Lawrence von Arabien – Reise durch die Wüste Sinai / Ägypten
Nur gut vier Flugstunden hat es gedauert und schon war ich in einer ganz anderen Welt. Der Sinai war mein Ziel für eine Wander- und Karawanenreise.
Nachdem unsere Gruppe aus 9 Wüstenliebhabern einen wunderschönen Tag am Meer mit Schnorcheln am „Hausriff“ verbracht hatte, ging es am nächsten Morgen mit einem Kleinbus ca. 120 km nordwärts, mitten in die Wüste. Schon auf der Fahrt wurden wir bestens von unserem Wüstenführer, Samer Makarios, ein aus Kairo stammender Wissenschaftler, auf die folgenden 10 Tage vorbereitet. Mit viel Gestik und einem Leuchten in den Augen erzählte er von „seiner“ Wüste und „seinen“ Beduinen und brachte uns so ganz nebenbei die „Kamelsprache“ bei.
Nach 2 Stunden Fahrt war es so weit. Wir trafen auf eine Scharr von Beduinen mit ihren Kamelen. Jeder von uns bekam ein Kamel zugewiesen. Da stand ich nun vor diesem 2 Meter Riesen und fragte mich, wie ich denn wohl auf diesem Tier reiten solle, habe ich doch nie zuvor auf dem Rücken eines Tieres gesessen. Auf Aufforderung von Abdallah, der Beduine, dem mein Kamel gehörte, ging es freundlicher Weise wie eine Fahrstuhl in die Tiefe und setzte sich gemütlich in den Sand. Das Beladen des Kameles war dann jedoch von lautstarken Protesten dieses Tieres begleitet und ich dachte mir, geh ich doch lieber zu Fuß, wenn schon das Gepäck als solche Zumutung empfunden wird. Eh ich mich versah, saß ich dann doch oben auf meinem gepolsterten Thron und der „Fahrstuhl“ ging wieder nach oben. Was jetzt folgen sollte, ist in Worten kaum zu beschreiben.
Langsam und lautlos schritten wir die nächsten Tage durch eine faszinierende Landschaft. Wie bei meinem Kamel wanderte mein Blick ständig in alle Richtungen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass mein Kamel nur nach essbaren Sträuchern schaute, während mein Blick auf die bizarren Felsformationen gerichtet war, welche sich fast mit jedem Schritt veränderten. Die Fantasie schuf aus der Vielfalt von Formen und Farben Fabelwesen, Gesichter oder riesige Tiere die zu Stein erstarrt waren. Mittlerweise saß ich fest im Sattel, mein Kamel folgte (meistens) meinen Anweisungen und fühlte mich in dieser Mondlandschaft wie „Lawrence von Arabien“. Auf den vielen Wanderungen und leichten Kletterpartien erkundeten wir abgelegene Gebirgsmassive, entdeckten uralte Felszeichnungen und durchschritten eindrucksvolle Schluchten. Einzigartige Pflanzen zeigten sich nicht nur in den kleinen Oasen die wir aufsuchten, oftmals traten sie an Stellen auf, wo man nie vermutet hätte, dass hier überhaupt noch irgendetwas lebt.
Die Abende verbrachten wir am Lagerfeuer unter einem unendlich erscheinenden Sternenhimmel. Nach einem festlichen Mahl erzählten Abdallah und seine Freunde lebhaft von ihrem Leben in der Wüste. Wie glücklich waren diese Menschen mit ihrem Leben im Nichts, wo es keine festen Häuser, keine Zeitungen mit täglichen Schreckensmeldungen und noch nicht einmal Schulen gab. Ich musste feststellen, dass ich hier auf eine Zivilisation mit uralten Wurzeln traf, welche geprägt ist von Stolz, Ehre und Gastfreundschaft.
Unser Wüstenführer Samer stellte sich während der gesamten Reise als absoluter Glückgriff heraus. Nicht nur das er über ein hervorragendes Wissen über Geologie, Botanik und Geschichte verfügte, er war zudem ein Mensch, der die Wüste wirklich liebt und mit den Beduinen eng befreundet ist. So erklärte er uns eines Abends, dass ein Tanz, den die Beduinen zu unserer Unterhaltung aufführten, eigentlich ein Frauentanz sei, der auf beduinischen Hochzeiten traditionell in dunkler Wüstennacht aufgeführt wird. Dabei gehen die unverheirateten Frauen direkt auf Männer zu, die sie interessieren könnten. Mein strenges Bild einer islamisch geprägten Gesellschaft fing an zu zerbröckeln.
So vergingen die Tage, an denen es immer wieder neue landschaftlich Wunder zu bestaunen gab, und die Gedanken an die Arbeit und das Leben in Deutschland lösten sich in der Ruhe und Stille der Wüste förmlich im Nichts auf. Auch ich vermisste mittlerweile keinerlei der Errungenschaften meiner gewohnten Zivilisation und wäre am liebsten gleich ein Beduine geworden.
Als dann am späten Nachmittag des zehnten Tages plötzlich wieder der Kleinbus vor uns stand, war es wie ein Schock und das Erwachen aus einem wohltuenden Traum. Der Abschied viel sehr schwer, hatte man doch schon fast ein familiäres Gefühl zu seinen Mitreisenden und den Wüstenbewohnern aufgebaut. Wieder in Deutschland angekommen bleibt die Erinnerung an einzigartige Tage und wenn ich abends die Augen schließe, sehe ich wieder die Bilder der Wüste, die lächelnden Gesichter der Beduinen und den unendlichen Sternenhimmel. Das Geräusch des Windes und das leise Singen unserer Begleiter während der Wanderungen klingt in meinen Ohren nach.
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