Aquas Calientes, das Thermalbad am Fusse von Machu Picchu
Mittwoch
Aguas Calientes
Beim Aufwachen strecke ich erst mal ganz vorsichtig meine Beine aus um zu testen ob ich Muskelkater vom Treppensteigen in Ollantaytambo habe. Doch alles ist bestens und keinerlei Beschwerden. Auch Edith fühlt sich wohl und beide sind wir gespannt auf den neuen Tag. Um 8ººh sollen wir abgeholt werden, eine halbe Stunde früher als ursprünglich ausgemacht. Conchita hat mich gestern Abend im Hotel angerufen. Für heute ist ein Streik der Verkehrsmittel angekündigt und sie meinte es sei besser, wenn wir früher losfahren. Ob wir so früh ein Frühstück bekommen? Von unserem Fenster aus können wir durch den Garten bis in das Restaurant schauen. Trotz der frühen Stunde beobachten wir, wie sich jemand zwischen den Tischen bewegt. Einer aus der französischen Gruppe oder ein Kellner? Auf jeden Fall ist geöffnet, das ist die Hauptsache.
Das Frühstück ist gut und neu gestärkt machen wir einen Rundgang durch den Klostergarten bevor wir in unser Zimmer gehen um zu „packen“. In diesem Fall heißt das Haar -und Zahnbürste in den Rucksack stecken. Eigentlich sehr praktisch, ich nehme wirklich immer viel zu viel mit.
Pünktlich wie immer kommt unser Taxi und wir fahren los zum 18 km entfernten Bahnhof in Ollantaytambo. Unterwegs machen wir einen kurzen Halt, unser Fahrer hat vergessen zu tanken und er entschuldigt sich dafür mehrfach. Kein Problem, wir haben reichlich Zeit. Schließlich sind wir ein halbe Stunde früher losgefahren als geplant.
Am Bahnhof müssen wir wegen einer Baustelle die letzen Meter zu Fuß gehen. Gott sei Dank haben wir unsere Ziehköfferchen in Cusco gelassen, denn der Weg ist sandig und über eine Absperrung müssen wir auch hinüber klettern. Dem Himmel und Conchita sei gedankt für den Rucksack!
Als wir am Gleis ankommen steht dort ein Zug, bereit zur Abfahrt. Das kann unser Zug doch nicht sein, wir sind doch eine halbe Stunde zu früh! Irrtum! Ein Kontrolleur schaut unsere Fahrkarten an, nickt und fordert uns zum raschen Einsteigen auf. Ich frage noch mal nach: „Seguro?“ Er ist sich absolut sicher, wir steigen ein und und kaum sitzen wir auf unseren Plätzen fährt die Bahn auch schon ab. Da hatten wir aber Glück, dass ein Streik angemeldet war!
Die Bahnfahrt ist ein Erlebnis. Wir fahren durch ein Tal an den Ufern des Rio Urubamba entlang und rechts und links ragen die Berghänge nach oben. Die Vegetation ist üppig, ein dschungelartiges Dickicht von Bäumen und Sträuchern. Unzählige Orchideen haben sich an die Baumstämme gehaftet. Der Fluss hat durch die Regenzeit eine starke Strömung und das durch aufgewühlte Erde braun gefärbte Wasser rauscht durch sein Bett. Die Wolken hängen tief im Tal und verleihen der Szenerie etwas Mystisches.
Auf halber Strecke fängt es an zu regnen und es schüttet vom Himmel wie aus Gießkannen. Das Wasser tropft von den Bäumen und wir können durch die beschlagene Scheibe kaum etwas sehen. Einige Mitreisende in unserem Abteil fangen an sich Regenjacken anzuziehen und ihre Rucksäcke aus dem Gepäcknetz zu holen. Sind wir schon in Aguas Calientes? Kann eigentlich nicht sein, es ist viel zu früh. Obwohl…..! Aber wir sind nicht an unserem Ziel, die „Aussteiger“ wollen wandern und sie gehen von hier zu Fuß bis zum Machu Picchu. Respekt, ich würde mir das bei dem Wetter noch mal genau überlegen. Schnell wische ich die Scheibe trocken, um noch einen Blick auf die Wanderer zu werfen. Die Kapuzen der Regencapes tief ins Gesicht gezogen machen sie sich auf ihren Weg.
