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Marokko mit dem Auto erleben – von Midelt über den Mittleren Atlas bis Ifran

Montag

schneebedecktes Atlasgebirge

Heute bin ich die letzte, die zum Frühstück  erscheint. Irgendwie ist meine Reisetasche unterwegs geschrumpft, jeden Tag wird es schwerer sie zu schließen.
Das Esszimmer ist leer, doch ich kann  die Stimmen von Gudrun, Edith und Gabi hören.  Wo sind sie? Achmed winkt mich durch das private Wohnzimmer  und die Küche in den Hinterhof. Hier haben wir einen windgeschützten sonnigen Frühstückstisch und im Hintergrund die schneebedeckten Berge des Atlasgebirges. Eine traumhafte Kulisse, wie in einem Märchen aus 1001 Nacht!
„Ich habe einen tollen Ausflugstipp von Achmed“ erzählt Gabi. „Ja, das hört sich gut an, sollten wir unbedingt machen“  ist auch Gudruns Ansicht. Na ja, wie weit ist das denn? „Es ist eine alte Mine in einer Schlucht“ erklärt Gabi „das muss wohl ganz toll sein“. Eine Schlucht? Komme ich da mit meinem Auto hin? Also ich weiß nicht warum, aber so 100% begeistert bin ich nicht.
Schließlichmöchten wir auf unserem Weg nach Ifrane ja noch vieles besichtigen. Die Magots, Berberaffen, die auf dem Col du Zad in den Wäldern leben. Dann die Felswand in Timahdite, an der so viel Störche nisten und die 40 Meter hohe Zeder bei Azrou. Und natürlich unser heutiges Ziel: Ifrane.
Aber wir leben ja in einer Demokratie und ich werde mit zwei Pro und einer Enthaltung überstimmt. Also geht es nun zu der  Aoulischlucht und zu der kleinen Minensiedlung  Mibladen. Dazu biegen wir von der Hauptstraße nach Ifran kurz hinter einer Brücke ab, ganz einfach. Wir finden die Abzweigung sofort, schon beim dritten mal „um´s Karree“ fahren haben wir den richtigen Weg entdeckt.

Siedlung an einer stillgelegten Mine bei Midelt

Die Straße führt uns durch trockenes, steiniges Land, vorbei an kleinen Dörfern.  Da habe ich mit Mannheim als Geburtsort aber richtig Glück gehabt!
Langsam wird die Landschaft felsig und  die Straße immer schlechter. Hoffentlich wird das nicht noch holpriger, ich habe einen Ford Fiesta und keinen Landrover mit 4-Rad Antrieb. Doch ich muss zugeben, die Landschaft ist beeindruckend. Die Holperstraße führt nun an einem Fluss entlang und eigentlich sollte man aussteigen und das alles zu Fuß genießen. Doch leider ist unsere Zeit begrenzt. Da hätten wir schon in der Vorausplanung eine weitere Nacht in Midelt einplanen müssen, wobei das eine Kürzung an anderer Stelle  nach sich gezogen hätte. Unsere Urlaubstage sind leider begrenzt.
Und auch die Zeit, wenn wir heute noch bis nach Ifran möchten, müssen wir irgendwann umkehren. Vor uns tauchen einige verfallene Häuser auf und wir beschließen das Auto zu parken und zu Fuß auf Entdeckungstour zu gehen. Die verfallenen Gebäude gehören vermutlich zu einer stillgelegten Mine und sind bestimmt verlassen.

Mineralien und Fossilien aus dem Mittleren Atlas

Doch da habe ich mich getäuscht. Die an den Berghang gebauten Häuser  sind nach wie vor teilweise bewohnt.  Junge Männer klettern den Hang hinab um uns Mineralien in Form von bereits geschliffenen Steinen anzubieten. Ob sie die Steine hier schleifen? Sicherlich nicht. „Doch!“ versichert mir ein ca. 17 jähriger Verkäufer. „Wir machen das hier alles von Hand. Wir haben noch die alten Geräte dafür.“  Egal wo das geschliffen ist, schon alleine das Leben hier ist hart.  Seine Hände sind voller Schwielen und trotz der jungen Jahre verarbeitet. Ich kaufe ihm für umgerechnet einen Euro einen herzförmigen Stein ab und beginne gar nicht erst um evt. 20 Cent zu handeln.
Auf der anderen Seite des Flusses erkenne ich die Mineneingänge und tatsächlich sehe ich Männer aus und in diese Stollen klettern.  Liebe Zeit, ich möchte nicht wissen wie viele Unfälle hier passieren. In so ein Loch bekämen mich keine zehn Pferde. Doch es scheint in dieser steinigen, unfruchtbaren Umgebung die einzige finanzielle Einnahmequelle zu sein. Es bleibt den Bewohnern hier wohl keine andere Alternative. Und viel  zu verdienen ist da nicht, wenn ich ein geschliffenes Herz für einen Euro kaufen kann. Diese Gedankengang  erinnert mich ungewollt an mein geparktes Auto. Ob  ein Satz Reifen und zwei Rückspiegel  vielleicht einem gesamten Jahreseinkommen entsprechen? Ich beschließe den Spaziergang zu beenden und umzukehren. Gabi und Gudrun sehen das nicht so, sie möchten gerne noch weiter die schöne Landschaft erkunden während ich gemeinsam mit Edith zu unserem Auto eile.  Ahhh, was für ein schöner Anblick als ich um die Kurve haste! Da steht er- mein kleiner völlig intakter  Ford Fiesta!

