Marokko – mit dem Auto über den Hohen Atlas nach Quarzazate
Dienstag
Wir müssen uns heute von Marrakesch und unserem freundlichen,hilfsbereiten Wirt verabschieden. Direkt nach dem Frühstück ist es soweit und wir tragen unsere Taschen durch die inzwischen vertrauten Gassen der Kashba bis zu unserem Auto. Jetzt heißt es nur noch den richtigen Weg zu finden. Es gibt auch Hinweisschilder, gestern, als ich zu Fuß unterwegs war, habe ich noch welche gesehen. Wo war das nur? Oh-hoppla, der Eselskarren ist aber sehr nah an mir dran. Und die Fußgänger verlassen sich offensichtlich auf das Schicksal und meine Bremsen, wenn sie die Straße überqueren. Wo habe ich nur das Schild „Quarzazate“ gesehen? Schild sehe ich keines- dafür jedoch einen Polizist, der mich mit strengem Blick raus winkt. Habe ich was falsch gemacht? Ja, denn ich habe nicht nur das Hinweisschild, sondern auch die rote Fußgängerampel übersehen. Deshalb ist der Mann eben so rasch zur Seite gesprungen! Oh weh, das tut mir echt leid. Siebzig Euro kostet das, ich bekomme eine Quittung und darf danach weiterfahren. „Gute Reise!“ wünscht uns der Polizist zum Abschied.
Es sind vermutlich die guten Wünsche des Ordnungshüters, die uns den Weg weisen. Denn wie ist es sonst zu erklären, dass wir ab nun alle Hinweisschilder entdecken und kurz darauf die Stadt Marrakesch hinter uns lassen.
Wir sind nun auf der Nationalstraße zum Tischka-Pass, was zugleich der Reiseweg in den Süden nach Quarzazate ist. Es ist eine landschaftlich sehr schöne Strecke, mit Blick in die Täler, doch leider haben wir heute nicht das richtige Reisewetter. Der Himmel ist grau bewölkt und es setzt ein leichter Nieselregen ein. Wie ungemütlich, aber wir haben ja die Wüste und den großen Süden Marokko´s vor uns. Es wird also im laufe des Tages sicher wärmer, trocken und sonnig werden. Am Tizi n´Ait Imguer machen wir eine kleiner Rast in einer Bar, doch der Blick in das R´dat-Tal ist von schweren dunklen Wolken verhängt. Hier an diesem Punkt haben wir den Hohen Atlas erreicht. Kalt ist es hier, kalt, nass und ungemütlich. Ob uns ein warmer Minzetee hilft? Ein wenig wärmer wird uns, doch Afrika stellt man sich wirklich anders vor!
Nichts wie weiter fahren, so rasch wie möglich in Richtung Süden.
Als wir das Dorf Taddert erreichen befinden wir uns auf einer Höhe von 1600 Metern, doch es geht weiter bergauf bis zum Tizi n`tchka Pass der 2260 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Hier hängen die Wolken direkt über uns und der feuchte Nebel macht das Fahren in den Kurven nicht angenehmer. Auf dieser Höhe treffen wir auf eine der Besonderheiten des Hohen Atlas- die Mineralien. Besonders berühmt sind die hier vorkommenden Amethyste. An der von Touristen, Transportern und Einheimischen befahrenen Straße stehen die Händler und warten auf Kundschaft für die Mineralien. Ein farbenprächtiges Angebot und wir halten an, um die Ware aus der Nähe zu sehen.
Die Steine sind mit einem Gummiband zusammengehalten und die Händler öffnen sie, um uns die glitzernden Mineralien zu zeigen. Lila, schwarz und blau wird uns angeboten und geduldig Stein um Stein aus dem Zeitungspapier gewickelt. Das ist echt? „Ja! Natürlich! 100%ig!“ wird uns dreistimmig mit entrüstetem Unterton versichert. Ich bezweifle dies, aber es ist ein nettes Andenken und sieht auch originell aus. Dann stehen die Verkäufer wenigsten nicht umsonst den ganzen Tag in der kalten und feuchten Luft. Gabi und Gudrun handeln für ihre Auswahl den Preis herunter, während ich mir die angebotenen Fossilien betrachte. Doch diese stammen nicht aus dem Atlas, sondern aus der Wüste um Erfoud. Ein weiteres Ziel auf unserer Rundreise und der bessere Ort um Fossilien zu kaufen.