Bei unserer Ankunft in Aguas Calientes hat der starke Regen nachgelassen, es nieselt nur noch. Dies ist die Endstation, der Zug leert sich und wir verlassen das Gleis und den Bahnhofsbereich. Am Ausgang stehen einige junge Männer mit Schildern in der Hand, aber ein Ellie Hope kann ich nirgendwo entdecken.
Also warten wir erst mal ab. Die meisten der „beschilderten“ jungen Männer finden ihre abzuholenden „Schützlinge“. Nur einer nicht, er schaut genauso fragend und verlassen in die Runde wie wir. Was steht denn auf seinem Schild? Ich lese einen Hotelnamen der mir bekannt vorkommt. Sicherheitshalber vergleiche ich den Namen mit meinen Unterlagen und es ist tatsächlich unser Hotel. Der junge Mann stellt sich als Freddy vor und ist sichtlich erleichtert, dass wir uns gefunden haben. Da das Hotel nur fünf Minuten Fussweg entfernt ist laufen wir und Freddy gibt uns auf dem Weg noch einige Tipps was es in Aguas Calientes alles zu besichtigen gibt. Ein Museum, einen botanischen Garten und natürlich die heißen Quellen nach denen der Ort benannt ist.
Im Hotel bringt Freddy uns bis auf unser Zimmer, zeigt uns wo Lichtschalter und Badezimmer sind und als Hauptattraktion den Blick vom Balkon. Der ist wirklich schön, wir haben Blick auf den Rio Urubamba und können sein gleichmäßiges Rauschen hören.
Wir packen unsere Haar– und Zahnbürsten aus und beraten was wir als erstes unternehmen möchten. Die Entscheidung fällt auf den botanischen Garten und das aus einem ganz banalem Grund. Zu den heißen Quellen müssen wir bergauf, der Weg zu dem botanischen Garten beginnt eben.
Im Nieselregen machen wir uns auf den Weg am Flussufer entlang. Der Garten soll, laut Freddy, in einer halbe Gehstunde zu erreichen sein. Es ist einfach zu finden, der Weg ist angenehm und schneller als wir dachten, sind wir am botanischen Garten. Er ist sehr naturbelassen und wild gewachsen. Die schmalen Pfade führen an den verschiedensten Orchideen vorbei und die Feuchtigkeit tropft von den Blättern. Es ist ein kleiner Garten, aber er hat Charme und bei Sonnenschein, wenn die Blüten der Orchideen leuchten, muss es hier noch schöner sein. Neben dem Garten ist ein Museum über die Entdeckungsgeschichte des Machu Picchu und die Ausgrabungsarbeiten.
Nach einer kleinen Ruhepause machen wir uns auf den Rückweg nach Aguas Calientes. Das ist anstrengender als der Herweg. Das Gelände ist nicht eben, sondern hat ein geringes Gefälle. Dies wird uns bewusst als wir auf dem Rückweg sind. Es ist nur eine geringe Steigung, aber es geht stetig bergan. Wir sind nicht mehr alleine unterwegs, sondern werden von vielen Wanderern überholt und einige fragen uns wie weit es bis Agua Calientes ist. Sie kommen vom Machu Picchu und sind auf den letzten Metern des Inka Trails.
