Moskau, die Hauptstadt Russlands und der Kreml
Unsere Fahrt mit dem Schnellzug Sapsan
Heute geht es weiter in Richtung Kreml und Moskau, und dass sogar schon ziemlich früh. Um 7ººh morgens fährt der Zug in St. Petersburg ab und wir sind bereits um 11ºh in Moskau. Es ist einer der Schnellzüge, der Sapsan, und sie fahren mehrmals am Tag. Es gibt auch einen Nachtzug, er verlässt St. Petersburg am Abend und ist früh morgens in Moskau. Der Nachtzug ist preislich günstiger, doch wir haben beide keine Lust die gesamte Nacht in der Bahn zu verbringen. Außerdem- so können wir unterwegs die Landschaft Russlands betrachten. St. Petersburg hat fünf Bahnhöfe, wovon der Moskauer Bahnhof der Knotenpunkt ist, an dem auch die Schnellzüge Sapsan nach Moskau abfahren. Trotz der frühen Stunde ist hier schon reichlich Betrieb.
Kaum sind wir aus dem Taxi gestiegen kommt auch schon ein Gepäckträger und versucht uns seinen Träger-Service anzubieten. Was möchte er denn für das Tragen? 1.500 Rubel? Das sind über 20,00 Euro für eines unserer Ziehköfferchen? Nein danke, das können wir auch alleine. „Nijet“ meint der Kofferträger und erklärt uns in schwer verständlichem Deutsch, dass im Inneren des Bahnhofs viele Treppen sind. Sehr viele Treppen!!! Skeptisch schaue ich in die große Halle. Alles ebenerdig! Ich sehe nur die drei Stufen am Eingang. Wir nehmen das Risiko auf uns- und siehe da- es kommen keine Stufen. Alles flach oder mit Rampe.
Auch der Bahnhof ist übersichtlich und wir finden problemlos das richtige Gleis sowie den richtigen Wagon.
Der Zug ist bequem, wir können die Beine ausstrecken und die Fahrt genießen. Es geht vorbei an Wäldern und Dörfer, Holzhäusern in deren Garten die Wäsche auf der Leine im Wind weht. Ich denke hier auf dem Land ist das Leben nicht so unbeschwert wie in St. Petersburg. Die Holzhäuser wirken sehr schlicht, viele der Holzzäune sehen schon ein wenig marode aus. Doch je näher wir Moskau kommen, um so wohlhabender wirken die Gebäude. So wie man sich eben eine russische Datscha vorstellt. Ein gepflegter Garten mit Obstbäumen und ein renoviertes Holzhaus. Eigentlich fehlt nur noch das Schlitten- bzw. das Pferdegespann im Hof. Und natürlich die Hausherrin im Zobelmantel! Aber wir haben August und Sonnenschein- letzteres fällt also auf jeden Fall aus!
Ankunft in Moskau
Pünktlich um 11ººh fahren wir in den Bahnhof von Moskau ein. Nun bin ich ja gespannt auf unsere Unterkunft. Gebucht habe ich bei Airbnb ein Studio, nicht weit vom Kreml entfernt. Alex, der Vermieter, ist heute nicht da, hat jedoch den Schlüssel beim Hausmeister für uns hinterlegt. Wir sollen einfach ein Taxi nehmen und die Adresse angeben, kein Problem meinte Alex. Das Taxi dürfe nicht mehr als 600 Rubel kosten.
Ausgestattet mit diesen Informationen marschieren wir mit unseren Ziehköfferchen aus dem Bahnhofsgebäude, den Zettel mit der Adresse in meiner Hand.
