Marokko individuell erleben – von Rabat via Casablanca bis Marrakesch
Sonntag, 01.04.12
Rabat
Hustend und schnupfend werde ich wach. Ach du dickes Ei! So richtig gut geht es mir weiß Gott nicht. Vielleicht sollte ich doch versuchen in einer Apotheke Antibiotika zu bekommen? Es scheint, als helfen die gesunden, alternativen Mittelchen doch nicht so gut. Doch ich gebe meiner Erkältung noch weitere 24 Stunden bevor ich anfange mit Kanonen zu schießen. Also zuerst mal aufstehen, frühstücken und sobald wir fertig sind machen wir uns auf den Weg. Auf unserem Programm steht heute der Turm Hassan und das Mausoleum Mohammed V. Da gestern der König von Marokko das Grab seines Vaters besucht hat, war das Mausoleum für die Öffentlichkeit geschlossen und so möchten wir diese Besichtigung heute früh nachholen. Im Anschluss geht es weiter nach Casablanca und anschließend nach Marrakesch.
Wir fahren am Königspalast entlang, vorbei an der Chellah und kommen auf der äußeren Ringstraße bis zum Mausoleum und dem Turm Hassan. Sogar einen Parkplatz finden wir zu dieser frühen Tageszeit.
Der Turm Hassan ist das Wahrzeichen der Stadt Rabat und sein Name kommt aus dem arabischen Wort hassane, was Schönheit bedeutet. Er ist das unvollendete Minarett der ebenfalls unvollendeten Moschee von Rabat. Mit dem Moscheebau wurde Ende des 12. Jahrhunderts unter dem Almohaden-Herrscher Al Mansur begonnen. Nach seinem Tod sind die Baumaßnahmen eingestellt worden. Der bestehende Betsaal mit den Ausmaßen 183 x 139 Metern wurde 1755 bei dem großen Erdbeben zerstört. Heute sieht man noch die Reste der Mauer aus Stampflehm und die wieder aufgestellten Stümpfe der 312 Säulen und Pfeiler aus Marmor.
Der Turm selbst sollte eine Höhe von 80 Metern haben, doch seine heutige Höhe beträgt lediglich 44 Meter.
Direkt neben der Moschee ist das Mausoleum. Es wurde in den 60er Jahren für den König Marokkos Mohammed V gebaut. Auch sein Sohn und Nachfolger Hassan II ist hier bestattet.
Selbst so früh am Morgen ist das Mausoleum gut besucht. Direkt vor uns ist eine Schulklasse, die von ihrer Lehrerin zur Ruhe gemahnt wird. Ich versteh zwar nicht was die Dame sagt, doch es wirkt. In Reihe und Glied, ohne Rufen oder Schreien, marschieren die Kinder die Treppe hinauf.
Auch wir steigen die Stufen hoch und betreten das Innere des Mausoleum. Ruhe herrscht hier, trotz der vielen Menschen. Der Grabraum ist in den Boden eingetieft und kann von einer umlaufenden Galerie eingesehen werden. Vorsichtig, ohne zu stören, versuche ich über die Schulter eines der Schüler nach unten zu schauen. Höflich tritt der Junge zur Seite und bedeutet mir mit Handzeichen näher zu kommen. Unten steht ein Sarkophag aus weißem Marmor, der Boden ist dunkel und glänzt im Licht der von der Decke hängenden Lüster. Kein Stäubchen zu sehen, da möchte ich nicht Putzfrau sein. Beeindruckend!
Wir umrunden einmal die Galerie, bevor wir wieder nach draußen spazieren. „Sollen wir losfahren?“ möchte ich von meinen Reisegefährtinnen wissen. „Ja!“ ist die einstimmige Antwort und so schlendern wir langsam über den Platz in Richtung Auto. Nicht weit von unserem Parkplatz werden wir von den ersten fliegenden Händlern eingeholt. Da haben sie uns gerade noch erwischt! Was machen Touristen auch so früh am Turm Hassan?
