Madras, das heutige Chennai ist die Hauptstadt von Tamil Nadu
Urlaub- endlich! Und ich reise nach einem Jahr wieder in mein Lieblings-Reiseland: Indien! Für dieses Jahr habe ich mir Tamil Nadu ausgesucht, das Bundesland Indiens mit den ältesten und farbenfrohsten Tempeln.
Meine Rundreise startet in Chennai, ehemals Madras, und mit 6,5 Mio Einwohnern die viert grösste Stadt Indiens . Zwei Tage möchte ich hier verbringen und Chennai entgegen aller guter Ratschläge besichtigen. „Ein Moloch- und nichts zu sehen!“ bekam ich zu hören und auch den Hinweis: „Am besten gleich weiterfahren in Richtung Süden“.
Nun bin ich gespannt, denn laut meinem Reiseführer gibt es einiges zu sehen.
Doch zuerst ins Hotel, duschen und ein wenig ausruhen. Das von mir gebuchte Hotel Pearl International liegt zwar sehr zentral, trotzdem hat der Taxifahrer einige Probleme die Adresse zu finden. Das Hotel ist ein klein wenig versteckt in einer Seitengasse. Die Umgebung macht keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck, da hatten die Kritiken im Internet recht. Es ist eben nahe beim Hauptbahnhof- in keiner Großstadt die eleganteste Umgebung. Doch die Zimmer sind sauber und der Empfang freundlich.
Zwei Stunden später fühle ich mich ausgeruht und möchte die nähere Umgebung erkunden. Erst mal zu Fuß, denn mein erstes Ziel ist nicht weit entfernt. Es ist der Bahnhof Central Station, ein sehr häufig fotografierter Kolonialbau. Doch der Spaziergang war keine gute Idee. Es ist heiß, die Sonne brennt, die Autos hupen und der Straßenübergang ist gesperrt. Warum habe ich kein Tuktuk genommen?
Am Bahnhof selbst gibt es außer dem Gebäude von außen nicht viel zu sehen. Taxifahrer kommen und hupen, da ich offensichtlich im Weg stehe, um den richtigen Winkel für ein Foto zu bekommen. Meine Güte, haben das hier alle eilig! Nichts wie weg hier!
Doch meine Hoffnung ein Tuktuk für meine Weiterfahrt nach George Town zu bekommen ist ein Flop. „Mam, das ist hier nur um die Ecke! Not far!“ bekomme ich vom ersten Fahrer gesagt. „Mam, ganz nah. Immer geradeaus!“ meint auch der zweite. Na gut- versuche ich mein Glück eben zu Fuß!
George Town ist die Altstadt von Chennai und dort befinden sich auch einige sehenswerte Gebäude wie z.B. das Wahrzeichen Chennais, der High Court. Es ist eines der ältesten und grössten Gerichtsgebäude der Welt und nach wie vor in Gebrauch. Nicht weit entfernt liegt eine armenische Kirche und St. Marys Kathedrale. Ich werde es schon finden!
Doch damit habe ich mich geirrt. Ich finde zwar ein Kirche, kann aber im Moment beim besten Willen nicht herausfinden wie sie heißt.
Trotzdem, ich besichtige sie! Zumindest ist es im Inneren angenehm kühl und ruhig. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist für mich die Weihnachtsdekoration. Sehr bunt und die Girlanden erinnern mich an Karneval. Aber Kirche kann ja gerne auch mal ein wenig fröhlich dekoriert werden.
Das Kreuz mit Jesus Christus ist mit einer rot-blinkender Lichterkette geschmückt und damit wirklich nicht zu übersehen. Wie ich später erfahre ist es die St.Marys Co-Cathedral .
Am Ausgang erobere ich endlich ein Tuktuk und einige mich mit dem Fahrer auf eine Rundfahrt zu den sehenswerten Punkten in Chennai. Es ist inzwischen einfach zu heiß um durch die überfüllten Gassen zu gehen.
