Vom Marina Beach in Chennai nach Mamallapuram
Der zweite Tag meiner Reise durch Tamil Nadu in Indien! Zufrieden strecke ich mich noch einmal bevor ich aufstehe. Für heute habe ich ein Taxi gebucht und werde den ca. 60 km entfernten Ort Mamallapuram besuchen. Denn Madras- das heutige Chennai- hat mich bei meiner gestrigen Besichtigung nicht gerade begeistert. Es ist eine Geschäftsstadt, mit einem Hafen und Handel, aber touristische Highlights habe ich keine gefunden.
Pünktlich um 09ººh steht mein Taxi vor der Tür und es kann los gehen. Der Fahrer stellt sich vor als Kumar,öffnet mir höflich die Tür und kurz darauf sind wir im fliessenden Verkehr auf der Hauptstrasse.
„Mam, möchten sie zuerst zum Marina Beach?“ Macht sicher keinen Unterschied ob jetzt oder auf der Rückfahrt, oder? „Mam, jetzt ist noch nicht so heiss und so voll. Da ist alles noch sauber.“ Okay, machen wir eben unseren ersten Stopp am Marina Beach.
Der Marina Beach ist laut meinem Reiseführer eine der Attraktionen in Chennai. Er hat gesamt eine Länge von 13 km und misst an seiner breitesten Stelle 400 Meter. Der Strand zieht täglich hunderte von Menschen an, die an seiner Promenade flanieren und nahe am Wasser der schwülen Hitze der Stadt entkommen möchten. Besonders am Wochenende ist der Marina Beach ein beliebtes Ziel der Bewohner Chennais.
Der Strand ist durch den Bau des Hafens zwischen 1875 und 1905 nördlich der Cooum-Flussmündung entstanden. Durch die von Süden nach Norden führende Küstenströmung haben sich südlich des Hafens immer mehr Sedimente abgesetzt und den Strand gebildet. Der Prozess findet auch heute noch statt und bewirkt, dass der Strand jährlich um ca. 40 qcm anwächst.
Kumar findet einen Parkplatz am Nordende des Marina Beachs, wo sich auch die Grabdenkmäler zweier Politiker befinden. An den Denkmälern haben sich bereits einige Besucher eingefunden und ein junger Mann ist dabei den schwarzen Stein auf Hochglanz zu polieren. Auch der Boden ist frisch gefegt und die Promenade macht einen wirklich gepflegten Eindruck.
Und was gibt es dort? Ein Händler neben dem anderen hat hier in einer Holzbude sein Geschäft. Schmuck, Souvenirs, Getränke, Elektroartikel wie MP 3 Player und Handys sind ebenso zu bekommen wie aus Muscheln gefertigte Hausdekoration oder Luftballons. Direkt am Meer befinden sich die Fischbrat-Küchen. Die Händler sind noch dabei ihr Angebot auf Tellern auszulegen, zum Schutz gegen die Sonne ist eine gelbe Plastikplane gespannt. Was mag das für Fisch sein? Sieht aus wie grosse Sardinen! Der rohe Fisch wird mit einer roten Paste eingerieben und bei Bestellung frisch gegrillt.
Im Meer spielen einige Kinder und trotz der frühen Stunde sind schon sehr viele Besucher hier. Wie sieht das wohl am Wochenende um die Mittagszeit aus? So ist der Strand schön- nur leider ziemlich vermüllt. Überall liegen Platikbecher und Plastikflaschen herum und auch aus dem Meer wird einiger Abfall angetrieben. Schade! Doch ich hoffe, dass sich diese Dinge irgendwann einmal weltweit ändern. Hoffentlich sehr bald!
Langsam bummel ich noch ein wenig am Strand entlang und geniesse das bunte Treiben um mich herum. Doch jetzt wird es Zeit Kumar zu suchen. Ich werde doch den Parkplatz wieder finden?
Ich bin inzwischen ein ganzes Stück weiter südlich und gehe auf der Promenade wieder zurück. Hier wird unter anderem Fisch angeboten. Frauen haben ihre Ware auf dem Boden ausgebreitet und hoffen den Fisch noch vor der grossen Mittagshitze zu verkaufen. Ich vermute es sind Fischerfrauen, deren Männer mit den am Strand liegenden Booten nachts zum Fang auf das Meer fahren. Allerdings scheint es eine sehr kleine und magere Ausbeute zu sein. Vielleicht wurde der Grossteil ja auch schon verkauft? Ich kann es für diese Fischerfamilien nur hoffen.