Bunte Tücher und Blusen hängen über ihren Armen und einer der Verkäufer bietet recht hübsche weiße Blusen an. „Ein Euro! Madame! Nur ein Euro!“ Ein Euro? Da kann ich ja eigentlich nichts verkehrt machen. Das ist der gleiche Preis wie in Spanien für ein Mikrofaser-Putztuch! „Ein Euro?“ frage ich nochmal nach. „Oui,oui Madame! Ein Euro!“ Ich suche mir eine Bluse aus, Edith ebenfalls und ich überlege ob ich noch eine zweite nehmen soll. Doch nicht in bunt und die Größe sollte auch stimmen. Hat er nicht? „Moment Madame! Moment!“ Sein Kollege läuft zu einem Lieferwagen, ein anderer macht den Kofferraumdeckel eines alten Mercedes auf und gemeinsam suchen sie nach einer Bluse die meinen Wünschen entspricht. Nein, nein! Jetzt reicht es! Es bleibt bei den beiden, mehr möchten wir nicht kaufen. Auch nicht für einen Euro! Ich zahle jetzt die beiden Blusen und dann fahren wir ab. „Oui Madame! Macht 200 Dirham!“ Wie 200 Dirham? Ich denke die Bluse kostet einen Euro? „Ja,ja – ein Euro! Ein Euro sind 100 Dirham!“ So was habe ich mir ja fast gedacht! „Nein, mein Freund! Ein Euro sind 10 Dirham, der Trick zieht bei mir nicht.“ Und nun geht das Gefeilsche und Gezeter los. Er soll seine Bluse behalten, für den zehn- fachen Preis will ich sie nicht! Doch nach einigem hin und her an der offenen Autotür und bei laufendem Motor werden wir uns einig. Ich zahle fünf Euro, vermutlich immer noch zu viel. Aber die Bluse ist hübsch, also was soll´s!
Jetzt aber los! Immer in Richtung Autobahn, die Ausschilderung ist gut, da kann jetzt ja nichts mehr schief gehen. Nun- zumindest fast! Denn an einer größeren Kreuzung endet unsere Fahrt vorerst. In Rabat findet heute ein Marathonlauf statt und die Sportler haben Vorrang. Nicht so schlimm, es wird ja nicht ewig dauern! Doch es dauert! Die Autoschlange hinter uns wird länger und länger und der Zug der Athleten hört nicht auf. Warum hat denn niemand einen Umweg ausgeschildert? Irgendwann taucht Polizei auf und schaut sich den sportlichen Wettkampf sowie die wartenden Autos an. Vermutlich staut sich der Verkehr inzwischen in der gesamten Innenstadt. Warum hätte sonst jemand auf die Idee kommen sollen Polizei an die Kreuzung zu senden? Die machen sich nun an die Lösung des Problems und geben allen wartenden Autos Order nach rechts abzubiegen und von der Kreuzung weg zu fahren. Und wo führt die Straße hin? Ein Schild sagt „zum Zentrum“, doch das möchten wir nun gar nicht.
Doch kein Problem, ca. 100 Meter weiter ist eine Ampel und wenn ich hier links abbiege stimmt zumindest die Richtung wieder. Nur zu dumm, das ich da erst mal nicht drüber fahren kann. Die Marathonläufer kreuzen auch hier die Straße. Aber ich bin ja nicht alleine, alle Autofahrer von der vorhergehenden Kreuzung bleiben ebenfalls hier stehen. Und damit ist der Stau erst mal „verschoben“. Als der Fluss der Läufer ein wenig spärlicher fließt wagen sich die ersten Autos die Straße zu kreuzen. Langsam rücke ich auf und halte mich im Windschatten eines Linienbusses. Dann ist es endlich geschafft, wir sind auf der anderen Seite. Und wo bitte geht´s zur Autobahn? Wir fahren einfach mal auf gut Glück los, Hauptsache die grobe Richtung stimmt. Das Glück ist auf unserer Seite, hier kommt ein blaues Schild mit dem Zeichen für Autobahn. Kurz darauf lassen wir Rabat hinter uns uns befinden uns auf dem Weg nach Casablanca.