Ach, wie angenehm! Im zügigen Tempo geht es nun weiter und der Fahrtwind bringt ein wenig Abkühlung. Wir fahren entlang des nördlichen Strandes, vorbei an dem General Post Office und mit Blick auf den Hafen. „Mam! High Court!“ kündigt der gut gelaunte Tuktuk- Fahrer unser nächstes Ziel an und kreuzt mutig zwei Autospuren um entgegen dem Verkehr zu fahren. Dann kommt eine halsbrecherische Kurve nach rechts und unsere Fahrt endet vor einer Schranke.
Eine energische junge Dame in Uniform versperrt uns den Weg und was auch immer nun in Hindi gesprochen wird – die Schranke bleibt unten. Nicht mehr ganz so gut gelaunt macht der Fahrer eine Kehre und bringt mich zurück auf die Strasse. Und nun? „No problem, Mam!“ Ja, das ist wohl die häufigste Redewendung in Indien. Und meistens stimmt es. So auch heute, wir fahren einmal ums Quadrat, nehmen eine andere Einfahrt mit einem großen „Durchfahrt-Verboten-Schild“ und stehen kurz darauf vor dem imposanten Gebäude der Justiz. Ein sehenswerter Komplex, auch wenn ich ihn nur von außen bewundern kann. Der höchste der Türme war noch bis zum Jahr 1977 der Leuchtturm von Chennai.
Das Viertel um das Gerichtsgebäude hieß einst Black Town und hier lebten Handwerker und Kaufleute. Ich mache einige Fotos und dann kann von mir aus die Besichtigungstour weitergehen. „Mam? Back to hotel?“ Wie meint er das denn? Mehr gibt es hier nicht zu sehen?
Nein, offensichtlich fällt ihm nichts Sehenswertes mehr ein. Und was ist mit dem Fort St. George? „Nothing to see, Mam!“ Egal, davon möchte ich mich selbst überzeugen!
Ergeben zuckt mein Führer mit den Schultern und fährt zurück zur Hauptstraße, vorbei an der uniformierten Dame, die mit gefurchten Augenbrauen nun doch die Schranke hochzieht um uns hinaus zu lassen. Also das hätte ich mich ja nun nicht getraut!
Auf dem Weg zum Fort schaue ich mich ein wenig genauer in dem Tuktuk um. Interessant, dem Fahrgast wird hier einiges geboten. Zeitschriften und die Tageszeitung hängen in einer dafür angebrachten Tasche auf der linken Seite. WiFi ist gratis verfügbar und auch seine Preise hat der junge Mann angeschrieben. WiFi in einem Tuktuk ? „Yes, Mam!“ verkündet der Fahrer stolz und erklärt mir, dass viele Einwohner in Chennai mit dem Tuktuk zur Arbeit fahren und unterwegs WiFi nutzen oder die Zeitung lesen. „Ich habe täglich Stammkunden, die ich pünktlich abholen muss“ berichtet er mir.
Inzwischen haben wir die im 17. Jahrhundert von den Briten erbaute Festung erreicht. Früher befanden sich hier Warenlager und Wohnhäuser. Auch die erste anglikanische Kirche auf indischem Boden , St. Mary´s Church, befindet sich innerhalb der Festung.
Heute ist das Fort St. George Sitz von Verwaltungen wie z.b. die Amtsstuben des Gouvernement Sekretariats. Ob mein Tuktuk –Fahrer wohl recht hatte, als er meinte hier ist nichts zu sehen?
„Mam, you can visit the museum!“ Gut, mache ich. Dann hat sich die Fahrt hierher vielleicht doch gelohnt. Das Fort Museum ist untergebracht in der alten Börse und vermittelt einen kleinen Eindruck der indischen Kolonialgeschichte. Waffen, Münzen und Medaillen – ich bin mit meinem Rundgang relativ rasch fertig. War nicht unbedingt der Hit und ich frage mich was ich mit dem morgigen Tag mache. Wenn ich jetzt schon alles gesehen habe?
Am besten ich lasse mich nun wirklich erst mal ins Hotel bringen.„Mam, you want to see market?“ bietet mir der Fahrer jedoch freundlich an. Ein Markt? Ja klar- gerne! Es gibt also doch noch was zu sehen.