Nach dem langen Vormittag und dem Spaziergang haben wir bei unserer Ankunft in Aguas Calientes Hunger und machen uns auf die Suche nach einem Restaurant. Entlang der Bahnlinie reiht sich ein Lokal an das andere. Wir gehen einfach auf „Gut Glück“ in eines hinein und finden einen warmen Platz vor der offenen Feuerstelle. Die Wärme ist nach dem Aufenthalt im Nieselregen sehr angenehm und so langsam tauen wir wieder auf. Was gibt es denn zu essen? Beim Lesen der Speisekarte entdecke ich „Rocoto relleno“. Da ich dieses Gericht schon in Arequipa versuchen wollte ist die Entscheidung schnell gefällt und die Bestellung aufgegeben. Es dauert eine Weile bis wir unser Essen bekommen, aber das Warten hat sich gelohnt. Rocoto relleno ist eine sehr scharfe Paprikasorte gefüllt mit pikant gewürztem Hackfleisch. Absolut lecker!
Nachdem wir gesättigt und gestärkt sind machen wir unsere weiteren Pläne. Machen wir im Hotel eine Siesta oder gehen wir zu den bekannten heißen Quellen? Edith ist für Siesta, sie wird jedoch von mir überstimmt und wir machen uns auf den steilen Weg bergan zu den Thermalbädern. Es geht höher und höher, kaum zu glauben wie groß Aguas Calientes sein kann. Zwischendurch legen wir eine kleine Pause ein, indem wir Ansichtskarten und die entsprechenden Briefmarken in einem der vielen Geschäfte kaufen. Die junge Frau bietet dafür auch einen guten Kundenservice, die Karten werden direkt vor Ort frankiert. Ausgiebig und mit Andacht beleckt sie Marke für Marke und klebt sie sorgfältig an den dafür bestimmten Platz.
Wir sind in der Wartezeit wieder etwas zu Atem gekommen. Nun geht es weiter, immer bergan. Bei unserem „Anstieg“ erreichen wir einen kleinen Platz mit dem Denkmal eines Inkas in Siegerposition und eine Touristin hat sich zu seinen Füßen zur Meditation niedergelassen. In Lotusstellung sitzt sie da und bemerkt nicht, dass so manch einer gerne den Inka fotografieren würde. Allerdings nicht mit ihr im Vordergrund! Einer energischen Dame wird das Warten aufs Meditations-Ende zu lange und sie beendet diese Zeremonie mit einem Tippen auf die Schulter der versunkenen Urlauberin. Jetzt ist die Bahn frei und einer nach dem anderen kann seine Bilder knipsen, auch wir haben uns in die Schlange eingereiht.
Ob es noch weit ist bis zu den Thermalbädern? Wir gehen ein Stück weiter und ich habe das Gefühl der Weg wird immer steiler. Dann kommt endlich der Eingang in Sicht. Ein eisernes Gittertor mit Fotos der Badeanstalt und den Eintrittspreisen. Sollen wir reingehen? Dann müssen wir jedoch erst ins Hotel, denn dort sind unsere Badeanzüge. Noch mal den Berg hoch? Der anhaltende Nieselregen animiert nicht dazu in ein Bad zu gehen, auch wenn es sich um heiße Quellen handelt. Wir hatten gehofft, dass es hier oben mehr als nur den Eingang zu sehen gibt.
Jetzt haben wir jedoch einen großen Vorteil, es geht bergab! Wir gehen durch eine schmale Gasse die parallel zur Hauptstraße verläuft und schauen unterwegs in Souvenirshops, Buchläden und lesen die Speisekarten der vielen Restaurants. In einem der Lokale gibt es nicht nur zu essen und zu trinken, sie bieten auch eine Inka-Massage an. In einem Restaurant? „Nein, natürlich nicht“ bekommen wir erklärt „das ist ein Stockwerk über uns, da gibt es ein Massagesalon“. Der Massagesalon hat keinen eigenen Eingang, der Zutritt geht nur über eine Treppe im hinteren Bereich des Lokals. Was ist wohl eine Inka-Massage? Wir gehen hinauf und fragen nach, denn eine Massage wäre doch besser als Siesta im Hotel. „Eine Inka- Massage ist Akupressur gemischt mit normaler Massage. Es wird der ganzen Körper massiert und die Behandlung dauert etwa eine Stunde“, bekommen wir von einem netten jungen Mann erklärt. Das hört sich doch gut an, genau das machen wir! Es gibt zwei Kabinen, Edith wird von einer jungen Frau massiert und ich von dem jungen Mann. Er macht das ausgezeichnet, die Massage ist gut geeignet für Sportler oder Treckingteilnehmer. Doch auch uns bekommt sie gut und nach dem sportlichen Aufstieg zu den Thermalquellen ist dies genau das Richtige. Er massiert mich nicht nur, sondern streckt und zieht an meinen Beinen, klappt sie nach oben- autsch! – und massiert dann noch mal. Nach Ablauf der Stunde fühlen wir uns wie neugeboren und steigen mit federndem Schritt die Treppe hinab. Der Weg zum Hotel geht sich jetzt viel leichter, schon nach kurzer Zeit sind wir in unserem Zimmer und holen die versäumte Siesta nach.
