Marokko Urlaubserlebnisse – Meknes, die Königsstadt Moulay Ismails
Mittwoch
Ich werde geweckt durch Stimmen im Innenhof und durch Sonnenstrahlen, die gedämpft durch die Buntglasfenster ins Zimmer fallen. Meine Erkältung hat sich entschieden gebessert, es war die richtige Entscheidung gewesen, gestern Abend zu Hause zu bleiben.
Gabi und Gudrun sitzen schon im Patio, als wir vor unsere Tür treten. „Wie geht´s dir?“ möchten die Beiden teilnehmend wissen. Gut! Danke! Und wie war gestern Abend das Restaurant? „Gut!! Das Essen war super!“ erklärt Gabi. „Ja, richtig lecker!“ stimmt Gudrun zu. „Aber so nahe war das nicht, wir sind ganz schön weit gefahren“ wird mir weiter berichtet. Dass das Essen gut war, weiß ich bereits. Edith hat mir tatsächlich etwas zum versuchen mitgebracht und es schmeckte ausgezeichnet, trotz meiner Erkältung. „Und teuer!“ ist ein weiterer Kommentar zu dem gestrigen Abend. Nun- da war sicherlich auch die gratis Taxifahrt auf dem Hinweg und das „Dankeschön“ für die Empfehlung vom Hotel mit in der Rechnung versteckt.
Inzwischen ist der Frühstückstisch gedeckt und wir nehmen erst mal Platz und stärken uns für den heutigen Tag. Unsere Rundreise führt uns einige Kilometer weiter bis nach Meknes. Die Fahrtzeit ist ca. 45 Minuten, wir können uns daher Zeit lassen und den Tag entspannt angehen.
Als wir den Schlüssel abgeben stören wir noch einmal die in ihr I Phone vertiefte Rezeptionistin und kurz darauf sind wir schon wieder unterwegs.
Die ca. 60 km bis Meknes haben wir rasch hinter uns gebracht und nun beginnt wieder die leidliche Suche nach dem Hotel. Doch diesmal weiß ich wo es ist, direkt in der Nähe vom Bab Mansour, dem bekannten Tor gegenüber dem Platz el Hedim. Das werden wir finden, denn das Bab Mansour ist groß ausgeschildert. Doch ich habe meine Rechnung ohne die Einbahnstraßen gemacht. Wer hat eigentlich gesagt, die Souks in Marokko sind ein Labyrinth?
Ich würde sagen, es ist der Stadtverkehr und die Straßenführung kombiniert mit Einbahnstraßen! Doch nach einigen Wegbeschreibungen von Passanten haben wir es geschafft und das Hotel ist gefunden.
Auch hier haben wir ein Riad-Hotel gebucht, ein ehemaliges Wohnhaus das in ein Hotel umgebaut wurde. Der hier überdachte Patio (Innenhof) hat Sitzgelegenheiten und an einem Ende ist das Restaurant integriert. Die Fenster der Zimmer haben in diesen alten arabische Häusern überall „Ausblick“ in den Patio.
Nachdem wir unsere Koffer abgestellt haben, machen wir uns auf zu einer Stadtbesichtigung.
Da der Königspalast sehr weitläufig ist, entscheiden wir uns eine der Pferdedroschken zu nehmen. In den Preis mit eingeschlossen ist eine anschließende Begleitung durch einen „Guide“ in den Souks. Muss nicht sein, aber was soll´s.
Wir beginnen unsere Rundfahrt durch die Ville Imperial, deren Grundfläche fünf mal so groß ist wie die Medina. Während das Pferd uns mit klappernden Hufen durch die Straße zieht gibt der Droschker einige Erklärungen ab. „Dort drüben ist das ehemalige Gefängnis“ ruft er nach hinten. „Da wurden früher in den Kellern christliche Zwangsarbeiter untergebracht“ informiert er uns mit einem freundlichen Lächeln. Und hier, auf dem Platz Lalla Aouda, befand sich einst Dar Kebira, der Hauptpalast Moulay Ismails. Wir passieren das Mausoleum von Moulaiy Ismail, doch um diese Zeit ist es geschlossen. „Ab 17ººh ist es wieder geöffnet und kann besichtigt werden“ tönt es vom Kutschersitz. Das werden wir sicherlich auch tun, denn der Besuch lohnt sich.