abenteuerliche Holzbrücke

Kurze Zeit später sind auch Gudrun und Gabi wieder zurück und berichten begeistert von den Dingen ,die ich versäumt habe. „Wir haben´s extra für dich fotografiert“ strahlt Gudrun. „Eine Brücke, das hast du noch nicht gesehen. Die Holzbohlen, total morsch!“
Tja, schade! Eigentlich ist die Zeit für unsere Rundreise viel zu kurz. Ich merke erst jetzt unterwegs, wie viel es hier überall zu sehen und zu unternehmen gibt.
Wir machen uns auf den Rückweg, die gleiche Strecke durch die Schlucht, vorbei an einem kleinen Dorf und schon sind wir wieder kurz hinter Midelt  auf der Nationalstraße nach Ifran.
Die Straße führt  von  der kargen Hochebene hinauf auf den Col du Zad mit seien  Zedern- und Steineichenwäldern. Hier in diesen Wäldern leben  die Magots und ich erinnere mich an eine Waldstelle, an der ich damals diesen Affen begegnet bin. Wo war das nur? Muss doch kommen! Ich weiß noch ganz genau wie das dort aussah! Wir haben die höchste Stelle des Col du Zads bereits lange passiert, als ich das Waldstück finde. Es sieht noch genauso aus wie vor Jahren! Der Parkplatz, der Verkäufer mit seinen Mineralien und dem Modeschmuck – alles noch da. Nur die Affen leider nicht!  Weit und breit keiner der Magots zu sehen! Komisch! Ich versuche den Souvenirverkäufer zu fragen und nach einem Moment  der Verständigungsprobleme  weiß er, was ich suche. „Nein“ erklärt er kopfschüttelnd „die Affen sind schon seit einigen Jahren nicht mehr da.“  Schade! Sie sind aus irgendeinem Grunde weiter gezogen.  Da kann man nichts ändern- die Affenbesichtigung fällt aus. Stattdessen machen wir einen Waldspaziergang und sinnieren darüber, warum  Affen umziehen.

Timahdite

Weiter geht es, wir haben nun etwa die Hälfte des Weges hinter uns. In Timahdite stoppen wir in einem Straßencafé für eine Teepause.  Während wir uns in der Sonne ausruhen zieht ein leckerer Essensduft an unsere Nasen. Hmmmm! Was duftet da so gut? Kommt das aus diesen Tonschalen mit Deckel und einer Zitrone? Es sind die gleichen Schalen in denen Tajine  zubereitet wird. „Tajine?“ fragt Gudrun mit einem  verdächtigen Vibrieren in der Stimme.

Tajine, eine marokkanische Spezialität

Es ist tatsächlich Tajine, denn  die Bezeichnung steht nicht nur für das darin zubereitete Gericht, sondern auch für das Kochgerät. In der Tajine kann man deftiges Essen als auch Süßspeisen zubereiten. Dieser vielseitig verwendbare Tontopf  mit seinem konischen Deckel gart die Zutaten unter Dampf sehr schonend, vergleichbar mit einem Römertopf. Da ein Tontopf jedoch sehr langsam und auch nicht zu stark erhitzt werden muss, haben die Gerichte eine entsprechend längere Garzeit. Besonders bei Gemüse ist dies nicht jedermanns Geschmack.
Die Tajine wird in Marokko direkt vom Herd auf den Tisch gestellt und jeder bedient sich aus dem Gefäß.
Wir lassen die Tajine trotz des leckeren  Duftes ausfallen- obwohl- vielleicht hätte sie hier ja besser geschmeckt?  Stattdessen fragen wir nach einer weiteren, in meinem Reiseführer erwähnten  Attraktion. An einer Felswand sollen hier ganzjährig Störche nisten. Doch keiner den wir hier in diesem Lokal fragen, kennt die Felswand. Und wenn ich mich in diesem Ort umsehe, kann ich mir auch nicht vorstellen wo in der näheren Umgebung  eine  hohe Felswand sein soll. Die Landschaft  um Timahdite ist flach, da kann die Hausfrau noch einen Kuchen backen wenn der Besuch am Horizont auftaucht.