Langsam wird die Promenade wieder etwas breiter und ich erreiche den Parkplatz, wo Kumar schon nach mir Ausschau hält.
Unser nächstes Ziel ist die St. Thomas-Kathedrale, die im 16. Jahrhundert errichtet wurde. Während der britischen Kolonialzeit wurde die Kirche abgerissen und durch den heutigen neugotischen Bau ersetzt. In der 2004 restaurierten Krypta soll sich das Grab des Apostel Thomas befinden. Laut meinem Reiseführer ist die St. Thomas-Kathedrale die eindruckvollste Kirche der Stadt. Ob sie wirklich mit den bunten Girlanden, Luftballons und den Lichterketten der St. Marys Kathedrale mithalten kann?
Auf jeden Fall ist die strahlend weiss getünchte Kirche sehr beeindruckend. Gebaut ist sie in der Form eines Kreuzes mit einem 64 Meter langen und 10 Meter breitem Hauptschiff. Der Kirchturm hat eine Höhe von 47 Metern.
Abgesehen von einem grossen Weihnachtsbaum vor dem Eingang ist die Kirche ohne bunte Weihnachtsdekoration. Nur ein kleinerer Baum und einige goldene Sterne weisen auf das kommende Fest hin.
Von einer genaueren Besichtigung sehe ich ab, da gerade ein Gottesdienst stattfindet. Muss ja nicht sein. Stattdessen gehe ich in das Souvenir-Geschäft auf der anderen Strassenseite. Hier findet man alles was es braucht um selbst eine Kirche zu eröffnen. Vom Weinkelch bis zur Monstranz ist hier alles zu erhalten. Verschiedene Darstellungen von Jesus Christus am Kreuz bis zu kleinen Engelchen mit Posaunen wird als Wandschmuck angeboten. Auch liturgische Gewänder können hier gekauft werden. Wer kauft das? Die Priester? Im Souvenirladen zwischen bunten Tassen und Ansichtkarten? Das hatte ich mir immer anders vorgestellt. Mit einem haus-eigenen Schneider oder so.
Hier ist auch ein kleines Buch mit Information über das Grab des Apostel Thomas. Laut diesem Buch ist der Apostel Thomas nach dem Tod Jesus Christus nach Indien gegangen und hat hier die Thomaschristen missioniert. Im Jahr 72 soll er auf dem nahegelegenen St. Thomas Berg den Märtyrertod erlitten haben und ist danach an der Stelle der heutigen Kathedrale beerdigt worden. Der Grossteil seiner Reliquien sollen heute im italienischen Ortona sein, doch die Grabstätte wird weiterhin hier in Chennai verehrt.
Mit der St. Thomas Katedrale haben wir fast das südliche Ende Chennais erreicht und die Fahrt geht nun ein wenig zügiger voran. Kumar bietet mir unterwegs einige weiter Stopps an, wie z.B. ein Filmstudio und ein Themenpark mit Riesenrutschen und einem Märchenschloss. Er scheint über meine mangelnde Begeisterung bezüglich des Themenparks ein wenig enttäuscht zu sein. Er hält vor dem Eingang und erklärt mir eindringlich was dies für ein toller Park ist. Trotzdem: nein danke! Ich möchte wirklich nicht! Nicht auf die Wasserrutsche und auch nicht zu der Go-Kart-Bahn. Ja, ich sehe es ein- wir Westler sind schon ein seltsames Völkchen!
Einige Kilometer weiter kommt eine weitere Attraktion. „Mam, very important! Must see!“
Was ist das? Ein Park? „No Mam! Das sind Höhlen mit Löwen!“ erklärt mir Kumar.
Merkwürdig, in meinem Reiseführer steht nichts davon. Aber wenn ich schon hier bin schaue ich es mir natürlich auch an. Ich bin ja gespannt.
Nach einem kurzen Spaziergang duch den Park stehe ich vor der Höhle des Löwen. Aus einem grossen Stein ist eine Grotte gearbeitet worden, die von steinernen Löwenköpfen umrahmt ist.
Knapp zehn Minuten später bin ich wieder am Auto wo mich ein strahlender Kumar erwartet. „Mam, hat es ihnen gefallen?“ Ähh- ja! Sehr interessant.
Wieso bloß hat er auf einen Stopp gedrängt? Das reißt doch eigentlich keinen vom Hocker! Oder hatte er vielleicht etwas dringendes zu erledigen und wollte das nicht sagen?
Vielleicht fehlt mir ja auch das nötige Hintergrundwissen über die Löwen in Stein?