Casablanca
Die Fahrzeit nach Casablanca beträgt ca. eine Stunde, vorausgesetzt man hält sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Und da bleibt mir nichts anderes übrig! Denn an jeder Auf- oder Abfahrt steht eine Polizeieskorte. Normal scheint das nicht! „Vermutlich fährt hier heute der König entlang“ vermutet Gudrun und Gabi. Ja, klar- deshalb ist auch alle 100 Meter ein großes Bild vom König und die marokkanische Flagge weht rechts und links der Autobahn. Na hoffentlich wird nicht irgendwo unterwegs die ganze Straße gesperrt. Beliebt macht sich Mohammed VI damit bei mir nicht. Doch alles geht gut und ohne weitere unfreiwilligen Aufenthalte erreichen wir Casablanca.
Casablanca ist mit 3,5 Mio. Einwohnern die größte Stadt Marokkos. Einen großen Bekanntheitsgrad hat Casablanca durch den Film „Casablanca“ mit Humphrey Bogart erreicht. Doch die Filmromantik sucht man in Casablanca vermutlich vergebens, auch wenn eine Bar mit dem Namen „Sam´s Bar“ existieren soll.
Casablanca erlebte Anfang des 20. Jahrhunderts einen wirtschaftlichen Aufschwung und löste damals Tanger als wichtigsten Hafen Marokkos ab. Heute sind hier etwa 80% der marokkanischen Industrie angesiedelt und 60% des Seehandels wird im Hafen dieser Stadt abgewickelt.
Da unsere Zeit begrenzt ist, haben wir beschlossen die Corniche und die Moschee Hassan II zu besichtigen. Laut der Straßenkarte ist das auch sehr einfach zu finden. Immer geradeaus bis zum Hafen und dann nach links. Nicht zu verfehlen. Doch als wir das dritte mal am Busbahnhof vorbei fahren, beginne ich an dieser Theorie zu zweifeln. Sehr einladend wirken die Straßen auch nicht unbedingt. Wie steht es in meinem Reiseführer? „Voll von pulsierendem, geschäftigen Leben- das Marokko der Neuzeit!“ Das einzige was hier neuzeitlich wirkt sind die Baustellen und die Plastiktüten, die vom Wind durch die Straßen geweht werden.
Endlich jedoch tönen die befreiende Worte aus dem Fond: „Hier! Ein Schild: El Port!“ Tatsächlich, kurz darauf sehen wir die ersten Ladekräne und kommen direkt zum Hafen. Jetzt nach links und schon sind wir auf dem richtigen Weg. Hier sieht es auch ein wenig nobler aus, Hotelketten wie Sheraton, Novotel und Sofitel haben sich in dieser Gegend nieder gelassen.
Immer weiter geht es am Meer entlang und jetzt haben wir unser Ziel erreicht. Die Moschee Hassan II liegt direkt vor uns. Diese 1993 fertiggestellte Moschee ist die fünftgrößte der Welt und bietet Platz für 25.000 Personen. Das Minarett ist mit seinen 210 Metern das höchste Minarett der Welt. Ein beeindruckendes Gebäude und die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt.
Gebaut wurde die Moschee anlässlich des 60. Geburtstags von König Hassan II.
Wir erwischen einen Parkplatz fast neben der Moschee und steigen aus um das Bauwerk zu besichtigen. Doch zuerst holen wir unsere Jacken aus dem Auto, denn es weht ein kalter Wind hier an der Atlantikküste. Langsam schlendern wir um das imposante Gebäude. Am meisten beeindrucken mich die riesigen Tore vor denen sich die Menschen winzig ausmachen. Ich mache einige Fotos als hinter mir eine männliche Stimme ertönt: „Möchten Sie die Moschee besichtigen?“ Erstaunt drehe ich mich um. „Ich verkaufe die Eintrittskarten“ erklärt er mir, „und um 14ººh ist der nächste geführte Rundgang.“ Ach ja, und was soll das kosten? „Nur 12 Euro pro Person“ ist die Antwort. Zwölf Euro? Was gibt es denn da zu sehen, dass ich einen Führer brauche? „Nun, der Gebetsraum und die Gebetsnische gen´ Mekka“ ist die freundliche Erklärung. Also ich weiß nicht, eigentlich habe ich schon einige Moscheen besucht und meist waren sie von außen prächtiger als von innen. Mit Ausnahme von Abu Dhabi, aber das ist vermutlich ein Sonderfall. Ich frage meine Mitreisenden, doch so richtiges Interesse hat keiner. „Kein Problem“ erklärt mir der Eintrittskarten-Verkäufer mit einem freundlichen Lächeln. „Möchten sie stattdessen vielleicht Ansichtskarten kaufen?“ Und schon holt er aus seiner Jackentasche einen ganzen Stapel Ansichtskarten in unterschiedlichen Preisklassen. Das nenne ich einen flexiblen Geschäftsmann!