Zedernwald auf dem Weg nach Ifran

Wir geben auf, erst keine Affen und nun keine Störche. Hoffentlich wird´s was mit der Zeder in Azrou.
Bis Azrou ist es nicht mehr weit und der Zedernwald ist sogar ausgeschildert. „Cédre Gouraud“ steht groß und deutlich auf dem Schild. Mit 40 Metern Höhe und neun Metern Stammesumfang soll sie die größte Zeder des Mittleren Atlas sein.  So einen großen Baum können wir sicher nicht übersehen.
Es ist Nachmittag als wir auf den fast leeren Parkplatz einbiegen und aus dem Auto aussteigen. Wo mag es hier zur Zeder gehen? Alles ist geschlossen, keine Information, keine Beschilderung. Es handelt sich bei der Gouraud Zeder  um einen abgestorbenen Baum, der müsste uns doch auffallen. Die Wege sind einladend und wir gehen zu Fuß ein Stück durch den Zedernwald. So weit weg kann das aber nicht sein, denn ich habe Bilder gesehen, auf denen ein Reisebus unter der Zeder stand.  „Ein abgestorbener Baum“ überlegt Edith „vielleicht war das der umzäunte Baumstumpf am Parkplatz?“  Baumstumpf? Nein, das glaube ich nicht! Es sägt doch keiner so eine riesige alte Zeder ab! Doch es ist spät, die Luft wird kühl und so richtig weit gehen mag nun keiner mehr von uns. Wir fotografieren einige andere Zedern, riesengroß und sehenswert sind sie fast alle.  Was mit der Gouraud Zeder passiert ist oder wo sie steht können wir leider nicht in Erfahrung bringen. Ob sie tatsächlich bei einem starken Unwetter zusammengebrochen ist?  Denn warum sollte hier sonst ein umzäunter Baumstumpf stehen?

arabische Kaffeekanne nach dem Vorbild in Abu Dhabi

Nun ist es nur noch ein Katzensprung bis zu unserem Ziel Ifrane und nach der nächsten Straßenbiegung tauchen bereits die ersten Häuser auf. Auch hier ist die Zeit des Baubooms zu sehen, rund um Ifrane sind neue und moderne Apartmenthäuser entstanden. Kurz vor dem Ortseingang erwartet mich ein bekannter Anblick- eine große arabische Kaffeekanne. Das kenne ich doch aus Abu Dhabi! Wie kommt diese Kanne nach Marokko? Ich schaue mich genauer um und finde das Rätsels Lösung. Das große und imposante Gebäude im Hintergrund ist das Tourismusbüro der Vereinten Arabischen Emirate. Da kann ich mal wieder nur staunen. Ich vermute, dass Ifran in den heißen Arabischen Emiraten ein beliebtes Reiseziel ist. Es hat durch seine Lage in 1600 Metern auch im Sommer ein kühles und angenehmes Klima und ist in Marokko als Urlaubsort bekannt und beliebt.
Der Beliebtheitsgrad in Europa scheint kleiner zu sein, vielleicht liegt es an dem fast mitteleuropäischen Klima und Vegetation. Möglicherweise jedoch auch an der Architektur.  Der Stadtkern von Ifran erinnert an ein Dorf in Hessen oder im Elsass, denn entstanden sind diese Gebäude in der Zeit unter französischem Protektorat. Ziegel gedeckte, spitzgiebelige Fachwerkhäuser, ein Anblick den man in Europa nicht unbedingt mit Nordafrika verbindet.

Ifran Grand Hotel

Hier haben wir kein Hotel vorab gebucht, denn das Internet hat uns leider nur das 5* Hotel Midchlifen angeboten. Daher machen wir uns nach Ankunft im Zentrum auf die Suche nach einer Unterkunft.  Hier, direkt in der Stadtmitte ist auch schon das erste Schild: Hotel! Doch die Zimmer wirken nicht sehr einladend. Es riecht ein wenig nach Schimmel und die Bettwäsche wirkt grau. Nein danke! Die nächste Besichtigung verläuft ähnlich, ich vermute die Zimmer standen den gesamten Winter leer und waren ungeheizt und nicht belüftet. „Dort drüben- das sieht doch gut aus!“ macht Gabi uns aufmerksam. Es ist das „Grand Hotel“ und wir beschließen mal nach dem Preis zu fragen. Nach kurzer Verhandlung bleiben wir hier.Das Hotel  liegt minimal über unserem Durchschnittsetat und  das ist es wert. Die Zimmer sind hell, gut durchlüftet und mit einer Heizung ausgestattet. Sehr schön!