Wie ich später lese, handelt es sich um das Höhlenheiligtum „Tiger Cave“. Aber man kann ja nicht alles wissen. Und wieso heisst das „Tiger Höhlen“?
Kurz darauf erreichen wir unsere Ziel. Mamallapuram war einst eine weltoffene und wichtige Handelsstadt der Pallavas. Heute ist der Ort unter anderem bekannt für seine Höhlentempeln und einem grossen Fels, der mit einem Relief bedeckt ist.
Dieses Relief ist die erste Sehenswürdigkeit zu der Kumar mich bringt. Das Flachrelief aus dem 7. Jahrhundert ist 12 Meter hoch und 33 Meter breit. Dargestellt ist die Herabkunft der Göttin Ganga, die als der heilige Fluss Ganges zur Erde kommt. Da sie jedoch zu viel Wasser bringt und damit die Erde überschwemmen würde steigt Gott Shiva zur Erde hinab und lässt ihr Wasser langsam durch seine Haare fliessen. Die Abbildung Shivas befindet sich in dem Spalt zwischen den beiden Felsen.
Das Relief ist bedeckt mit weiteren menschlichen und tierischen Abbildungen. Doch wer kennt schon die indische Mythologie so gut, um all dies deuten zu können. Ich jedenfalls nicht! Vermutlich können das selbst die indischen Besucher nicht alle. Interessant finde ich noch die Katze, die von Mäusen umtanzt wird. Und der absolute Blickfang sind natürlich die beiden Elefanten. Ein anscheinendes „muss“ als Foto-Hintergrund für Besucher.
Ich gehe noch eine Weile durch die Anlage, besichtige die Höhlentempel und lasse mich von indischen Handys ablichten. Manche fotografieren mich versteckt, andere fragen ob sie ein Bild von mir machen können. Oder mit mir, oft als Gruppenbild mit Frauen und Kindern. Bei meinen ersten Reisen in Indien habe ich immer zurück-fotografiert. Inzwischen habe ich jedoch sehr viele Bilder von fremden Frauen in Saris und Kindern die fröhlich und unbeschwert in die Kamara lächeln.
Ein absoluter Besucher- Magnet ist ein grosser Felsenbrocken, der beängstigend schief auf einem Stein liegt. In seinem Schatten sitzen und spielen Kinder oder benutzen den glatten Abhang als Rutschbahn. Ich habe das Gefühl, das Interesse an diesem Stein ist grösser als an dem Relief oder den Tempeln. Selbst eine Gruppe Pilger in roter Kleidung verbringt den Grossteil ihrer Zeit an diesem Platz.
Kumar hält schon Ausschau nach mir als ich zurück zum Auto komme. „Mam, es ist bereits mittag. Möchten sie etwas essen gehen?“ Schon so spät? Tatsächlich! Es ist bereits 14ººh und nach dem Blick auf die Uhr bekomme ich auch ein leichtes Hungergefühl. Wo kann man hier denn gut essen? „Mam, ich kenne ein gutes Hotel. Da gibt es ein internationales Buffet und alle Reisebusse mit Ausländern fahren dorthin.“ Ja, dankeschön! Genau das möchte ich wirklich nicht.
Die indische Küche schmeckt mir hervorragend, ich brauche wirklich kein internationales Buffet. Nun ist Kumar ein wenig verunsichert. Welches Lokal kann er einer ausländischen Frau empfehlen? „Es gibt ein Restaurant wo viele Familien hingehen“ erklärt er mir wenig enthusiatisch. Kumar führt mich zu einem Lokal an der Hauptstrasse. Es ist laut und voll, die Ventilatoren an der Decke surren und vermischen die warme Mittagstemperatur mit dem Duft nach indischen Gewürzen und Stimmengewirr. Die Gäste sitzen an langen Tischen und Kellner eilen mit vollen Tellern durch den Raum.
Ich bestelle mit etwas zu trinken und einen Teller mit vegetarischem gebackenem Reis. Das Lokal ist genau das richtige und das Essen schmeckt hervorragend. Einen Löffel habe ich auch bekommen, dank meinem Sonderstatus als Ausländerin, die noch nicht mal ordentlich mit den Fingern essen kann.
Kumar ist froh und erleichtert, dass seine Restaurantempfehlung richtig war. Er lächelt gleich wieder etwas selbstbewusster. „You like India!?!“ kommt sein Kommentar so halb als Frage und halb als Feststellung.
Unser nächstes Ziel sind die fünf Rathas, die ein wenig ausserhalb des Ortzentrums liegen.
Ein Ratha ist ein hinduistischer Tempel der in Form eines Prozessionswagens gebaut ist.
