Reisen in Simbabwe: Der Tierwelt des Hwange Nationalpark zu Fuß begegnen.
Tag 7 13. März
Ungewohnte Helligkeit weckte mich als der Mond in das Zelt schien. Am Abend war der Himmel nicht klar gewesen, daher schien es jetzt ein gutes Omen zu sein, dass sich die Wolken verzogen hatten. Es war still, nur das Flattern der Fledermäuse war zu hören, als sie zwischen Grasdach und Zelt jagten.
Nach einem verschlafenen Blick auf die Uhr drehte ich mich noch einmal um und schlief fest bis ich Andys Wecker hörte. Der Himmel war wieder teilweise bewölkt, aber die Wolken hingen nicht so tief wie am Vortag und sie ließen auch hier und da einmal etwas blauen Himmel durchschimmern.
Für unseren letzten Tag inmitten der Tierwelt des Hwange Nationalpark hatten wir wieder einen ganzen Tag unterwegs geplant, mit Mittagessen im Busch. Andy schlug vor, auf der Rückseite von Mandavu Dam ein Stück zu laufen, dann Pause zu machen und vom Rastplatz am Mandavu Dam aus eventuell noch einmal eine Runde zu Fuß zu drehen.
Das klang wie ein sehr guter Plan, also machten wir uns nach dem üblichen, ausgiebigen Frühstück auf den Weg. Wir fuhren nur bis zum Shumba-Wasserloch und hielten dort an, um ein Pärchen Kronenkraniche zu beobachten. Sie standen auf den Ästen eines toten Baumes und genossen die Wärme der ersten Sonnenstrahlen. Es sind wunderschöne Vögel mit grau-weiß-braunem Gefieder, hell-braunen Kronen und grell-roten Flecken am Hals. Wir sahen uns die Kraniche in Ruhe an und fuhren dann langsam weiter. Das war schon einmal ein toller Start in den Tag.
Wiederum wurde das Wetter immer besser je weiter wir in Richtung Mandavu fuhren. Der Mond, weiß gegen den blauen Himmel, ging unter als wir fast Masuma Dam erreicht hatten. Wir benutzten die „Örtlichkeiten“ und ich gab dem Camp-Aufseher ein Taschenbuch, das ich ausgelesen hatte. Dann fuhren wir weiter Richtung Sinamatela Camp und bogen auf einen kleinen, kaum sichtbaren Weg ab, der zur Rückseite des Sees führte.
Ein paar Mal hielten wir an und schauten uns um, der Busch war dicht und grün. Hauptsächlich Mopane-Bäume wuchsen hier, teils von den Elefanten angefressen, so dass sie aussahen wie kleine Sträucher.
In der Nähe eines steinigen Hügels hielt Andy und wir nahmen die Rucksäcke auf die Schultern. Andys Plan war es, auf den Hügel zu klettern und von dort hoffentlich eine gute Sicht ins Land zu haben.
Wie immer wenn wir zu Fuß auf Safari starteten, gingen wir im Gänsemarsch, Andy vorneweg, Ich im Abstand von ein paar Schritten hinterher und Norman hinter mir. Wir verhielten uns so still wie möglich und ich ging so wie Andy es mir beigebracht hatte: Immer kurz zu Boden sehen und auf Hindernisse achten, dann wieder auf die Umgebung schauen.
Eine ganze Weile wanderten wir so dahin, es war ein heißer Tag und wir begannen zu schwitzen. Dann fuhren Andy und ich schier aus der Haut vor Schreck, weil hinter uns ein lautes Quietschen ertönte. Norman stand mit hoch-rotem Kopf da, hatte seine metallene Wasserflasche in der Hand und versuchte, sie leise auf zu schrauben. Der Verschluss quietschte wieder erbärmlich. Trotzdem, trinken mussten wir alle und nun da wir den Urheber des Geräusches kannten, brachte es uns höchstens noch zum Lachen.
Ein paar Minuten später blieben wir wie angewurzelt stehen und lauschten. Diesmal war es ein Poltern, das wir gehört hatten, als wenn jemand auf den harten Boden einen Stein losgetreten hätte. Das hatte aber keiner von uns getan. Das Geräusch kam aus der Gegend, auf die wir zu gingen. Wir warteten, unbeweglich, dann hörten wir noch einmal einen ähnlichen Laut, aber aus einer etwas anderen Richtung. Nach einem weiteren Moment Geduld, hörten wir ein Blöken, ähnlich wie das eine Kalbes. Andy grinste. „Eine Büffelherde!“ Flüsterte er.
