Reiseberatung für individuelle Reisen

Mit der indischen Eisenbahn von Nashik nach Aurangabad

Heute geht es weiter auf meiner Rundreise durch Maharashtra, mein neues Ziel ist Aurangabad und die Höhlen von Ellora und Ajanta. Doch im Moment stehe ich noch auf dem Bahnhof von Nashik und warte auf den Zug. Eine Fahrkarte habe ich mir gestern in einem Reisebüro gekauft.

der Bahnhof von Nashik

der Bahnhof von Nashik

Dort habe ich erfahren, dass der Zug so gut wie ausgebucht ist. Kein Platz mehr in der 2.Klasse mit Klimaanlage. Nur noch die Dritte und das auch nur weil die Indian Railway einen Sonderwagen angehängt hat. Wegen starker Nachfrage! Da bin ich nun mal gespannt, hoffentlich muss ich nicht irgendwo auf dem Trittbrett mitfahren. Ich habe zwar einen fest gebuchten Sitzplatz mit Nummer, aber ob das so klappt? Der Reisebüro-angestellte meinte zwar ziemlich pikiert: „Of course, Mam!“ und erklärte, dass auf dem Bahnsteig eine Liste ausgehängt ist, auf der alle gebuchten Fahrgäste vermerkt sind. Tatsächlich, da ist die Liste! Hängt dort drüben an der Wand des Bahnhofgebäudes. Da würde in Europa bestimmt ein Datenschützer Einwände erheben! Ich bin jedoch froh, dass ich meinen Namen und die Nummer des Sitzplatzes lese. Scheint ja alles zu klappen!
Auf dem Bahnsteig herrscht ein Kommen und Gehen. Bettler, Reisende, Händler und Gepäckträger sind hier unterwegs. Der vorhandene Treppenübergang von Gleis 1 zu Gleis 2 bleibt verwaist, alle nehmen die Abkürzung über die Gleise. Gott sei Dank geht mein Zug ab Gleis 1, ich wäre vermutlich der Lacher des Tages wenn ich den Übergang hinauf- und hinab steige.

der letzte Schliff für die indische Eisenbahn

der letzte Schliff für die indische Eisenbahn

Direkt neben mir wird der Reißverschluss einer Reisetasche repariert. Da hat ein junger Mann eine gute Idee um sich Arbeit zu verschaffen. An einer Kette hat er alle Formen und Grössin von Reißverschluss- Laschen und tauscht die kaputten direkt hier am Bahnsteig aus. Wem ist das noch nicht passiert, das beim Reißverschluss diese Lasche abreißt?
Mit nur 10 minütiger Verspätung rauscht der Zug in den Bahnhof und bleibt mit quietschenden Bremsen stehen. Wagennummer 3- wo ist das? Hier, ich stehe fast davor! Die Tür öffnet sich und die ersten Passagiere steigen aus. Doch nun beginnt ein wahres Chaos! Während die ankommenden noch in der Tür stehen, steigen die ersten Fahrgäste mit ihrem Gepäck ein. Was für ein Gedränge! Warum lassen die nicht erst alle aussteigen? „Train stopp just 5 minutes!“ gibt mir ein Mann zu verstehen, der wohl meinen fassungslosen Blick gesehen hat. Meine Güte! Glauben die wirklich, der Zug fährt an obwohl noch jemand mir der Tür in der Hand auf dem Gleis steht? Dann hätte ja in Indien kein einziger Zug Verspätung. Ich möchte es allerdings nicht darauf ankommen lassen und drängel ebenfalls. Geht ja auch nicht anders, denn ich werde sonst gnadenlos zur Seite geschoben. Endlich habe ich es geschafft, ich bin im Zug! Und wie komme ich nun durch die vielen Menschen zu meinem Sitzplatz? Klappt anscheinend doch nicht so gut. Aber irgendwie werde ich mit der Menge nach vorne gedrückt und entdecke meine Sitzplatznummer.
Besetzt! Ich zeige mein Ticket, doch der Herr auf meinem Platz hat ebenfalls eine Fahrkarte. Mit der gleichen Platznummer! Viele Helfer nehmen an der Debatte teil, lesen mein Fahrschein und halten den des Platzbesetzters dagegen. Nichts zu machen, der Platz ist doppelt vergeben. Was soll´s ! Bleibe ich eben stehen. Aber wo? Und dann noch mit der Reisetasche. „Coffee! Coffee!“ tönt es durch den Waggon und ein Kaffeeverkäufer drängt mit einer großen Thermoskanne durch den schmalen Gang. Ich spüre ein leichtes Zupfen an meiner Bluse und drehe mich um. Ein kleines Mädchen lächelt mir zu, rückt näher zu ihrer Mutter und deutet auf ihren halb-freien Sitz. Mutter und Vater nicken mir freundlich und aufmunternd zu und ich klemme mich zu dem Kind auf den Sitzplatz. „Thank you!“ lächle ich dankbar zurück. Das ist wirklich sehr freundlich. Nun versperrt nur noch meine Reisetasche den Durchgang.