Hier in Mamallapuram stehen fünf solcher aus Stein gehauener Tempel, wobei jeder der Rathas verschieden ist. Der Hauptanziehungspunkt ist jedoch für fast alle Besucher die beiden Steinskulpturen, eine in Form eines Elefanten und die andere stellt einen Löwen dar.
Ein weiteres Monument in Mammallapuram ist der Küstentempel, der sich direkt am Strand befindet. Er ist einer der ältesten Steintempel in Südindien und stammt aus dem 8. Jahrhundert. Der Tempel ist jedoch nur von außen zu besichtigen.
Er ist der einzige erhalten gebliebene aus einem Tempel-Komplex, der sich über 10 km an der Küste entlang gezogen hat. Nur dieser der einst sieben Tempel hat die Zeit mit Wind und Wellen überdauert. Unter der Regierung von Indira Gandhi wurde eine Einfriedung und Wellenbrecher aus Felsbrocken angebracht. Dank diesem Schutz konnte der 12 jahrhundert-alte Tempel den Tsunami im Jahre 2004 überstehen.
Vom Rande der Einfriedung habe ich einen schönen Blick auf den Ort und den Strand von Mamallapuram. Malerische bunte Häuser, direkt am Strand und davor die Fischerboote. An einigen der Häuser erkenne ich die Schriftzeichen „Guesthouse“. Hier lassen sich sicher sehr erholsame Urlaubstage verbringen.
Doch zunächst geht es wieder zurück nach Chennai und ich mache mich auf den Weg zum Auto. Kumar ist ein ruhiger und besonnener Fahrer und entspannt lehne ich mich zurück. Es ist die gleiche Strecke wie heute morgen, doch auf indischen Strassen gibt es immer etwas zu sehen. So vergeht die Fahrzeit wie im Fluge und schon haben wir den Stadtrand von Chennai erreicht.
Hier steht noch eine Sehenswürdigkeit auf meinem heutigen Programm, das Vivekananda-House. Benannt ist es nach dem indischen Philosoph Vivekananda der Ende des 19. Jahrhunderts hier lebte. Zuvor war das Haus bekannt als das „Eishaus“. In diesem Gebäude wurden riesige Eisblöcke gelagert, die per Schiff von Nordamerika hierher transportiert wurden. Zur Isolation hat man die Eisblöcke damals in Sägemehl eingelegt. Meine Güte, wie lange waren die Eisblöcke unterwegs? Doch darüber wird hier nicht berichtet. Die Besichtigung des Hauses dauert nicht allzu lange, am meisten interessiert mich noch die Abteilung über Handlesen. Die Palme der Hand! Es gibt hier in Südindien das so genannte Palmblatt-lesen. Da soll in einer Bücherei, auch hier in Chennai, altes Wissen auf Palmblättern in Sanskrit niedergeschrieben sein. Und wer möchte kann sich dort anhand dieser Palmblätter ein Horoskop erstellen lassen. Ob da evtuell eine Verbindung mit der Hand-Palme besteht?
Ich habe vor, auf meiner Reise durch Tamil Nadu eine dieser Bibliotheken zu finden und zu schauen, was es mit der Palmblatt-Bibliothek auf sich hat. Aber nicht mehr heute, jetzt lasse ich mich nur noch von Kumar ins Hotel fahren.
Als wir dort ankommen ist es bereits dunkel. Ich bestelle mir in der Cafeteria eine kleine Mahlzeit und danach schaffe ich es gerade noch meinen Koffer zu packen. Denn morgen soll es weiter nach Pondicherry und Auroville gehen. Aber jetzt erst mal ausschlafen!
Hallo, ich bin gerade auf den Reisebericht gestossen.
Ich möchte gerne von Chennai bis nach Trivandrum in etwa einer Woche reisen und Kultur und Tempel kennenlernen. Ich Reise als Frau alleine und bin daher auf der Suche nach einem guten privaten Driverguide , der mich begleiten kann.
Ich habe gelesen, Sie können einen Kontakt zu jemandem herstellen, den Sie empfehlen können?
Das wäre toll…
Viele Grüsse
Christine
Hallo Christine, vielen Dank für die Zuschrift. Es ist eine tolle Reise die Sie vor sich haben.
Der mit mir befreundete Fahrer Prakash lebt in Rajasthan und kann diese Tour nicht anbieten. Ich werde ihn jedoch fragen ob er noch Kontakt zu einem Fahrer in Chennai hat. Ich sende Ihnen dann eine email mit der Information.
Viele Grüße Elke