Reise in die Antarktis und Südgeorgien: Unterwegs zu den letzten Tierparadiesen
Die Antarktis: Land der Extreme
Eine Reise in die Antarktis ist der Traum jedes Naturliebhabers. Der antarktische Kontinent ist eine Aneinanderreihung von Superlativen, die ihres gleichen suchen. Wenn man seinen Weg durch das Treibeis macht, beginnt man, die Grandiosität der spektakulären antarktischen Landschaft zu würdigen. Unzählige Gletscher prägen das Bild, überall weiß leuchtende Eisberge, azurblaue eisbedeckte Berge, einige der größten Vögelkolonien weltweit. Das Auge kann sich von lauter Naturschönheiten kaum satt sehen. Die Antarktis macht der Besucher sprachlos mit ihren atemberaubenden Eisformationen, spektakulären Passagen und einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt. Aber auch Stürme, Nebel und gewaltige Wassermassen zeichnen die Antarktis aus. Es ist ein Land der Kontraste und der Extreme.
Das üppige Südpolarmeer
Auch wenn der antarktische Kontinent so lebensfeindlich erscheint, wimmelt es hier nur vom Leben. Der Grund? Das Südpolarmeer, 2000 in südlichen Ozean umbenannt, ist ausgesprochen nahrungsreich und bietet ganzjährig einen üppig gedeckten Tisch für alle Antarktisbewohner. Millionen Pinguine, Wale, Robben und Seevögel finden hier alles was sie zum Leben brauchen: Krill heißt hier das Zauberwort. Diese garnelenartigen Lebewesen verbreiten sich im Winter sehr großflächig, und tendieren im Sommer immense Schwärme zu bilden, die bis eine Milliarde Tierchen zählen können. Der Reichtum an Krill zieht jedes Jahr Hunderte Buckelwale an, die Tausende Kilometer von ihren Paarungs- und Aufzuchtsrevieren in den tropischen Meeren zurücklegen, um sich hier die Bäuche voll zu stopfen. Krill selbst ernährt sich von Plankton, der aus dem Wasser gefiltert wird.
Die Vögel im Frack
Inmitten der erbarmungslosen Kälte des antarktischen Winters, verschwindet das Leben unter der vereisten Meeresoberfläche. Der antarktische Winter: Ein Monat völliger Dunkelheit. Bei eisigen Temperaturen von minus 70 Grad, bei der sogar die Vorstellung danach erfriert, sind es nur wenige tapfere Lebewesen, die an Land bleiben. Der Kaiserpinguin, der mit 130 cm größte Pinguinart, ist einer dieser raren Auserwählten. Den sturmartigen Windböen ausgesetzt bringen sich die Kaiserpinguinmännchen eng zusammen, um gegen die bittere Kälte besser gerüstet zu sein. Der enge Zusammenhalt in der Gruppe bedeutet für sie schlicht einfach den Schlüssel zum Überleben. Die Bewegung des Haufens ist nicht zufällig. Die immer kreisende Bewegung zieht die am Rand der Gruppe stehenden Pinguine ins Zentrum und daher in die ersehnte Wärme. Damit bekommt jeder Gruppenmitglieder seinen Anteil an Wärme in der Mitte. In der ewigen Nacht des antarktischen Winters leuchtet im Himmel das Polarlicht. Erst wenn die ersten schwanen Sonnenstrahlen, den Frühlingsbeginn ankündigen, löst sich der Pinguinhaufen allmählich auf. Ungeduldig warten die Männchen, die seit 115 Tage nichts mehr gefressen haben, auf die Rückkehr der Weibchen, die sie endlich auflösen.
In nördlich gelegenen Breitengraden tummeln sich Königspinguine in immensen Kolonien. Der antarktische Kontinent ist die Heimat von zwei Millionen Königspinguinen, hier auf Südgeorgien gibt es die allergrößte Kolonie dieser Pinguingattung und zählt die 600.000 Exemplare. Die gigantischen Kolonien Südgeorgiens beherbergen Tiere jedes Alters, von fast neugeborenen Kücken hin bis zu völlig ausgewachsene. Der Aufzug der Kücken dauert ganz 12 Monate mit dem Ergebnis, die Königspinguine können sich meisten nur einmal jede zwei Jahre fortpflanzen. In der Kolonie ist es hals laut. Die in großen Kinderkrippen von bis zu 50,000 Jungtieren versammelten Kücken warten ungeduldig auf die Rückkehr ihrer Eltern, die die meiste Zeit auf hoher See auf Nahrungssuche verbringen. Jedes der Jungtiere wird im Laufe des Winters im Durchschnitt nur dreimal gefüttert, kein Wunder, dass sie so hungrig sind. Das eigene Kind inmitten dieser Tiermasse an der Stimme zu erkennen ist eine zeitraubende Aufgabe sein, die mehrere Stunden beanspruchen kann. Wenn Eltern und Kinder schließlich auf einander treffen begrüßen sie sich mit wärmenden Herzigkeit. Die lang ersehnte Mahlzeit ist da und wird direkt in den Rachen des bettelnden Kückens hochgewürgt.
Südgeorgien: Das vereiste Paradies
Türkis schneebedeckten Berggipfel, die bis 3000 Meter direkt aus dem Meer hochragen, vergletscherte Berghänge, eine Silhouette wie aus dem Bilderbuch. Südgeorgien, eine von der Zivilisation vergessene britische Siedlung im antarktischen Ozean ist für viele der Inbegriff der Antarktis und der Höhepunkt ihrer Reise in die kalten Gefilde dieser Erde.