Es ist nicht direkt ein Markt wie man sich das in Europa vorstellt, sondern ein gesamtes Viertel in dem Handel getrieben wird. Ein Geschäft liegt neben dem anderen. Die Fahrt geht sehr stockend. Anlieferer, Mopeds, Fußgänger, Kühe und andere Tuktuks verhindern ein vorwärts kommen. „Mam, not far to train station. You better walk.“
Da hat er recht, außerdem kann ich mir dann unterwegs auch dies oder jenes anschauen. Die grösste Hitze ist auch vorbei, also bezahle ich meinen bisherigen Begleiter und spaziere zu Fuß durch die Strassen. Ich habe gutes Karma! Nur so kann ich erklären, dass ich weder überfahren oder von einer Kuh auf den Fuß getreten werde. Es herrscht hier ganz klar das Gesetz des Stärkeren. Alles was vier Räder hat, erwartet, dass ich mich auf die Seite drücke. Die Fahrradfahrer klingeln freundlicherweise, bevor sie mir mit dem Vorderrad in die Hacken fahren und die Kühe setzen unbeeindruckt ihren Weg fort. Egal wer vor ihren Hörnern steht. Angeboten wird alles, Haushaltswaren, Kleidung, Elektroartikel, Obst, Gemüse und vieles mehr.
Ich versuche eine der vielen Süßigkeiten, die ein Händler am Straßenrand verkauft. Es schmeckt ein wenig nach Milch und Kokosnuss , lecker aber sehr süß. Langsam bummle ich weiter, doch wo ist nun der angeblich so nahe Bahnhof? Irgendwie sehen sich die Gassen alle sehr ähnlich. Eine Frau, die ich frage, weist mir den Weg und ich finde auch die Hauptstraße, überquere sie an der vermutlich einzigen Ampel und halte mich nach links. Da müsste ich eigentlich ankommen. Doch wie es eben so passiert, wenn man schon ein wenig müde ist und einen langen Flug hinter sich hat. Ich schaffe es den Bahnhof zu umgehen und auf der Rückseite zu landen. Toll! Wie sieht das denn auf meinem Stadtplan aus? Ach ja, kein Problem! Immer gerade aus, dann über die Strasse und ich bin ruck zuck im Hotel. Doch so einfach ist es doch nicht, es gibt eine Eisenbahnschiene und die kann ich nicht überqueren. Keine Brücke!! Keine Unterführung.
Da heißt es zurück marschieren, denn Tuktuks scheinen in Chennai rar zu sein. Wo ich bisher in Indien immer mit einem kleinen Winken eine Fahrgelegenheit hatte – hier in Chennai klappt das irgendwie nicht.
Als ich endlich todmüde durch die Eingangstüre des Hotels wanke werde ich vom Rezeptionist angesprochen. „Mam, möchten sie für morgen einen Ausflug buchen?“ Wohin? Nach George Town? Der Herr hinter der Rezeption schaut mich etwas pikiert an. „No Mam! Wir bieten Ausflüge nach Mamallapuram und Pondicherry an.“ Pondicherry ist mir als Tagesausflug zu weit, außerdem steht es auf der Liste meiner Rundreise. Aber Mamallapuram hört sich gut an, dort habe ich ebenfalls einen Besuch geplant. Warum nicht morgen, denn in Chennai gibt es wirklich nicht unbedingt ein Programm für zwei Tage.
Mit dem Herrn am „Travel Desk“ vereinbare ich, dass mich morgen früh ein Taxi abholt. Auf dem Tagesprogramm steht neben Mamallapuram der Süden von Chennai mit der St. Thomas Church , dem Stadtstrand Marina Beach und dem Vivekananda House. Und ich werde mich mit Sicherheit nirgendwo auf einem Markt absetzen lassen, egal wie nahe der angeblich am Hotel ist.
Nach einem Abendessen im Hotel gehe ich in mein Zimmer und schlafe fast umgehend ein. Ich glaube, der eine Fuß hängt noch aus dem Bett, so müde bin ich!
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