Storchenfamilie in Ifran

Sobald wir die Koffer abgestellt haben machen wir uns auf den Weg  zu einem Stadtrundgang. Rasch noch die letzten Stunden Tageslicht nutzen!  Die Straßen führen uns durch Villenviertel mit wunderschönen Häusern auf den umzäunten Grundstücken. Auf fast jedem Dach ist hier eine Storchenfamilie zu Hause und hat sich ein Nest gebaut. Die Häuser selbst machen leider den Eindruck, dass für die Instandhaltung nicht übermäßig viel Sorge getragen wird. Schade!
Die Zeit reicht noch für einen Rundgang im Stadtpark, doch nun ist es dunkel und nasskalt.

kalt!!!

Gudrun macht einen guten Vorschlag: „Sollen wir nach einem Restaurant für unser Abendessen schauen?“  Wir gehen langsam durch die Gassen des Zentrums und nehmen jedes Lokal genau in Augenschein. „Hier an der Ecke, das ist gut besucht“  ist unsere erste Überlegung. „Na ja, gemütlich sieht es nicht gerade aus“  ist die zweite Feststellung. Ja, das stimmt wirklich. Hat irgendwie Bahnhofs-Wartehalle –Ambiente.  Nach drei Rundgängen fällt unsere Wahl auf ein italienisches Lokal. Es sieht gemütlich aus, auf der Speisekarte steht KEINE  Tajine und Rotwein wird ebenfalls  angeboten. Da passt doch alles.
Wir lassen uns in dem noch menschenleeren Restaurant von einem Kellner an einen Tisch begleiten und nehmen Platz.  Vor uns liegt Besteck, ein Platzdeckchen und auf dem Tisch steht eine Gewürzmenagerie mit Salz, Pfeffer, Öl und Essig.  „Schaut mal!!“ tönt Gudruns entgeisterte Stimme „Das Platzdeckchen bleibt an meinen Händen kleben!“   Tatsächlich! Ein Zaubertrick? Nein, keine Hexerei sondern fettige Essensrückstände. Iiiiiigitttt! Ich setzte nun meine Lesebrille auf und schaue mich genauer um, während Edith und Gabi Öl und Essig begutachten. „Iiii, das klebt ja alles!“ ist Gabis Kommentar während mir meine Fantasie Bilder des Kochs in der Küche zeigt. Eieiei! „Lasst uns besser gehen“ ist der als nächstes gesprochene Satz und vor den fragenden und erstaunten Augen des Kellners ergreifen wir die Flucht. Gerade noch mal davon gekommen. Gott sei Dank hat Gudrun versucht die Hände vom Tisch anzuheben!
Wir lassen uns auf keine weiteren Experimente ein und gehen ins Grand Hotel.  Nicht unbedingt das, was wir uns vorgestellt haben. Doch  es ist wie jeden  Abend ein schöner und gemütlicher Abschluss eines ereignisreichen Tages.
Und morgen geht es weiter, nur knapp 100 km sind es bis zu unserem nächsten Ziel.  Fes, eine der Königsstädte Marokkos.

Der vorhergehende Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/marokko-urlaubsbericht-entlang-des-ziz-tales-von-erfoud-bis-midelt/

Marokko Rundreise 2012

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Über den Autor

Elke Hoppe

Vor ca. 20 Jahren bin ich von Deutschland nach Spanien ausgewandert, um auf der Sonnenseite Europas leben zu können. Doch auch von hier aus habe ich das Bedürfnis mehr von der Welt kennen zu lernen. Da es mir zeitlich und beruflich möglich ist, mache ich seit 2005 einmal im Jahr eine „große Reise“. Begleitet werde ich dabei von Edith, meiner Mutter, die vor 18 Jahre ebenfalls aus dem deutschen Regen in die spanische Sonne geflüchtet ist. Bisher hat uns unsere Reiselust nach Asien, Kenia und Peru geführt. Für das Jahr 2009 hatten wir uns für Indien entschieden und dort neben Rajasthan inzwischen auch andere Regionen besucht. Auf den Rundreisen in Indien waren wir in Begleitung von unserem Fahrer Prakash Acharya. Er ist ein zuverlässiger und informativer Reisebegleiter, den ich sehr empfehlen kann. Prakash hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und falls jemand mit ihm eine Rundreise machen möchte bin gerne bereit den Kontakt herzustellen.

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