Rasch retten wir uns aus der Kälte zurück in das Auto- brrr, das ist hier super ungemütlich. Gott sei Dank bin ich kein marokkanischer Mineralien- Händler.
Doch das Wetter meint es nicht gut mit uns, der feine Nieselregen ist zu einem richtigen Dauerregen geworden. Die Dörfer liegen trist und verlassen da, bei dem Wetter traut sich wirklich nicht einmal ein Hund vor die Tür. „Halt mal an!“ höre ich da Gabi aus dem Hintergrund. „Hier ist eine Kooperative für Argan Öl in der nur Frauen arbeiten. Sollen wir mal hinein schauen ?“ Ja, sicher eine gute Idee! Während wir alle aus dem Auto aussteigen und durch den strömenden Regen geduckt zum Eingang gehen, bin ich am grübeln. Wie konnte Gabi das alles so schnell sehen? Eine Kooperative- Argan Öl- und speziell nur für Frauen! Ob sie die Ampel in Marrakesch entdeckt hätte?
Im Inneren können wir zusehen wie die Frucht des Arganbaumes auf traditionelle Weise gepresst wird, um das qualitativ hochwertige Öl zu gewinnen. Genutzt wird Arganöl für kulinarische und kosmetische Zwecke.
Hergestellt wird das Arganöl von den Amazigh-Berbern deren Arganeraie 1998 von der UNESCO zum Biosphären-Reservat erklärt wurde. Dies gilt nicht nur der Erhaltung des Baumes, sondern auch der Kultur der Amazigh-Berber, die seit Jahrhunderten von dem Arganbaum leben.
Zur gleichen Zeit begann auch die Industrialisierung der Arganölgewinnung . Das Öl dazu wird aus Arganmandeln gewonnen, die zu Billigpreisen in den Souks gekauft werden.
Dies hatte zur Folge, das viele Familieneinkommen verloren gingen, denn die Frauen auf dem Land sind auf das Einkommen durch manuelle Gewinnung angewiesen.
Der marokkanische Staat unterstützte daher die Gründung der UCFA (Union des coopératives des femmes de´l Arganeraie). Zu dieser Organisation gehören inzwischen ca. 22 Kooperativen in der etwa 1000 Frauen arbeiten und die Tradition von handgepresstem Arganöl erhalten.
In den Dörfern leben davon ungefähr 600 Familien und dank der steigenden Nachfrage des handgepressten Öles werden die Aufträge an die Kooperativen langfristig bestehen bleiben.
Die Pressung von Hand ist sehr zeitaufwendig und für die Herstellung eines Liters Arganöl sind ca. 2 Tage Arbeit nötig. Doch nicht nur mehr Zeit kostet die Handarbeit, auch wesentlich mehr Früchte. Für einen Liter werden ungefähr 30 Kilo Früchte benötigt, was der Ernte von 4-5 Bäumen entspricht. Nun, da wundert mich der relativ hohe Preis nicht. Doch es ist sicherlich wert ihn zu bezahlen, denn abgesehen von der Qualität des Produktes bleibt nicht nur die Tradition erhalten. Denn die Kooperativen der UCFA arbeiten für die eigene Vermarktung und so bleibt der Verdienst auch wirklich bei den Frauen.
Die Auswahl an den Produkten ist groß- Körperöl mit und ohne Duft, Shampoo, Haaröl zur intensiv Pflege, Seife und natürlich Arganöl als Lebensmittel. Die Preise stehen fest und sind am jeweiligen Produkt angeschrieben. Hier wird nicht gehandelt, das Produkt ist diesen Preis wert und nicht weniger.
Als wir wieder vor der Tür stehen regnet es noch immer- wann endlich haben wir die andere, die südliche und sonnige Seite des Atlas erreicht?
Auf der Weiterfahrt haben wir fantastische Ausblicke, trotz des schlechten Wetters. Serpentinenartig führt die Straße hinunter und in den Talsenken liegen kleine Dörfer. Am Horizont taucht ein Bergkette auf, sie liegt in den Wolken und es sieht fast aus als sei sie mit Schnee bedeckt. Das ist doch sicher ein Irrtum! Oder? Oh Schreck- nein! Es ist Schnee! Vor uns Schnee und wenn ich in den Rückspiegel sehe, blicke ich ebenfalls auf schneebedeckte Gipfel des Hohen Atlas. Hinter uns, das ist ja zu erwarten. Wir sind nicht weit an Oukaimeden, einem marokkanischen Skiort, vorbei gefahren. Aber vor uns? Das haben wir nicht erwartet.
