus in der Speicherstadt. Wie sonst hätte das (kleine) Matterhorn auch Platz? Das Original ist 4478 Meter hoch, in Hamburg erreicht es immerhin eine Höhe von knapp sechs Meter.
Das Miniatur-Wunderland wird weiter in Bewegung bleiben, Neue Abschnitte sind in Planung. An einem Flughafen wird schon fleißig gebaut, er soll 2010 fertig sein. Daneben stehen noch Frankreich (2011) und Italien auf dem Zettel der Betreiber der Modelleisenbahn-Anlage.
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