„Taxi?“ werden wir auch sofort angesprochen. Ja, gerne! Ich zeige die Adresse und frage nach dem Preis. Stirnrunzelnd betrachtet mein Gesprächspartner die Anschrift, überlegt kurz und erklärt: „3000 Rubel!“ Wie bitte? Kann ja nicht sein! Das ich als Tourist mehr zahle als Alex als Russe, o.k.- daran bin ich als Tourist ja schon gewöhnt. Aber das ist deftig! „Nein“ erkläre ich dem Fahrer. „Unser Freund wohnt nicht weit, ich weis, dass der Preis 600 Rubel ist!“ trumpfe ich einfach mal auf. Doch der Fahrer durchschaut meinen Bluff: „Nein, das hat er dir falsch gesagt! 3000 Rubel!“ Es michen sich nun noch einige andere Fahrer ein und einer bietet an, uns für 2000 Rubel zu fahren. Nein, ich bleibe hartnäckig. Bahnhof und Flughafen- da bin ich schon zu oft über den Tisch gezogen worden. Gibt es hier keinen anderen Taxistand? Doch leider ist weit und breit kein anderer Fahrer zu sehen und hier scheinen sich alle einig zu sein. Der „Ausländerpreis“ bleibt stehen! Aber nicht mit mir! Dann nehme ich eben die Metro, hier ist ja direkt eine Station. Zügig gehe ich auf die Treppe zu und nun klappt es. Einer der Fahrer wird weich und möchte dann doch keinen potenziellen Kunden entkommen lassen. „Ich fahre euch für 1000 Rubel“ knirscht er aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Na gut, mit diesem Touristenaufschlag kann ich leben. Nur der Form halber meckere ich noch ein wenig im Stil „viel zu teuer!“
Glücklich ist der Fahrer über unsere Preisvereinbarung nicht! Das ist offensichtlich, denn er versucht uns offensichtlich so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Mein Güte, was für ein Fahrstil! Ist der Mann lebensmüde? Upps- das war knapp! Fast hätten wir das andere Auto gerammt. Weiter geht es auf zwei Reifen um die Kurve, schnell noch beschleunigen als die Ampel orange wird und dann bei Rot über die Kreuzung huschen. Vielleicht hätte ich den Preis doch nicht so drücken sollen? Das der Mann keine Sorge um sein Auto hat, wundert mich nicht. So wie das Vehikel aussieht, ist es nicht die erste Kamikaze- Fahrt. „Geht das auch langsamer?“ versuche ich in sanftem Ton unser Leben zu verlängern. Doch es hilft nicht! Ungeduldig trommelt er an einer roten Ampel auf das Lenkrad und kurz darauf fährt er mit quietschenden Reifen an. Gibt es hier eine Verkehrspolizei, die auf die Geschwindigkeit achtet?
Nach knapp 15 Minuten haben wir unser Ziel erreicht und ich wische mir den kalten Schweiß von der Stirn. Der Fahrer deutet auf einen grauen Wohnblock, reicht uns die Koffer und verschwindet mit seinem Taxi in einer Auspuffwolke. Gott sei Dank- die restlichen Tage fahre ich nur noch mit der Metro!
Und wie finden wir nun das Apartment? Wen fragen wir denn da? Einige Meter weiter ist eine Bar oder auch ein etwas grösserer Kiosk und wir zeigen unseren Zettel mit der Adresse den vor der Tür stehenden Männern. Die schauen zwar aus als seien sie schon seit gestern Abend hier, aber das ist nicht unser Problem. Sie sind sehr freundlich, können aber leider nicht weiter helfen.
Wir stehen ein wenig ratlos auf der Strasse als ein junge Frau kommt. Sie schaut sich den Zettel an und macht sich gemeinsam mit uns auf die Suche nach dem richtigen Eingang und kurz darauf stehen wir vor dem Hausmeister. Er erwartet uns schon, gibt uns den Schlüssel und zeigt uns das Apartment.
Ein Glückstreffer! Es ist so wie bei Airbnb beschrieben! Klein, aber gemütlich und praktisch eingerichtet. Eine offene Küche, ein Wohnbereich mit Schlafsofa und ein Hochbett. Das Badezimmer hat Wanne und Dusche und alles ist hell, freundlich und gepflegt. Die Fenster gehen zum begrünten Innenhof, wir haben Blick auf Bäume und keinerlei Straßenlärm. Ja, hier werden wir uns wohl fühlen.
Nachdem wir unsere Koffer halbwegs ausgepackt und uns ein wenig erfrischt haben machen wir uns auf den Weg um die nähere Umgebung zu erkunden. Ist der Kreml wirklich nur fünf Gehminuten entfernt?
Das Haus an der Uferstrasse
Bevor wir unsere erste Entdeckungstour starten, schaue ich auf der Stadtkarte in meinem Reiseführer nach. Wo sind wir überhaupt? Das Apartment liegt in Zamoskvoretschje, der ehemalige Moskauer Handwerker- und Kaufmannsbezirk. Sogar unser Apartment-block ist in meinem Nelle- Reiseführer vermerkt. Es heißt „das Haus an der Uferstraße“, benannt nach einem Roman von Jurij Trifonov. Das Gebäude wurde 1931 für die Sowjet-Funktionäre und ihre Familien gebaut. Es war wie eine kleine Stadt mit Geschäften, Post, Frisör, Kindergarten und Kino. Trotzdem hatte das Haus einen schlechten Ruf. Durch einen geheimen Eingang, den man von allen Treppenhäusern durch den Keller erreichen konnte, wurden während des Stalin-Regimes verhaftete bei Nacht und Nebel unauffällig abgeführt.