Hoffentlich ist es nicht zu kalt in Quarzazate, den immer hin liegt diese Stadt noch in einer Höhe von 1160 Metern zwischen dem Hohen Atlas und der Antiatlas Gebirgskette.
Es kann ja nun nicht mehr weit sein, wir müssten unser Ziel bald erreichen. Doch schon taucht ein Hindernis auf- ein Stau. PKW´s, Geländefahrzeuge und Transporter fahren im Schritttempo voran. Was mag da sein? Ein Unfall? Bei dem strömenden Regen und der schlechten Sicht ist das durchaus möglich. Doch nein- kein Unfall! Die Straße ist überschwemmt! Das sonst unter der Straße durchfließende Wasser ist angestiegen und strömt quer über die Fahrbahn. Liebe Zeit! Schafft mein kleiner Ford Fiesta es da durch? Doch, das klappt! Da haben wir ja gerade noch Glück gehabt, denn mit dem Dauerregen wird das Wasser sicher weiter ansteigen. Wirklich Glück gehabt!
Doch einen Kilometer weiter ist es mit unserer Freude vorbei. Nun geht die Kolonne gar nicht mehr weiter, wir stehen still. Und nun? Ein Blick aus dem Fenster zeigt einen weiteren Fluss, der die Straße in einer Senke überschwemmt hat. Und keiner fährt durch- ein schlechtes Zeichen!
Am besten aussteigen und nachsehen, ob es wirklich so schlimm ist. Wer wagt sich in den Regen? Gabi ist die erste, sie erkundigt sich bei einem Fahrzeuge etwas weiter vorne.
Die Auskunft lässt mein Herz höher schlagen- allerdings nicht vor Freude. „Die Polizei hat die Straße gesperrt“ erzählt uns Gabi. „Absolut unpassierbar!“ Oh weh- jetzt müssen wir zu viert im Auto übernachten. Das kann ja heiter werden. Haben wir denn genügend zu trinken da?
Ich kann´s einfach nicht fassen und mache mich trotzt des Wetters selbst auf den Weg, auch wenn das natürlich nichts ändert. Am Ende der Straße schaue ich entsetzt auf die braunen Wassermassen, welche über die Straße gurgeln. Oh je- wenn das die gesamte Nacht weiter regnet wird das morgen auch nicht besser sein. Wieder im Auto machen wir Lagebesprechung, doch zurück möchte ich auch nicht. Wer weiß wie dort inzwischen die Straße aussieht. Wir sitzen zwischen zwei Flüssen fest. Wie lange wird es wohl dauern bis wir alle evakuiert sind? Und das Auto?
Doch auf einmal kommt Unruhe auf, jeder geht zu seinem Wagen, Regenschirme werden zusammengeklappt, Motoren angelassen, Autotüren klappern und langsam setzt sich ein Fahrzeug nach dem anderen in Bewegung. In Richtung des reißenden Stroms, der über die Straße fließt! Meter für Meter rollen wir weiter auf die Gefahrenstelle zu. Das sieht wirklich gefährlich aus. Wenn mir da auf halbe Strecke der Motor ausgeht, werden wir bestimmt von den Wassermassen hinweg gespült. Ich habe so was ja schließlich schon im Fernsehen gesehen! „Lasst uns den Sicherheitsgurt lösen! So können wir im Notfall aus dem Auto schwimmen!“ gebe ich meinen Mitreisenden als guten Ratschlag bevor die Reifen meines Fiestas in das brodelnde Nass eintauchen. Und Gudrun rufe ich zu: „Mach Fotos! Du sitzt auf der richtigen Seite!!“ Mit Herzklopfen führe ich mein kleines, nettes Auto durch das kalte und sprudelnde Wasser- und dann ist es geschafft. Wir sind auf der anderen Seite. HURRA!!! Ich bitte um Applaus von den Beifahrern!