Und nun? Sollen wir noch ein Stück die Corniche entlang gehen? Die Begeisterung hält sich bei uns allen in Grenzen und ich ziehe meine Jacke noch ein wenig fester um mich. Es ist richtig kalt geworden! „Lass uns doch lieber irgendwo einen Kaffee trinken gehen“ ist Gudruns Vorschlag.
Gute Idee, wir machen uns auf die Suche nach einem entsprechenden Lokal und werden auch nach einigen Metern fündig. Hier stärken wir uns mit Getränken und einem kleinen Imbiss, so sind wir nun fit für unsere Weiterreise nach Marrakesch.
Die Ausfahrtstraße aus Casablanca finden wir problemlos- warum klappt das auf dem Rückweg immer besser als auf dem Hinweg? – und so sind wir nach kurzer Zeit schon wieder auf der Autobahn.
Es fährt sich angenehm und entspannt, auf der Autobahn herrscht relativ wenig Verkehr und so kann auch ich als Fahrer die Fahrt und die Landschaft genießen. Was mich schon vor sechs Jahren in Marokko begeistert hat sind die Farben. Klar und intensiv! Das Blau des Himmels ist ein ganz besonderer Farbton, den ich sonst noch nirgendwo gesehen habe. Dazu kommen die vielen Grüntöne, denn Marokko ist nicht nur Wüste und Trockenheit, sondern verfügt über viele fruchtbare Landstriche und Täler. Es geht nicht nur mir so, auch Edith freut sich die gesamte Fahrt an den abwechslungsreichen Farbspielen des Landes. „Das Blau des Himmels- sagenhaft!“ lässt sie uns zwischendurch immer wieder ihre Begeisterung wissen. Doch sie hat recht, definitiv! So vergeht die Fahrt wie im Fluge und schon erreichen wir die Randgebiete von Marrakesch.
Marrakesch
Es ist inzwischen Nachmittag und natürlich möchten wir als erstes in unser gebuchtes Hotel. Es ist ein Riad Hotel, liegt direkt in der Kasbah und bei Tripadviser war als das einzig negative zu lesen: es ist schwer zu finden. Daher halten wir uns nach der Ankunft im Zentrum nicht lange auf, sondern stoppen direkt eines der kleinen Minitaxen. Wir zeigen dem Fahrer die Adresse, er nickt und bedeutet uns ihm nachzufahren. Es geht von der Hauptstraße ab, mal rechts mal links bis zur alten Stadtmauer.
Hier fährt unser Lotse durch eines der Tore, vorbei an Fahrradfahrern, Eselskarren und Gemüsestände. Immer enger werden die Gassen! Und nun? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Da kann ich doch nicht mit dem Auto durch! Doch er meint es ernst und ein Fußgänger winkt mit zu ich solle doch endlich weiter fahren. Na gut! Über der Gasse sind Bambusabdeckungen angebracht, es herrscht halbdunkel und rechts und links stehen verfallen aussehende Häuser. „Hier soll ein Hotel sein?“ haucht Edith mit entsetzter Stimme. „Bist du dir sicher, dass du hier gebucht hast?“ Nun- es steht in der Beschreibung: „es ist im Herzen der Medina!“ Also werden wir wohl richtig sein. Der Taxifahrer gibt uns Zeichen auf einen Platz linker Hand abzubiegen und dort werden wir direkt von zwei Männern in Empfang genommen, die uns in einen Parkplatz einwinken. „Wie lange bleibt ihr?“ möchte einer der beiden wissen. „Zwei Nächte“ lässt Gabi ihn auf französisch wissen. Dies veranlasst die Beiden uns in eine kleiner Lücke zwischen zwei abgedeckten und offensichtlich langzeit- geparkten Autos zu dirigieren. Der Taxifahrer zeigt uns nochmals in welcher Richtung das Hotel liegt und nachdem wir unsere Koffer ausgeladen haben und der Parkplatzwächter nochmals kontrolliert hat ob das Auto auch wirklich gut abgeschlossen ist, machen wir uns auf den Weg zu dem gebuchten Riad- Hotel. Bevor wir uns mit Gepäck in den schmalen Gassen der Kasbah verlaufen fragen wir zwei Jungs nach dem Weg. Sie nicken und während der eine an unserer Seite bleibt läuft der andere voraus und kommt kurz darauf mit einer kleinen schmalen Frau zurück. Sie ist die Inhaberin des Riads und führt uns durch eine schmale Tür in das Innere eines der von außen so schmucklosen Häuser.