Während ich noch am blättern und suchen bin betreten wir den Hausflur. „Lass uns doch den Hausmeister fragen!“ schlägt Edith vor. Ach je, ob der uns überhaupt versteht? Doch ich kenne das ja von früheren Reisen. Ob Chinesisch oder Russisch, Edith erfragt den Weg und auch heute wieder mal mit Erfolg. Der freundliche Herr geht sogar mit uns noch auf die Strasse um sicher zu sein, dass wir uns nicht verlaufen.
Es ist wirklich einfach und sehr nahe, wir brauchen nur die Große Steinerne Brücke zu überqueren. Es gibt 3 Brücken, die das Stadtzentrum mit der Insel verbinden, doch die Große Steinerne Brücke ist sicher die beeindruckendste. Sie war einst aus Stein und erhielt ihr heutiges Aussehen in den 1930er Jahren.
Beim überqueren dieser Brücke haben wir unseren ersten Blick auf den Kreml. Es ist gigantisch- ein anderes Wort fällt mir da wirklich nicht ein. Bilder habe ich ja schon vom Kreml gesehen, auch den Blick von dieser Brücke. Aber keines davon kann den Eindruck von der Größe und Ausmasse der Anlage wiedergeben. Fantastisch! Das Ufer mit der Uferpromenade- diese Bilder kenne ich aus dem Fernsehen. Die letzten „großen“ Schlagzeilen und Bilder waren im Zusammenhang mit dem Mord an Boris Nemzov. Er ist vor wenigen Monaten auf der Großen Steinernen Brücke erschossen worden. Vielleicht hier? Genau wo wir stehen? Ich hoffe, so etwas muss ich nie in live erleben!
Rund um den Kreml
Auf der anderen Flussseite bummeln wir entlang der Kreml-mauern weiter bis zum Alexander-garten. Dort erwarten uns wunderschöne farblich abgestimmte Blumenbeete mit eine Pracht an Blüten. Es ist ein gut besuchter Park mit schattigen Gehwegen und Bänken die zum Verweilen einladen. Auch wir suchen uns einen Platz zum ausruhen und „Passanten-beobachten“.
„Morgen gehen wir in den Kreml“ erkläre ich Edith meine Pläne. „Vielleicht sollten wir schon einmal schauen wo die Eintrittskarten verkauft werden.“
Bei meinen Reisevorbereitungen habe ich im Internet gesucht, ob es besser ist im vorab Eintrittskarten zu kaufen. Nein, stand da überall geschrieben, die Tickets können direkt in Moskau an der Kasse gekauft werden. Doch als wir an der Kasse stehen bin ich verwirrt. Es gibt verschiedene Schalter und alle scheinen unterschiedliche Karten zu verkaufen. Hier ist ein Schalter nur für die Rüstkammer und ich bekomme die Auskunft, ich solle am besten im Internet vorbuchen. Oder ich soll morgens SEHR früh kommen, ansonsten seien die Karten ausverkauft. Ein anderer Schalter ist für Schüler, Studenten und Rentner zuständig; ein weiterer nur für Gruppen. Und an anderen drei Schaltern bekomme ich die Eintrittskarte für den Kreml. Muss ich mich nun zwei mal anstellen? Die Verständigung ist ebenfalls schwierig, die meisten der Damen in den Kassenhäuschen sprechen kaum oder gar kein Englisch. „Book in Internet!“ sagt mir eine der Frauen in leicht genervtem Ton. Oh je , mit meinem Handy buchen. Da kann ich nicht mal das Ticket ausdrucken. „Lass uns doch einfach morgen früh wieder kommen und schauen ob wir Eintrittskarten bekommen“ schlägt Edith optimistisch wie immer vor. Es ist vermutlich die beste Idee, außerdem haben wir ja eine Woche Zeit um den Kreml zu besichtigen. Wann macht die Kasse denn auf? Um 9ººh- das ist kein Problem. Wir kommen eine viertel Stunde früher, so sind wir eine der ersten in der Warteschlange. Wird schon klappen!