Die letzten Kilometer verlaufen ruhig und am späten Nachmittag erreichen wir Quarzazate. In den letzten Jahren ist es größer geworden, das Geschäft des Teppichhändlers ist inzwischen ein Hotel. Ob er so viele Teppiche verkauft hat?
Unser gebuchtes Hotel liegt auf der anderen Seite der ca. 53.000 Einwohner Stadt, gegenüber der Kasbah von Taourirt, die wir heute Nachmittag gerne noch besuchen möchten.
Doch zuerst gehen wir ins Hotel und dort auf unsere Zimmer. Dort suche ich in meiner Tasche weitere Medikamente gegen Erkältung, denn Gabi hat die ersten Erkältungsanzeichen. Ich hoffe sie hat sich nicht bei mir angesteckt und ihre Beschwerden gehen rasch wieder vorüber. Dann das Notwendigste auspacken, ein wenig frisch machen und schon geht es zur Besichtigung der Kasbah Taorirt. Bei unserer Ankunft ist gerade ein Aufseher dabei, das schwere bogenförmige Tor zu schließen. „Kann die Kasbah noch besichtigt werden?“ fragen wir den mürrisch drein-blickenden Herrn. Er beginnt mit einem energischen Kopfschütteln als ein Mann in einer hellblauen Dschellaba im Innenhof auftaucht. Er ist da anderer Meinung, denn er ist der örtliche Führer und sieht noch einen kleinen Verdienst zum Abschluss des Tages. Wir nehmen sein Angebot an und lassen uns von ihm durch die Kasbah führen. Das erste was unser Reiseleiter uns zeigt ist die Zierde des Innenhofes, eine deutsche Kruppstahl-Kanone aus dem Jahr 1884. Ihre Treffsicherheit machte sie einst zu einer gefürchteten Wunderwaffe. Waffenhandel scheint ja ein altes, traditionsreiches Gewerbe zu sein. Die Kasbah selbst gehörte einst dem Pascha von Marrakesch und wir lassen uns durch die Räume im ersten und zweiten Stock führen.
Ich war schon einmal hier, vor 6 Jahren. Damals war die Kasbah sehr renovierungsbedürftig, doch man konnte noch die alten Holzschnitzereien an der Decke und Verzierungen an den Wänden erkennen. Heute ist die Kasbah teilweise renoviert und in einigen Räumen ist dabei viel verloren gegangen. Meine Frage danach beantwortet unser Führer mit einem Nicken „Ja, leider!“ erklärt er uns. „Die Kasbah wurde als Filmkulisse verwendet und bei den Renovierungen wurde nur darauf geachtet, das es schnell und preiswert geht.“ Schade, doch der Besuch lohnt trotzdem und mit etwas Fantasie kann ich mir gut vorstellen wie in den Räumen Gäste bewirtet wurden, die mit einer Karawane den Ort erreichten.
Es ist schon fast dunkel als unsere Führung beendet ist . „Wo kann man den hier in der Nähe gut und typisch marokkanisch essen?“ fragen wir unseren ortskundigen Reiseleiter. „Ah- kein Problem!“ ruft dieser erfreut und begleitet uns bis zu einem Restaurant gegenüber der Kasbah. Es ist eines der Lokal die besonders gut für Gruppenreisen geeignet sind. Aber es ist nahe bei unserem Hotel und wir werden in einen kleinen separaten Raum geführt, der uns nach den Außentemperaturen im ersten Moment heimelig warm erscheint.
Und was essen wir nun? „Tajine!“ empfiehlt uns der Kellner mit einem freundlichen Lächeln. Na ja, vielleicht ist die Tajine hier ja besser als in Marrakesch. Ich nehme eine vegetarische Tajine und Edith, Gudrun und Gabi eine Tajine mit Huhn.
Die Begeisterung über das Essen hält sich in Grenzen, doch vielleicht ist es auch der Gruppenreisen-Charakter des Lokales. Irgendwann werden wir ein wirklich „typisch marokkanisches“ Restaurant finden. Wir sind ja erst am Beginn unseres Urlaubes. Morgen, nach unserem Ausflug in das Draâ –Tal, suchen wir uns ein Lokal fern von allen touristischen Attraktionen.
Im Hotel nehmen wir noch einen kleinen „Absacker“ und bald darauf gehen wir mit der nötigen Bettschwere in unsere Zimmer. „Gute Nacht, bis morgen!!!“ tönt es vierfach zum Abschied.
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