Dann gab er das Zeichen weiter zu gehen und ganz langsam und leise folgten wir ihm. Andy nutzte sämtliche Bäume und Sträucher zur Deckung. Immer wieder trat einer der Büffel einen Stein los, raschelte durch das Gebüsch oder bölkte vor sich hin. Es musste eine riesige Herde sein, denn die Laute kamen aus sehr vielen verschiedenen Richtungen und Entfernungen.
Wir gaben uns große Mühe, selbst keine Geräusche zu verursachen, flüsterten wenn wir etwas sagen mussten oder benutzten Handzeichen. Auch versuchten wir, uns so leise wie möglich zu bewegen, nicht auf knackende Äste oder raschelndes Laub zu treten oder Steinchen unter der Stiefelsohle knirschen zu lassen. Immer wieder prüfte Andy mit einer handvoll feinen Staubes die Windrichtung und korrigierte wenn nötig unseren Kurs. Unser Ziel war es schließlich, die Tiere zu beobachten, ohne dass sie auf uns aufmerksam wurden.
Ich weiß nicht wie lange wir uns immer wieder ein paar Schritte vorwärts bewegt haben, dann stehen blieben, um zu lauschen. Besonders aufregend war der Moment, als Andy wieder eine Prise Staub in die Luft warf und genau beobachtete, in welche Richtung er flog. Der Wind blies genau auf uns zu und plötzlich konnte ich die Büffel riechen. Es umwehte uns ein leiser Duft, warm und ähnlich wie Kühe auf der Weide. Wieder grinsten wir uns alle an, aufgeregt, begeistert, und auf unser Ziel konzentriert.
Nun ging es noch langsamer weiter. Andy spähte hinter jedem Busch vorsichtig hervor, erst dann gab er uns das Zeichen, ihm zu folgen. Ein paar Büsche später flüsterte Andy uns zu, wir sollten warten, er würde nachsehen wo die Büffel seien und würde dann kommen und uns holen.
Wir verloren ihn gar nicht aus den Augen bevor er umkehrte und uns sagte, wir sollten nun ganz leise und vorsichtig mit ihm kommen. Außerdem sollten wir uns hinter den relativ kleinen Büschen ducken. Tief gebückt und sehr langsam näherten wir uns dem Busch, hinter dem wir uns verstecken sollten. Ganz vorsichtig schauten wir hinter dem Busch hervor. Wir hatten es geschafft! Die Büffel zogen gemächlich vom See fort, wahrscheinlich war die ganze Herde zum Trinken dort gewesen, und nun bewegten sie sich grasend wieder zurück in den Busch. Wir konnten gar nicht sehen wie viele Tiere es waren, weil die Vegetation so dicht war. Aber überall vor uns sowie rechts und links von uns waren die Tiere zu hören.
Während wir zusahen wanderten mehrere Kühe an uns vorbei, dann kam ein großer Bulle. Er blieb bei einem der Mopane-Sträucher stehen und begann genüsslich daran zu knabbern. Ich sah Andy fragend an. Jeder, der sich im Busch auskennt erzählt einem immer wieder, dass Büffel ausschließlich Gras fressen und niemals Blätter. Anscheinend war dieser Bulle bereit, für ein paar frische Mopane-Blätter eine Ausnahme zu machen. Sehr lange verbrachten wir hinter unserem Busch und beobachteten die massigen schwarzen Büffel mit ihren schokoladen-braunen Kälbern.
Es ist eines der größten Erfolgserlebnisse wenn man sich im Busch einem Tier so weit nähern kann, ohne bemerkt zu werden, geschweige denn einer ganzen riesigen Herde! Was noch besser war, war dass wir es auch geschafft haben, uns wieder zurück zu ziehen, ohne dass die Tiere etwas von unserer Anwesenheit wussten.
Begeistert und voller Adrenalin von unserem Erfolgserlebnis machten wir uns auf den Weg zum Auto. Dort angekommen war es eigentlich auch schon Zeit fürs Mittagessen. Wir fuhren aber noch ein Stück, bis wir einen dicht belaubten Baum fanden, der uns kühlen Schatten spendete. Wir machten Pause und tauschten unsere Eindrücke aus. Andy fischte in der Kiste umher, irgend etwas fehlte ihm noch zum Essen. Triumphierend erhob er die Hand und zeigte mir ein kleines Glas mit giftig-grünem Inhalt. Es waren Perlzwiebeln, die er offenbar sehr gern aß. Bei dem Anblick der giftgrünen Kügelchen grauste es mir, aber mir kam auch eine fiese Idee. Andy trank gern eine Limonade Namens Twist, die genau so schauerlich grün war … Am Abend würde ich ihm dann einen unvergesslichen Drink servieren, mit Zwiebeln anstatt Oliven, „geschüttelt, nicht gerührt“. Als Andy mal kurz einen dichten Busch aufsuchte, weihte ich Norman in meinen Plan ein. Er grinste und räumte das Glas vorsichtig wieder in die Kiste.