Wir fahren entlang der die Ville Imperial umgebende Mauer, die mit großen Fotos des heutigen Königs geschmückt ist. Am Bab el Nouara (Tor des Wasserrades) biegen wir ein und kommen direkt auf das Dar el Ma (Wasserhaus) zu, an dem der Kutscher ein lautes „Brrrrr!“ ruft und unsere Droschke anhält. „Die Besichtigung ist eingeschlossen, ihr müsst nur den Guide bezahlen.“
Na gut, warum nicht. Gemeinsam mit dem Führer betreten wir das Gebäude. „Dieser Bau wurde früher als Hari, als Getreidespeicher, genutzt“ beginnt Achmed seine Erklärungen. Die Anlage hat 23 gemauerte Bögen mit 12 Meter Höhe, doch ein großer Teil des Daches ist bei dem Erdbeben von 1755 eingestürzt. Wir spazieren durch die gesamte Anlage, lassen uns die vielen Rundbögen zeigen und die Zisternen, mit denen die Wasserversorgung in der Ville Imperial sichergestellt wurden. „Und gleichzeitig war das hier auch der Pferdestall“ erklärt nun Achmed .„Die Pferde standen hier unter den Rundbögen!“ Hmmmm, das habe ich aber anders gelesen. Das soll zwar hier in der Nähe gewesen sein, aber doch nicht im Getreidespeicher.
„In den Pferdeställen von Moulay Ismail wurden damals ca. 12.000 Araber- und Berberpferde gehalten, mit denen intensive Zucht betrieben wurde. Sie waren wertvolles Kriegsmaterial und es war unter Todesstrafe verboten sie auszuführen.“ Ja, da bin ich mir mit Achmed einig, so hatte ich das auch schon mal gehört. Nun wird es aber wieder ein wenig abenteuerlich: „Dafür wurde auch das Wasserbecken draußen angelegt, damit all die Pferde getränkt werden konnten.“ Oooohh!!! Was Achmed meint ist das vier Hektar große Agdal, ein Wasserbassin, von dem aus die Zisternen gespeist wurden. Heute ist das Agdal ein Treff für Jung und Alt zum flanieren. Aber ob das wohl wirklich als Pferdetränke gebaut wurde?
Wir klettern wieder in die Kutsche und weiter geht die Fahrt bis an den Rand der Medina. Hier verabschieden wir uns von Pferd und Droschkenfahrer und treffen auf unseren nächsten Führer.
Sein Name ist Hamid und er wird uns durch die Medina begleiten.
Hamid führt uns durch enge Gassen in die Souks, durch die Gasse der Schneider und Tuchhändler und die Straßen der Tischler. Jedes Handwerk hat seinen eigen Gasse, vergleichbar mir einem Supermarkt: in dieser Reihe Drogerieartikel, hier Konserven und einen Gang weiter links die Marmelade.