Doch hier erwartet uns eine Überraschung! Ein hübscher schattiger Innenhof mit Sitzgruppen und vielen Pflanzen. Schön! Hier werden wir uns sicherlich wohlfühlen. Eine junge Frau serviert uns als Willkommen einen Tee und wir beginnen uns zu Hause zu fühlen. Doch zu früh!
Leider ist das Riad überbucht! „Entschuldigung, aber es ist kein Problem“ versichert uns die Inhaberin. Sie hängt sich eine Weile ans Telefon und findet so in einem anderen Riad eine Unterkunft für uns. „Es ist nicht weit von hier, mit einem Taxi nur 20 Minuten“. Wie bitte? 20 Minuten? Das soll nicht weit sein? „Luftlinie ist es ganz nahe, es ist ebenfalls hier in der Kasbah“ beteuert sie uns. Hat ihr eigentlich schon mal jemand erklärt, dass mit schwer erkälteten Europäern hin und wieder nicht gut Kirschen essen ist? Ich bin jedenfalls sauer. Ich fühle mich krank, fiebrig und soll nun meine Reisetasche wieder durch dieses Gassengewirr zurück schleppen, bis zu der Stelle die ein Taxi anfahren kann. Doch was bleibt uns anderes übrig? Hier ist trotz Buchung kein Zimmer frei. Nicht zu ändern! Ich quäle mich mit meiner Tasche wieder zurück bis zu der Straße mit den Fahrradfahrern und Eselskarren und hier warten wir gemeinsam auf das bestellte Taxi. Das Leben in der Straße bleibt von uns unberührt. Rufen und Lachen, ein Radfahrer klingelt einen Esel von der Straße und Handkarren rumpeln über das Kopfsteinpflaster. Wir sind nicht die einzigen Beobachter, eine Ratte schaut sich aus einem Gulliloch ebenfalls das Treiben an. Dann herrscht ihrer Meinung nach „freie Bahn“ und schnell huscht sie aus ihrem Versteck über die Straße, wo sie unter einer liegengebliebenen Plane verschwindet.
Jetzt kommt auch das Taxi, ein Minibus in dem wir alle mitsamt unserem Gepäck Platz haben. Im Zickzack geht es durch verwinkelte Gassen, schmale Straßen, vorbei an Bäckereien und Handwerksgeschäften bis wir an einer Straßenecke halten und aussteigen müssen.
Wo sind wir hier? Und wo ist das Hotel? „Nicht weit, nur ein paar Meter!“ versichert mir unsere sehr schlanke Zimmervermittlerin. Im Gänsemarsch geht es los! Gabi hat Glück- sie hat sich ein Ziehköfferchen mitgenommen. Da packt mich der blanke Neid wenn ich sehe, wie mühelos sie damit vor mir herzieht. Hinter mir ist Edith und Gudrun, wobei Gudrun Edith beim Tragen hilft. „Geht viel leichter wenn sich das Gewicht auf zwei Seiten verteilt!“ ist ihre liebenswerte Antwort. Danke Gudrun! Und ich! Was habe ich eigentlich alles eingepackt? Ziegelsteine?