Historisch spielt diese abgelegene Insel, die sich drei Tagesfahrt von den Falkland Inseln im Westen befindet, eine bedeutende Rolle: Noch heute sind die von Walfängern und Entdeckern hinterlassenen Spuren im Ort Grytviken deutlich spürbar. Auch Sir Ernest Shackleton fand hier seine letzte Ruhe oberhalb der Bucht. Shackleton nahm sich 1907 vor, als Erster den Südpol zu erreichen. Shackletons Schiff „Endurance“, auf Deutsch Durchhaltevermögen errichte allerdings nicht einmal das antarktische Festland, sondern blieb im Januar 1915 im Packeis des Wedellmeeres stecken. Im Mai geht für drei Monate die Sonne unter, Temperaturen bis minus 26 Grad. Das anbrechende Frühjahr bringt das Eis in Bewegung, die Endurance droht unter dem Druck der Eisschollen zu zerbersten, was das Schiff in Oktober 1915 auch tat. Nachdem Shackleton in einer langwierigen, dramatischen Aktion Hilfe geholt hatte, wurden alle Teilnehmer im August 1916 gerettet.
Die Harems der Seeelefanten
An den Stränden von Südgeorgien ist es eng. Seit Jahren nimmt der Bestand der Seeelefanten laufend zu. Allein eine Kolonie kann 8.000 Exemplare beherbergen. Paarungswillige Männchen kämpfen sich ihr Revier und die Gnade der Weibchen auf brutaler Weise. Ein voll ausgewachsenes Männchen kann ein Gewicht von ca. 3 Tonnen erreichen. Dominante Männchen können ein Harem von ca. 100 Weibchen auftreiben und sein Recht, sich mit jeder einzelnen dieser Weibchen zu paaren, gegen mögliche Rivalen erbittert durchsetzen. Die tieftonigen Rufe der Herren des Strandes sind überall zu hören. Sie sind als Warnsignal zu verstehen, um mögliche Rivale fernzuhalten. Hartnäckige Herausforderungen können nur mit Gewalt gelöst werden. Dabei werden die spitzen Zähne als Waffe eingesetzt, die gefährlichen Wunden zuzufügen können. Weibchen, die gerade ihre neugeborenen Babys geworfen haben, haben drei Wochen Zeit, um ihre hilfslosen und mageren Jungtiere in einen kleinen prallen Specksack zu verwandeln. Gerade die kleinen Babies laufen in Gefahr, von den rücksichtlosen Bullen erdrückt zu werden. Auch Menschen begehen ein Lebensrisiko, wenn sie während der Haremszeit ans Land gehen. Oftmals das Anlanden aufgrund der aggressiven Bullen fast unmöglich.
Die Antarktis und die Menschen
Der antarktische Kontinent erfreut sich nicht nur bei Tieren über großer Beliebtheit. Die einzigartige praktisch unberührte Wildnis zieht jedes Jahr immer mehr Reisende in Ihren Bann. Die Antarktisch erlebt einen regelrechten Tourismus-Boom zur Freude Reedereien und Reiseveranstaltern. Während des kurzen Sommers von November bis März verkehren Schiffe aller Art, von Segelschiffen, über Eisbrecher hin zu Großschiffen mit Kapazität bis 300 Passagieren auf den stürmischen Gewässern des Südpolarmeeres auf der Suche nach Abenteuer und fantastischen Naturerlebnissen. Während die Zahl der Besucher vor 17 Jahren deutlich unter der 10.000-Grenze lag, betraten 2010 mehr als 45.000 Menschen den antarktischen Boden. Diese Entwicklung ist mit großem Argwohn zu sehen, denn nicht nur die Klimaerwärmung, auch der steigende Druck der Besucherzahlen droht, das sensible Polarökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen. Beim 50-Jubileum des Antarktis-Vertrages, die am 17.04.09 in Baltimore (USA) zu ende ging, verpflichteten sich die 28 Mietgliedstaaten des Vertrags zu einem besseren Schutz des sechsten Kontinents. Die Kapazität der Kreuzfahrtschiffe wurde auf höchstens 500 Passagiere begrenzt. Maximal 100 Passagiere gleichzeitig würden ans Land gelassen. Aber Kreuzfahrtsschiffe mit 500 Gästen und 100 Menschen pro Anlandung sind bereits eine erhebliche Belastung für die wenigen eisfreien Stellen, die auch der bevorzugte Lebensraum von Tieren und Pflanzen sind. Störung von brütenden Tieren und Schäden der Flora haben allerdings im sensiblen Ökosystem der kalten Welt besonders verheerende Wirkungen und können in der antarktischen Landschaft mit ihrer sensiblen Flechten- und Moosvegetation durchaus zur ernsthaften Bedrohung werden.
Wie Gerald Leape von der amerikanischen Pew- Umweltschutzgruppe sagte: „Die Antarktis zu besuchen, sollte ein Privileg sein und kein Recht“. Andererseits lauern die Gefahren der menschlichen Habgier. In Zeiten von Ölknappheit sind die großen Wirtsaftsmächte dieser Welt so scharf auf Bodenschätze wie sonst nie und der antarktische Boden ist reich daran. 45 Milliarden Barrel Erdöl, 115 Billionen Kubikmeter Erdgas, Kohle, Titan-, Chrom-, Eisen-, Kupfererz sowie Gold und Platin wurden hier gefunden. Der Antarktisvertrag verbietet jedoch bisher die wirtschaftliche Nutzung der Antarktis. Dieser Vertrag läuft aber 2041 aus. Hier, wie auch anderswo, könnte sich ein strikt kontrollierter Tourismus als Gegengewicht gegen die ökonomischen Interessen erweisen.
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