Wir passieren einen öffentlichen Brunnen, an dem Hausfrauen gerade Wäsche waschen. Eine Waschmaschine in der eigenen Küche ist ein Luxus, den ich zu hause genieße. Hamid zeigt uns unter anderem die Moschee und fragt anschließend ob uns etwas besonderes interessiert. Wie , was besonderes? „Vielleicht möchtet ihr etwas einkaufen? Es gibt in Meknes schönen Silberschmuck oder Keramik“ erklärt Hamid. Allgemeines Kopfschütteln, nein eigentlich nicht. „Wir sind schon fast zwei Wochen hier“ erkläre ich Hamid „und waren in Marrakesch und in Fés bereits in den Souks“. Hamid nickt verständnisvoll und setzt seine Führung fort ohne uns nochmals auf einen Einkauf anzusprechen. Doch er gewinnt immer mehr an Tempo und die Erklärungen werden immer kürzer. Möchte er uns loswerden, weil wir nichts kaufen? Es ist offensichtlich, er will die Führung so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Hamid“ spreche ich ihn direkt an. „Wir würden gerne etwas langsamer gehen und uns Zeit lassen. Wenn du diese Zeit nicht hast, dann lass uns alleine weiter gehen. Wir finden zurück, falls du nur für eine einstündige Führung bezahlt wirst.“
Das Gesicht des ca. 55- jährigen Führers drückt Resignation aus, als er mir erklärt: „Ich bekomme gar nichts dafür bezahlt! Die bringen mir mit den Droschken die Touristen und geben mir so die Möglichkeit, die Urlauber durch die Souks zu führen und Kommission zu verdienen. Aber wenn die Leute nichts kaufen, dann habe ich umsonst gearbeitet.“ Upps- das war sehr offen! „Du bekommst nichts von dem Preis, den ich dem Kutscher bezahlt habe?“ vergewissere ich mich nochmals. „Nein“ seufzt Hamid leise. „Dabei bin ich wirklich ein Guide, aber im Moment läuft alles so schlecht, so wenig Urlauber, da muss ich sehen wie ich Geld verdiene. Es tut mir wirklich leid, wenn ich nun zu schnell gegangen bin.“
Wir machen eine kurze Lagebesprechung, während Hamid wieder in ein gemächliches Tempo zurück fällt. „Wir können ja wenigsten in irgendeinem Laden mal schauen“ schlage ich meinen Reisegefährtinnen vor. „Also wenn ich was hübsches sehe- ich habe immer noch keine Kette gefunden“ überlegt Gabi. „Ja, schauen können wir mal“ meint auch Gudrun, während ich mir überlege, ob ich in diesem Urlaub vielleicht doch noch einen Spiegel für meine Wohnung finde.
Hamid schaut uns überrascht, aber auch erfreut an, als wir nach einem Geschäft fragen und führt uns in einen großen Laden in dem es glänzt und glitzert. Hier gibt es alles! Schmuck, Schmiedearbeiten und Spiegel. Laut dem Besitzer ist die Ware echt antik. Es sind wirklich schöne Stücke dabei und Gabi hat sofort das für sie Richtige entdeckt. Eine Halskette, die auch mir und Edith als erstes ins Auge gesprungen ist. Und siehe da, da steht doch mein Traumspiegel in der Ecke. Der würde genau passen!!!
Leider bleibt mein Spiegel ein Traumspiegel, ich werde mit dem Verkäufer nicht handelseinig. Dazu kommt das Transportproblem, denn für mein Auto ist er zu groß. „In Marokko kann ich den Transport garantieren“ erklärt mir der Antiquitätenhändler. „Doch die Transportfirmen in Spanien kenne ich nicht, da möchte ich keine Garantie übernehmen.“
Da hat Gabi es mit der Kette einfacher, sie passt trotz vorheriger Einkäufe in meinen kleinen Fiesta. Nach einer Weile des Handelns und Feilschen gehört die Kette ihr und drei Personen sind zufrieden: Gabi, der Händler und natürlich Hamid.
Wir beenden unseren Rundgang durch die Medina auf dem el Hedim Platz und verabschieden uns von Hamid.
Dieser Platz, gegenüber dem Bab Mansour, ist ein Treffpunkt für Jedermann. Touristen sitzen in den Cafés um das Treiben auf dem Platz zu beobachten, Männer treffen sich zu einem Tee und einem kleinen Plausch und in der Markthalle an diesem Platz erhält man frische Lebensmittel, eingelegte Zitronen, Oliven in jeder Farbe und Größe und süße Gebäckwaren. Gaukler und Geschichtenerzähler sorgen für Unterhaltung und sind von ihrem Publikum umringt.
Was wird denn dort geboten? Es scheint auf jeden Fall sehr unterhaltsam zu sein. Neugierig trete ich näher und versuche diskret den marokkanischen Zuhörern über die Schulter zu schauen. Doch mein blondes Haar ist wie ein Leuchtsignal für den Vortragenden und ich ziehe sofort seine Blicke auf mich. Ich verstehe zwar nicht was er jetzt erzählt, doch das gesamte Publikum lacht und schaut zu mir. Oh je!! Was hat er nur gesagt? Doch das Lachen der Umstehenden ist ausgesprochen nett und freundlich und sie machen mir Platz in ihrem Kreis. Also lache ich mit, auch wenn der Scherz offensichtlich auf meine Kosten gemacht wurde.