Nach dem Essen lehnten wir uns alle an einen Baum und dösten in der herrlichen Wärme. Danach machten wir uns wieder mit dem Auto auf den Weg zum Picknickplatz am Mandavu See. Dort stellten wir den Wagen ab und gingen zu Fuß los. Wo wir vormittags damit beschäftigt gewesen waren, Steine und Zweige zu vermeiden, so hatten wir jetzt zu tun, dass wir nicht ständig im Schlamm versanken. Mit den vielen Giraffen, denen wir begegneten, hatten wir natürlich nicht den Erfolg, wie mit den Büffeln. Wer so hoch über allem steht, wie eine Giraffe, bemerkt natürlich alles gleich, und an den lässt es sich nur sehr schwer heranpirschen, zumal wenn die Stiefel öfter mal quatschende und saugende Geräusche im Matsch machen.
Trotzdem hielten uns die Tiere anscheinend nicht für besonders bedrohlich, denn sie ließen uns recht nah zu sich heran. So konnten wir nicht nur die Giraffen selbst, mit ihren eleganten langen Hälsen, ihren sanften braunen Augen und den unendlich langen Wimpern beobachten, sondern auch die Madenhacker-Vögel, die auf ihnen herum kletterten. Es handelt sich um Staren-ähnliche Vögel, die vielen verschiedenen Tierarten die Parasiten aus dem Fell und von der Haut fressen. Dabei bemerken die Vögel einen Feind oft eher, als ihre Wirtstiere und schlagen Alarm. Im afrikanischen Busch Madenhacker zu hören bedeutet einerseits oft, dass Tiere in der Nähe sind, andererseits aber auch, dass die Tiere schon gewarnt sind.
Von den Madenhackern aufgeschreckt, verschwand eine kleine Herde Zebras ziemlich schnell im Busch als wir uns näherten. Überall waren die riesigen, vierzehigen Spuren von Flusspferden im Schlamm zu sehen.
Auf dem Rückweg am See entlang beobachteten wir ein Krokodil, das nicht weit vom Ufer langsam durch das Wasser trieb. Wie ein alter Baumstamm sah es aus, wenn da nicht die oben auf dem Kopf angeordneten Augen gewesen wären, die sich bewegten.
In Shumba angekommen, holten wir uns wiederum kalte Getränke und fuhren zu einer Stelle, wo man schön den dramatischen Sonnenuntergang beobachten konnte. Es hatten sich im Westen wieder Wolken geballt und die Sonne glühte darunter hervor. Es war ein wunderbares Naturschauspiel, ein gebührender „Abschied“ für unseren letzten Abend.
Als Andy in der Dusche verschwand, wühlte ich im Kühlschrank nach einem seiner geliebten „Twists“. Zu meiner Enttäuschung war keiner mehr da und ich musste mir wohl einen neuen Plan ausdenken, als Vergeltung für den Gag mit dem Fernglas. Als ich das Norman erklärte, lachte er und griff in die Kiste, holte ein Glas grellroter Zwiebeln heraus und sagte, „Dann trinken wir eben heute Abend alle Guavensaft.“ Also schenkte ich schon einmal allen von dem roten Saft ein, nur in Andys Glas waren unten drin ein paar Zwiebeln und etwas von dem blutroten Essig.
Wir unterhielten uns alle sehr angeregt während des Essens und jedes Mal wenn Andy sein Glas skeptisch beäugte und bestimmt fragen wollte, ob unser Saft auch so merkwürdig schmeckte, stellten wir ihm eine neue Frage zu dem, was wir an dem Tag gesehen und erlebt hatten. So kam es, dass er von den roten Kugeln, die beim vorletzten Schluck auf ihn zu kullerten, völlig überrascht war und laut rief, „Bäh was ist denn das?!?“ Erst dann konnten Norman und ich uns endlich vor Lachen kringeln. Andy nahm es mit Humor, erkannte an, dass wir ihn gründlich erwischt hatten und aß die Zwiebeln auf.
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