die hügelige Landschaft in Maharashtra

die hügelige Landschaft in Maharashtra

Jetzt kommt der Mann mit den Erfrischungsgetränken, die er in einem großen Eimer auf dem Kopf durch den Zug balanciert. Erstaunt schaut er mich an und nach einem kurzen Gespräch mit den anderen Reisenden hat sich mein Sitzplatz-Problem geklärt. Es wurde doch wegen Überbuchung ein Sonderwagen angekuppelt. Der Waggon hat ebenfalls die Nummer 3 und ist am anderen Ende des Zuges. Am besten ich warte bis zur nächsten Station, steige aus, laufe den Bahnsteig entlang und steige in den richtigen Waggon Nummer 3. Wie bitte? Ich soll aus- und wieder einsteigen? Bei dem Gedränge? „Train stopps 10 minutes, Mam!“ erklärt mir ein Mitreisender. Egal, ich bleibe! Doch der hoffnungsvolle Blick des Kindes neben mir ändert meine Meinung. Sie möchte ihren Platz wieder haben und das kann ich gut verstehen.

Dorfleben in Maharastra

Dorfleben in Maharastra

An der nächsten Station mache ich mich also auf den Weg. Raus aus dem Zug, wenn nötig mit Gewalt, wobei meine Reisetasche sehr hilfreich ist. Nun den Bahnsteig entlang, ich erreiche den letzten Waggon und schaffe es fast problemlos einzusteigen. Ganz einfach, wenn man den Trick raus hat. Reisetasche in die Kniekehle des Vordermannes schubsen und es geht voran! Und hier ist auch mein Sitzplatz. Ebenfalls besetzt, die Dame hat ein wenig die Füsse hochgelegt und sich an meiner Abwesenheit gefreut. So ein Pech aber auch!

ein Tempel auf dem Weg nach Aurangabad

ein Tempel auf dem Weg nach Aurangabad

Ich frage mich sowieso schon die gesamte Zeit, wie es möglich ist, dass so viele Menschen auf dem Flur stehen. Denn angeblich hat doch jeder der gebucht ist, eine Sitzplatznummer. Ob da die Schaffner vielleicht ein Auge zudrücken? Und dafür die Hand aufhalten?
Ein wenig zögerlich ändert die Dame ihre Position und gibt meinen Fensterplatz frei. Das Fenster ist ein gewöhnungsbedürftig. Es ist offen, Scheiben gibt es nicht. Dafür sind querverlaufende Einsenstäbe vor der Öffnung. Wofür sind die wohl gut? Damit keiner aus dem Fenster springt? Oder damit man von außen besseren Halt hat? Oder um sicher zu gehen, dass auf dem Bahnhof wirklich nur die Türen zum ein- und aussteigen verwendet werden? Nein, die Gedanken sind albern. Bestimmt zur Sicherheit der Passagiere, denn vermutlich würde der eine oder andere sich evt. zu weit aus dem Fenster lehnen. Das ist ja auch in Deutschland hin und wieder passiert.
Natürlich lassen sich die Fenster auch schließen! Dazu ist ein kleines Holzbrettchen da, das kann man vor die Öffnung schieben. Nur sieht man dann leider nichts mehr und daher nehme ich lieber den Zugwind in kauf und kann unterwegs die Landschaft betrachten.

ein Sadhu

ein Sadhu

Am nächsten Halt kommt ein weiterer Passagier, er hat den Sitzplatz zwischen der Dame und mir. Es ist ein Sadhu, ein heiliger Mann, die in Indien meist sehr geehrt werden.
Es gibt Sadhus die das weltliche Leben völlig aufgegeben haben und asketisch leben. Manche begnügen sich zum wohnen mit einem Platz in der Nähe eines Tempel, mache sogar in einer Höhle und andere wiederum befinden sich auf ständiger Wanderschaft.
Es gibt jedoch auch Sadhus die heiraten und eine Familie gründen, wie z.B. die Baul im Osten Indiens. Sie ziehen durch die Dörfer und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit Musik.
Der neben mir sitzende Sadhu schaut mich interessiert an und schenkt mir ein freundliches zahnloses Lächeln. Ich lächle zurück und schaue vermutlich genauso interessiert. Er möchte anscheinend genaueres wissen und spricht mich an, doch leider verstehe ich kein Hindi. Ich lächle nochmal und zucke hilflos mit den Schultern: kein Wort habe ich verstanden. Doch meine Gestik ist ihm wohl unbekannt. Er erzählt und dem Tonfall nach zu urteilen stellt er zwischendurch hin und wieder eine Frage. Ist ihm denn noch nie eine Ausländerin begegnet? Zwei Frauen befreien mich aus der Situation. Lachend unterbrechen sie den Redefluss des Sadhus und erklären ihm etwas, woraufhin er mich voller Erstaunen betrachtet. Doch noch nie mit Ausländern zu tun gehabt? Oder hält er mich für stumm? Er startet einen weiteren Versuch, doch als er auch diesmal keinen Erfolg hat scheint er den beiden Frauen zu glauben. Ich verstehe ihn tatsächlich nicht! Er wird nun von den Mitreisenden mit Tee und etwas Essbarem versorgt, letzteres packt er in eine kleine Holzschale und stellt sie zurück in seine Stofftasche.