An einer anderen Stelle wird ein Spiel angeboten, das ich so ähnlich von Kirmes und Schützenfesten kenne. Gegen ein Entgelt erhält der Spieler eine lange Rute an deren Ende an einer Schnur ein Ring angebracht ist. Auf dem Boden sind im Kreis gebrauchte Plastikflaschen aufgestellt und der Spieler muss nun versuchen mit der Rute den Ring über den Flaschenhals zu legen. Ein Riesenspaß für Teilnehmer und Zuschauer.
Inzwischen ist es später Nachmittag und mit einem Blick auf die Uhr stellen wir fest, das das Mausoleum Moulay Ismails inzwischen geöffnet sein sollte. Daher machen wir uns auf den Weg, durchqueren das Bab Mansour und spazieren bis zu dem Mausoleum. Es ist, neben dem Mausoleum von Mohammed V in Rabat, eine der wenigen religiösen Stätten in Marokko zu denen Nicht-Muslime Zutritt haben.
Moulay Ismail gab Meknes im 17. Jahrhundert den Rang einer Königsstadt.
Während seiner 55 jährigen Herrschaft ließ er allein in Meknes 25 km Stampflehmmauern, 20 monumentale Tore, mehrere Paläste, unterirdische Gefängnisse, Kasernen, Speicher, Stallungen und Aquädukte bauen. Durchgeführt wurden diese Arbeiten von verurteilten Gefangenen und Sklaven. Wenn ihre Kräfte versagten wurden sie, laut Geschichte, vom Sultan persönlich enthauptet und ihre Leichen als Baumaterial mit eingestampft. Auch seine leibeigenen Elite-Soldaten mussten das Bauhandwerk erlernen und wurden zu diesen Arbeiten herangezogen. Die Nachfahren dieser Soldaten stellen bis heute die Leibgarde des Königs.
Doch Moulay Ismail hat nicht nur fleißig gebaut. Sein Harem soll mehr als 500 Frauen umfasst haben, mit denen er mehr als 500 Söhne zeugte. Die Töchter wurden nicht gezählt und teilweise nach der Geburt erdrosselt. Moulay Ismail wollte gerne die uneheliche Tochter des Sonnenkönigs, Marie-Anne von Bourbon, ebenfalls zu seiner Frau nehmen. Doch der französische Hof hat den Wunsch taktvoll überhört und Marie-Anne durfte in Europa bleiben.
Nach dem Tod Moulay Ismails ist unter seinen Söhnen ein erbitterter Kampf um die Macht entstanden, der in einem 30-jährigem Krieg endete. Im Verlauf dieses Krieges wurde die Residenz wieder nach Fés und teilweise nach Marrakesch verlegt, was den Verfall von Meknes nach sich zog und von dem Erdbeben 1755 beschleunigt wurde.
Wir gehen durch das reich verzierte Tor und durchqueren den mosaikverkleideten Vorhof bis zum Betsaal. Hier müssen wir nach marokkanischer Sitte unsere Schuhe ausziehen um die Grabmoschee betreten zu dürfen. In dem Raum, in dem der Sarkophag steht, befinden sich zwei Standuhren. Es sind Repliken eines Geschenkes des Sonnenkönigs, es scheint als habe der überhörte Heiratsantrag die Beziehungen nicht sonderlich gestört. Standuhren waren zu diesem Zeitpunkt groß in Mode und wertvoll.
Langsam schlendern wir wieder durch den Vorhof, als ein verschlossenes Tor unsere Aufmerksamkeit weckt. Was mag sich dahinter befinden? Doch leider scheitern alle unsere Versuche dieses Rätsel zu lösen.
Als wir im Hotel ankommen sind wir alle vier müde und eine wenig hungrig. Wir haben geplant hier zu essen, das Menü hörte sich gut an und es gibt keine Tajine. Und weit gehen möchte heute auch keiner mehr von uns.
Es ist wie immer ein fröhlicher Abend, auch wenn das Menü nicht so ganz den Hoffnungen entspricht. Aber was soll´s – dafür ist der Wein sehr gut, denn in der Tiefebene von Meknes werden sehr gute marokkanische Weine angebaut. Daher…….zum Wohl auf einen weiteren gelungenen Tag in unserem Urlaub.
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