Für heute setzten wir nun unseren Rundgang fort und schlendern weiter, vorbei am Grab des unbekannten Soldaten bis zum Arsenal Eckturm. Hier ist auch das nördliche Ende der Kreml-Mauer, die mit über 2 km die Anlage umrundet. Rechts von uns befindet sich das Historische Museum und auf der anderen Seite das bekannte Hotel Four Seasons.
Auf dem freien Platz herrscht reger Betrieb. Ein Markt findet statt und es wird Gemüse und Obst aus ökologischem Anbau verkauft, selbstgemachte Duftkerzen und eine große Auswahl an Essen und Getränken. „Wir können ja hier etwas essen, dann brauchen wir heute Abend nicht ausgehen“ schlägt Edith vor. Aber irgendwie habe ich noch keinen Hunger und so Stehbuden ist eigentlich nicht meine Vorstellung von einem gepflegtem Abendessen. Es gibt zwar auch Sitzplätze, doch die sind zur Zeit alle belegt. „Wir müssen noch einen Geldautomaten finden“ erinnere ich Edith, sonst gibt es heute Abend Wasser und Brot. „Lass uns doch in das Hotel Four Seasons gehen, da finden wir bestimmt einen Geldautomaten“.
Tatsächlich, habe ich es mir doch gedacht. Es gibt einen Geldautomaten, kein Wunder bei den Preisen in dem Luxushotel. Der Wachmann hat sich zwar überlegt ob er uns durchlässt, aber offensichtlich sahen wir vertrauenerweckend aus.
Das Hotel Four Season gegenüber des Kreml
In dem Gebäudekomplex des Four Seasons befindet sich jedoch nicht nur das Hotel, sondern auch ein sehr elegantes Einkaufszentrum. Hier gibt es wirklich alles! Modefirmen wie Escada, Dior und Hilfiger – alles ist vertreten. Schuhe! Welch eine Auswahl! Kosmetik mit führenden Namen wie Estee Lauder und Clinique sind ebenso vorhanden wie Versage und Chanel. Wirtschaftssanktionen gegen Russland? Im Moskauer Four Seasons ist davon nichts zu spüren. Am Ende unseres Rundgangs landen wir in der Lebensmittelabteilung. „Ob es hier Kaviar gibt?“ überlegt Edith. Ja, vermutlich. „Du möchtest gerne dass ich dich wieder mit nach Hause nehme? Dann bitte keinen Beluga Kaviar und auch keinen anderen!“ drohe ich mit fast ernstem Gesicht. 😉
Wir kaufen zwar keinen Kaviar, doch an dem Lachs-stand- da kommen wir nicht vorbei. Frischer Lachs mit Rum oder Cognac geräuchert? Habe ich ja noch nie gesehen! Der Verkäufer lässt mich versuchen und es ist absolut lecker. Hmmm!!! So gut können wir eigentlich nirgendwo essen gehen. Ich habe eine viel bessere Idee! Wir kaufen uns von den beiden Lachssorten, gehen danach in ein Spirituosen-Geschäft und holen uns dazu eine Flasche Champagner. Wenn schon edel, dann aber richtig! „So, nun brauchen wir nur noch etwas Brot und unser Abend ist gesichert!“ erkläre ich Edith.
Direkt neben unserem Apartment im Haus an der Uferstraße befindet sich ein kleiner Supermarkt in dem sie Brot verkaufen. Dazu noch ein wenig Käse und Trauben- so als Nachtisch. Beladen mit unseren Tüten erreichen wir unser Moskauer Zuhause, passieren den Hausmeister mit einem fröhlichen „dóbryj wétscher“ und machen uns einen ruhigen und gemütlichen Abend auf dem Sofa.
„Der Lachs ist hervorragend“ lobt Edith und ich kann da nur zustimmen. Die Flasche Champagner sorgt für die nötige Bettschwere, so dass wir uns bald gegenseitig „spokoynoy nochi“ wünschen. Ich klettere die Leiter hinauf in das Etagenbett und finde es einfach toll hier oben. Leselampe und viel Platz, ich darf mich heute Nacht nur nicht zu weit nach rechts drehen. Und morgen geht es dann in den Kreml- das geschichtliche Zentrum Russlands und heutiger Amtssitz des Präsidenten.
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