Das ich zwischendurch keuchend huste, macht es auch nicht leichter! Eine gefühlte Tagesreise weiter stehen wir vor einer Tür und als sich diese öffnet erreichen wir eine andere Welt. Der Innenhof mit seinen Sitzgruppen hat einen kleinen Zierpool der von Windlichtern mit Kerzen umgeben ist. Im Hintergrund läuft leise Musik und sofort wird uns ein weiterer Tee gebracht.
Der Herr, der uns in Empfang genommen hat, serviert uns Gebäck, Datteln und Rosinen. Vom ersten Eindruck her haben wir sicherlich keinen schlechten Tausch gemacht. Auch der Betreiber des Riads macht einen entschieden charmanteren Eindruck als die dürre Zimmervermittlerin! 😉
Auch die Zimmer sind schön, wenn auch ein wenig eng. Edith und ich bleiben im ersten Stock, Gabi und Gudrun dagegen erhalten das „Penthouse“ . Sie wohnen die kommenden zwei Nächte in einem Zimmer auf der Dachterrasse.
Nach einer Dusche und einer Ruhepause gehen Edith und ich wieder nach unten in den Patio. Hier hat der Hausherr bereits liebevoll den Tisch gedeckt, die Kerzen in den Windlichtern angezündet und scheint in der Küche bei den letzten Vorbereitungen für unser Abendessen zu sein.
Denn heute bekommen wir typisch marokkanisches Essen: eine Tajine! Für Edith, Gabi und Gudrun mit Huhn und für mich eine vegetarische Gemüse Tajine. Das alles in einer gemütlichen und gepflegten Umgebung, genau der richtige Abschluss an einen schönen Tag.
Nun treffen auch Gudrun und Gabi ein und wir nehmen an dem vorbereiteten Tisch platz. Zuerst kommt der marokkanische Salat, dazu gehören verschiedene kalte Gemüsesorten wie Möhren, rote Beete und Tomaten und da kommt auch schon der Höhepunkt des Menüs: die Tajine. Zwei geschlossene Tontöpfe werden auf den Tisch gestellt und mit einer schwungvollen „Vorhang-auf“ Geste lüpft der Koch die Deckel. Tatarata!!!! Voilà!!
Mit etwas betretenem Gesicht schaue ich in die Töpfe. Beide sind inhaltlich fast gleich: Dosenerbsen mit Karotten für mich und Dosenerbsen mit Karotten und Huhn für die Fleischesser. Das ist mit 25 Euro die teuerste aufgewärmte Dose Erbsen die ich je hatte.
„Schmeckt´s?“ möchte Gabi wissen. Na ja, so wie eben Dosenerbsen schmecken, ein wenig Salz und Pfeffer dran, ein Suppenwürfel und fertig ist die vegetarische Tajine. Und das Huhn? „Eigentlich nicht schlecht, ein wenig trocken, aber geschmacklich eigentlich nicht schlecht“ bekomme ich dreistimmig zu hören. Wir lassen uns trotzdem nicht die Stimmung verderben, genießen das Ambiente mit der Flasche Wein und die Erbsen werden mit jedem Schluck aus dem Glas besser.
Danach haben wir alle die nötige Bettschwere und nachdem ich mich mit einem Hustenanfall verabschiedet habe, begeben wir uns alle auf unsere Zimmer. Ach was bin ich müde! Und diese Husterei- ich gehe morgen auf jeden Fall in eine Apotheke. Ob hier in der Nähe eine ist? Überhaupt- wo sind wir eigentlich? Oder besser gesagt- wo ist mein Auto? Wie soll ich das jemals wieder finden? Liebe Güte, wir haben für zwei Nächte bezahlt- ich habe nicht einmal einen Parkschein! OH Gott!! OH Gott!!! Vermutlich sehe ich mein Auto niemals wieder!!!
Und so vergeht meine erste Nacht in Marrakesch- Sorgen um mein Auto abgewechselt mit lautem und schmerzhaftem Husten. Erst morgens um vier Uhr, als der Muezzin zum ersten Gebet ruft, falle ich in einen erschöpften Schlaf. Mein letzter Gedanke : morgen gehe ich noch vor dem Frühstück mein Auto suchen!
Mein vorhergehender Marokko-Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/marokko-erlebnisreise-rabat-die-koenigs-und-heutige-hauptstadt/
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