blau schimmernder See

blau schimmernder See

Vor dem Fenster fliegt die Landschaft Maharashtras vorbei. Grüne Hügel, kleine Dörfer in denen Landwirtschaft betrieben wird und ein blau schimmernder See. Es wird nicht langweilig aus dem Fenster zu blicken. Auch der Sadhu schaut hinaus, vergisst sich und gibt mir lächelnd eine weitere Erklärung.
Am späten Nachmittag erreichen wir den Bahnhof von Aurangabad und die Wege von mir und meinen Mitreisenden trennen sich im Gewühl der Menschen. Langsam gehe ich zum Ausgang des Bahnhofes als ich angesprochen werde.

Shaikh, mein Fahrer in Aurangabad

Shaikh, mein Fahrer in Aurangabad

„Taxi? You need Taxi?“ Ja, brauche ich und Hotel habe ich auch keines gebucht. Er stellt sich vor als Shaikh und wir vereinbaren einen Preis für den er mich in verschiedene von ihm vorgeschlagene Hotels bringt. Ich soll dann das wählen,welches mir gefällt. Und wenn mir keines gefällt? Er zuckt mit den Schultern, grinst und erklärt mir, dass die meisten Unterkünfte durch die Feiertage sowieso ausgebucht sind. Mit anderen Worten, es bleibt mir gar keine wirkliche Wahl? Doch bereits das zweite Hotel findet meine Zustimmung und ich habe für heute Nacht eine Bleibe.

„Mam, sicher möchten sie nach Ellora und Ajanta“ spricht mich Shaikh an als ich ihn bezahlen möchte. Er hat einen Vorschlag für mich: Wenn ich ihn für zwei Tage als Fahrer anheuere, dann war die Fahrt Bahnhof -Hotel gratis. Es ist weniger die Gratisfahrt, als seine Initiative die mich zustimmen lässt. Der Taxipreis ist für 2 Tage ebenfalls günstig und so ist schon die Frage gelöst wie ich meine Ziele in Aurangabad erreiche. Wir verabreden uns für morgen früh um 9ººh und werden mit den Höhlen von Ellora beginnen. Perfekt ! Besser hätte es gar nicht klappen können.

Da ist heute ja wieder alles gut gelaufen, selbst meinen Sitzplatz im Zugabteil habe ich letztendlich gefunden. Und morgen beginnt ein neuer abenteuerlicher Tag in einem Land voller Überraschungen und Gegensätze.

Indien-Reise durch Maharashtra

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Über den Autor

Elke Hoppe

Vor ca. 20 Jahren bin ich von Deutschland nach Spanien ausgewandert, um auf der Sonnenseite Europas leben zu können. Doch auch von hier aus habe ich das Bedürfnis mehr von der Welt kennen zu lernen. Da es mir zeitlich und beruflich möglich ist, mache ich seit 2005 einmal im Jahr eine „große Reise“. Begleitet werde ich dabei von Edith, meiner Mutter, die vor 18 Jahre ebenfalls aus dem deutschen Regen in die spanische Sonne geflüchtet ist. Bisher hat uns unsere Reiselust nach Asien, Kenia und Peru geführt. Für das Jahr 2009 hatten wir uns für Indien entschieden und dort neben Rajasthan inzwischen auch andere Regionen besucht. Auf den Rundreisen in Indien waren wir in Begleitung von unserem Fahrer Prakash Acharya. Er ist ein zuverlässiger und informativer Reisebegleiter, den ich sehr empfehlen kann. Prakash hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und falls jemand mit ihm eine Rundreise machen möchte bin gerne bereit den Kontakt herzustellen.

Eine Reaktion bis “ Mit der indischen Eisenbahn von Nashik nach Aurangabad ”

  1. Hallo Elke,
    mit grossem Interesse habe ich deine Reiseberichte über Indien gelesen. Wäre es möglich mir die Kontaktdaten von Prakash Acharya, dem Fahrer mitzuteilen, da wir ebenfalls eine Reise im Norden von Indien planen.
    vielen Dank schonmal
    und viele Grüsse aus Köln

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