Es ist herrscht schon Dunkelheit als mich das Telefon weckt. Der Koch ist am anderen Ende und möchte gerne wissen wann und was wir essen möchten. Ob uns sieben Uhr recht sei, ist seine Frage.
„Ja, das ist uns recht“ sage ich etwas verschlafen und schaue auf meine Uhr. In einer halben Stunde? Na gut,kein Problem. Möchten wir eine Suppe? Rindersteak oder lieber Huhn? Oder wollen wir das erst später entscheiden? Ja, bitte später. Danke!
Auch Edith ist inzwischen wach und wir stehen langsam auf. Wenn der Koch uns schon anruft, wollen wir pünktlich zum essen gehen. Kurz vor sieben klingelt das Telefon. Es ist die Rezeption um mir mitzuteilen, dass eine Señora auf mich wartet. Auf mich? Wer kennt mich denn in Aquas Calientes? Es ist unsere Reiseleitung für morgen und sie möchte mit mir noch einige Einzelheiten betreffs unseres Ausflugs zum Machu Picchu besprechen. Wir bestätigen nochmals die Abholzeit und sie nimmt unsere Bustickets mit. Auf diese Weise kann sie uns mit dem Bus direkt am Hotel abholen und wir brauchen nicht bergan bis zur Haltestelle zu gehen. Dafür ist sie extra noch abends bei Nieselregen zu uns gekommen? „Muchas gracias“ kann ich da nur sagen, das ist wirklich sehr aufmerksam von ihr.
Als sie gegangen ist steht der Koch und zwei andere Angestellt des Hotels schon erwartungsvoll da. Ein Tisch ist für zwei Personen gedeckt und ob wir nun wissen was wir essen möchten. Wir sind die einzigen Gäste des Restaurants und die Küche wird nur für uns geöffnet. Deshalb wollte der Koch natürlich auch wissen wann wir kommen. Bitte nicht zu spät, denn im Anschluss hat er Feierabend :-). Wir entscheiden uns für das Rindersteak und die gesamte Crew, einschließlich der Rezeption, ist um unser Wohlergehen bemüht. Das Öffnen der Weinflasche ist ein wenig problematisch: wer hat denn den Korkenzieher verlegt? In irgendeiner Schublade wird jedoch einer der Kellner fündig und mit einem fröhlichen „plop“ kann die Flasche entkorkt werden. Das Steak ist nicht schlecht, aber mit Rocoto relleno zum Mittagessen hat es einen nicht zu schlagenden Konkurrent. Dem Koch verraten wir das natürlich nicht, denn er gibt sich wirklich Mühe uns gut zu bewirten. Beim Aufräumen der Küche bekommt er noch Hilfe von seinem Kollegen an der Rezeption und danach hat er seinen wohlverdienten Feierabend. An der Rezeption hat inzwischen ein Personalwechsel stattgefunden und so langsam kommt bei uns von neuem Müdigkeit auf. Auf gut massierten Beinen gehen wir die Treppe zu unserem Zimmer hinauf, fallen sofort in unsere Betten und sind kurz darauf eingeschlafen.
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